„Dein Großvater hat mich gedraftet und nach Pittsburgh geholt, als ich frisch vom College kam. Ich war damals ein grauenvoller Aufschneider, und irgendwann nahm er mich beiseite und sagte: Mein Sohn, wenn du wirklich Erfolg haben willst, musst du deine Einstellung ändern. Jeder Idiot kann Football spielen, aber die wenigsten verdienen es auch, auf dem Feld zu stehen .“ Mitch Cahill nickte ihr mit einem feierlichen Lächeln zu. „Dein Großvater war ein guter Mann. Einer wie er fehlt in der NFL.“
Isabelle antwortete nicht, sondern schenkte ihm ebenfalls ein Lächeln und nippte an ihrem Drink.
Für sie war es nicht sonderlich einfach, hier zu sitzen und den rührseligen Geschichten über ihren Großvater zu lauschen, während sich alle um sie herum amüsierten, auf der Tanzfläche den Macarena vollführten und ausgelassen Ian Carlisles Hochzeit mit der bezaubernden Taylor feierten, die in ihrem Hochzeitskleid die schönste Braut war, die Isabelle jemals zu Gesicht bekommen hatte.
Eigentlich liebte Isabelle es, zu Gast auf einer Hochzeit zu sein, sich den Bauch vollzuschlagen und im angeheiterten Zustand die Tanzfläche zu stürmen, aber dieses Mal kam so etwas nicht infrage. Erstens saß sie zusammen mit der Führungsetage des Vereins an einem Tisch und wollte sich deshalb von ihrer besten Seite präsentieren und zweitens fand diese Hochzeit zum schlechtestmöglichen Zeitpunkt statt. In ein paar Tagen stand ihnen ein schweres Spiel bevor und anschließend ging es in die heiße Phase vor den Play-offs. Außerdem fand dazwischen auch noch Weihnachten statt. Die kommende Zeit würde verdammt stressig werden und vom gesamten Team alles abverlangen.
Eine feuchtfröhliche Hochzeit war also genau die Ablenkung, die ein Footballcoach befürchtete.
Jedenfalls sah Isabelle das so.
John saß dagegen ziemlich entspannt am Tisch, quatschte mit Julian Scott und dessen Frau Liv, tanzte mit Hanna oder wiegte seinen kleinen Sohn im Arm, der ebenfalls an der Hochzeit teilnahm. Er schien sich nicht den Kopf darüber zu zerbrechen, ob die Defense für das kommende Spiel gut genug aufgestellt war und welche Teams der übrigen Divisions in den nächsten Spielen wie abschneiden mussten, damit die Chance bestand, dass die Titans als Erstplatzierte in die Play-offs einzogen.
Anstatt hier zu sitzen und ein grauenhaft unbequemes Kleid zu tragen, hätte Isabelle ihre Zeit lieber damit verbracht, in ihrem Büro über Taktiken zu brüten, die ihnen in den kommenden Partien helfen könnten.
Jetzt, da eine reelle Chance bestand, dass sie in die Play-offs kamen, und nachdem das Team einen solchen Leistungsschub gemacht hatte, traute sich Isabelle endlich, davon zu träumen, in ihrer ersten Saison als Coach in der NFL den Superbowl zu erreichen. Mit einem solchen Erfolg würde sie alle Kritiker mundtot machen und ihnen beweisen, was in ihr steckte.
Und sie würde damit das Andenken ihres Großvaters ehren.
Deshalb wurde sie umso ehrgeiziger, je näher sie den Play-offs kamen, und war bereit, alles zu tun, um ihr Team siegen zu sehen. Wenn es bedeutete, bis mitten in der Nacht zu arbeiten, dann machte sie das mit Freuden.
„Was soll das heißen, dass du damals ein grauenvoller Aufschneider warst?“, wollte Brian Palmer vom Generalmanager des Vereins wissen und feixte dabei. „Daran hat sich nicht viel geändert, wenn du mich fragst. Du gibst noch heute mit der Größe deines Suspensoriums an.“
„Der Einzige, der ständig und ohne Unterlass die Größe meines Suspensoriums erwähnt, bist du, Rabbit. Kann es sein, dass der Neid aus dir spricht?“
„Teddy, Liebling, kannst du dem Großmaul bitte sagen, dass ich keinen Anlass habe, auf die Suspensoriumsgröße eines anderen Mannes neidisch zu sein?“
„Mitch, mein Mann hat keinen Anlass, auf die Suspensoriumsgröße eines anderen Mannes neidisch zu sein“, ratterte Brians Frau Teddy gebetsmühlenartig hervor. Offenbar war es nicht das erste Mal, dass sie diese oder eine ähnliche Antwort hatte geben müssen.
Jedenfalls kam es Isabelle so vor, die den Disput neugierig verfolgte. Alles war besser, als sich immer wieder Geschichten über ihren Großvater mitanhören zu müssen, die ihr nahegingen. Je näher zudem Weihnachten rückte, desto mehr vermisste sie ihn.
„Könnten wir jetzt das Thema wechseln, da diese Frage geklärt ist?“, verlangte John und schüttelte den Kopf. „Wir sind auf einer Hochzeit, falls es euch entgangen ist.“
„Ich bitte dich, John.“ Liv Scott lachte fröhlich und schlang ihrem Mann einen Arm um den Nacken. „Auf Blakes und Madisons Hochzeit haben diese Spinner hier mit den Einmalkameras Fotos von ihren Allerwertesten gemacht, und du hast gewettet, dass sie es nicht durchziehen.“
„Erinnere mich nicht daran, Liv.“ Brian stöhnte laut auf. „Blake hat meinen Allerwertesten sofort erkannt, als er die Fotos durchgeschaut hat, und war wochenlang sauer auf mich.“
„Wenn du nicht willst, dass man deinen Hintern auf den ersten Blick erkennt, hättest du dir vielleicht nicht den Namen deiner lieben Ehefrau darauf tätowieren lassen sollen“, entgegnete Hanna verschmitzt, die gerade erst zum Tisch zurückgekommen war, nachdem sie Baby Theo gestillt hatte.
Isabelle verfolgte das Gespräch der vier Ehepaare und kam sich ein bisschen wie das fünfte Rad am Wagen vor, schließlich war sie ohne Begleitung zur Hochzeit gekommen. Der Mann, den sie gerne mitgenommen hätte, saß ein paar Tische entfernt – ebenfalls ohne Begleitung. Zwar gab sie sich Mühe, nicht ständig in seine Richtung zu schauen, aber es fiel ihr schwer, weil sie ihn vermisste. Sie hätte gern den Tag mit Hawke verbracht, in der Kirche neben ihm gesessen und seine Hand gehalten und sich jetzt mit ihm ein Stück Hochzeitstorte geteilt, von der sie wusste, dass er ganz verrückt nach ihr wäre.
Aber weil sie ihre Beziehung geheim hielten, saß sie allein am Tisch und gab vor, nicht zu bemerken, wie verdammt gut er in seinem dunkelblauen Anzug aussah. Und sie fühlte sich unter den glücklichen Ehepaaren ein bisschen benachteiligt und allein, auch wenn die sich die größte Mühe gaben, Isabelle in ihre Gespräche einzubeziehen.
„Also ich mag es, dass mein Name auf seinem Hintern prangt“, verkündete Teddy fröhlich. Die unkonventionelle Besitzerin der New York Titans schaute zufrieden in die Runde. „Wir Frauen müssen schließlich unser Revier markieren.“
„Ich bin dein Revier, Baby?“ Brian schien von der Vorstellung nicht abgestoßen zu sein, sondern starrte seine Frau begeistert an.
„Natürlich bist du das.“ Sie tätschelte seine Hand und schmiegte sich an ihn.
Avery Cahill räusperte sich amüsiert. „Soll das heißen, dass wir unsere Männer anpinkeln sollen, wenn wir sie als unser Revier markieren wollen?“
„Ich habe gehört, dass es Männer gibt, die genau darauf stehen“, erwiderte Julian Scott und hob abwehrend die Hände in die Höhe. „Natürlich nur vom Hörensagen.“
„Das nennt man Golden Shower“, präzisierte Brian. „Und natürlich weiß ich das auch nur vom Hörensagen.“
„Ich wiederhole: Wir sind hier auf einer Hochzeit.“
Avery lachte. „Jetzt hab dich nicht so, John. Wir genießen es, endlich Erwachsenengespräche führen zu können, ohne Rücksicht auf die Kids nehmen zu müssen. Und Theo wird nicht verstehen, wovon wir reden. Nicht wahr, Süßer?“
Besagter Süßer wurde gerade in seinen Kinderwagen gelegt und protestierte augenblicklich.
Hanna seufzte und wollte ihn wieder herausnehmen, als Teddy aufsprang und ihr diese Aufgabe abnahm.
„Komm zu deiner Patentante, Theo“, säuselte sie dem Baby zu und hob ihn so gekonnt in ihren Arm, dass man ihr die zweifache Mutter ansah. „Hast du mich vermisst? Du hast Tante Teddy in den letzten Tagen ganz furchtbar gefehlt. Du musst mich öfter besuchen kommen und aufmuntern, wenn ich mal wieder von idiotischen Footballspielern und deinem Daddy genervt werde, weil er glaubt, alles besser zu wissen und sich in Tante Teddys Angelegenheiten einzumischen.“ Auch wenn ihr Tonfall ein typischer Singsang war, mit dem man Babys und Kleinkinder ansprach, war herauszuhören, dass es ihr durchaus ernst war, wie genervt sie von Johns Einmischung war.
Der ganze Verein wusste davon, schließlich hatten die beiden einen lautstarken Streit miteinander ausgefochten, der damit geendet hatte, dass John nachgegeben und Teddy einen Strauß Blumen geschickt hatte. Da die beiden erst vor ein paar Minuten miteinander den Ententanz getanzt und dabei lauthals gelacht hatten, ging Isabelle nicht davon aus, dass sie einander noch böse waren.
Deshalb verdrehte John auch schmunzelnd die Augen. „Ich habe nie behauptet, alles besser zu wissen. Ganz im Gegenteil – wir beide wissen schließlich, dass du viel cleverer bist als ich. Mir ging es nur um die Entscheidungen beim nächsten Draft und …“
„Pst“, mahnte Teddy ihn gespielt streng. „Mein Namensvetter und ich führen gerade ein Gespräch. Falls ihr uns entschuldigt, wir gehen die anderen Tische besuchen und Hallo sagen.“
„Ein kluger Schachzug, dass du ihr Blumen geschickt hast, John“, urteilte Brian, sobald seine Ehefrau mit dem Baby verschwunden war. „Vorher hat sie Gift und Galle deinetwegen gespuckt. Danach wurden die Flüche merklich verhaltener und weniger.“
John schnitt eine Grimasse und warf seiner Frau einen Seitenblick zu. „Ich bin immerhin seit ein paar Jahren verheiratet und weiß deshalb, was zu tun ist, wenn ich eine Frau verärgert habe.“
Julian Scott, der früher für die Titans gespielt hatte und mittlerweile in Rente gegangen war, nickte Isabelle zu. „Wirst du Teddy auch Blumen schicken, wenn du dich mit ihr gestritten hast und dich entschuldigen willst?“
Sie warf ihm einen langen Blick zu. „Ich würde niemals den Fehler begehen, mich mit einer Frau wie Teddy anzulegen. Nichts für ungut, John.“
Als Antwort schnaubte er. „Das klingt nach einer weiblichen Konspiration gegen mich.“
„Ein guter General weiß, welche Schlacht er gewinnen kann und welche er lieber meidet.“
Mit gerunzelter Stirn sah er sie an. „Stammt das Zitat von Sokrates?“
„Nein, ich glaube, es stammt aus dem neuen Wonder Woman -Film“, foppte sie ihn und animierte die anwesenden Frauen zu einem fröhlichen Gelächter.
Auch Brian Palmer lachte, bevor er John beruhigte: „Bald musst du dir keine Gedanken mehr darum machen, dass Teddy und Isabelle gegen dich konspirieren könnten. Im nächsten Jahr muss Teddy etwas kürzertreten, was bedeutet, dass du auch nicht mehr in die Verlegenheit kommst, ihr Blumen schicken zu müssen.“
Während Isabelle ahnte, was der Grund dafür war, dass die Vereinsbesitzerin kürzertreten musste, schien John nur Bahnhof zu verstehen. „Wovon sprichst du? Wieso sollte Teddy denn kürzertreten?“
„Weil auch bei uns Nachwuchs ins Haus steht.“ Der frühere Quarterback grinste über das ganze Gesicht. „Und es werden schon wieder Zwillinge.“
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Er hatte die Wahl gehabt, an der Bar zu stehen, wo die weibliche Barkeeperin versucht hatte, ihm ihre Nummer aufzudrängen, in der Nähe der Tanzfläche herumzulungern, wo Ians schottische Großtante ihn hätte entdecken und dazu zwingen können, mit ihm das Tanzbein zu schwingen, oder an seinem Tisch zu sitzen und sich zu langweilen.
Hawke hatte sich für die letzte Möglichkeit entschieden und lauschte nun der spannenden Diskussion darum, wo die Hochzeitstorte besser geschmeckt hatte – auf Blakes oder auf Ians Hochzeit.
Da er auf Blakes Hochzeit nicht gewesen war und sich heute die zuckerhaltige Nachspeise verkniffen hatte, konnte er nicht mitreden. Er wusste nur, dass die verdammte Torte großartig und wahnsinnig lecker ausgesehen hatte, und Hawke hatte seine gesamte Disziplin dafür aufbringen müssen, sich nicht gleich ein ganzes Stück auf einmal in den Mund zu schieben.
Noch mehr Disziplin musste er jedoch dafür aufbringen, nicht die gesamte Zeit Izzie anzustarren oder zu ihrem Tisch rüberzugehen, sie sich über die Schulter zu werfen und diese Hochzeit zu verlassen, weil er mit ihr allein sein wollte.
Er fand es albern, hier allein zu sitzen und sich zu langweilen, anstatt die Zeit mit ihr zu verbringen und Spaß zu haben. Es hatte niemanden zu interessieren, ob sie beide wieder ein Paar waren, und ihn juckte es nicht, wenn die Presse deswegen durchdrehen würde. Hawke hätte es gefallen, wenn er Izzie an seiner Seite gehabt hätte und dies auch offen zeigen könnte. Und wenn die verdammte Presse endlich wüsste, dass er vergeben war, würde sie auch damit aufhören, ihn ständig wegen seines Liebeslebens zu löchern und mit irgendwelchen Models und Schauspielerinnen in Verbindung zu bringen.
Jedes Mal, wenn er gefragt wurde, ob er mit dieser oder jener Frau ausging, begann er zu schwitzen und sich darum zu sorgen, dass Izzie dem Gerücht Glauben schenken könnte. Natürlich verneinte er die Fragen der Journalisten und erklärte stets, dass er und die betreffende Frau nur Freunde wären oder dass sie einander gar nicht kannten, aber meistens beließen es die Reporter nicht dabei und witterten überall eine heiße Story. Es wäre so viel einfacher gewesen, wenn er stattdessen hätte erwidern können, dass er eine tolle Beziehung führte und glücklich mit Izzie war.
„Vielleicht packe ich ein Stück Torte für Dozer ein und bringe sie ihm vorbei“, erklärte Blake, während er bereits sein drittes Stück Torte aß. Wenn er so weitermachte, würde er beim nächsten Spiel schnell aus der Puste sein und so viel Gewicht zugelegt haben, dass sogar ein Achtzigjähriger ihn überholen würde. „Wenn er erfährt, dass es seine Lieblingssorte gab, wird er sich ärgern, dass er nicht gekommen ist.“
Seine Frau verdrehte die Augen. „Dupree hat momentan ganz andere Dinge, die ihn beschäftigen, schließlich liegt Sarah in den Wehen und bekommt gerade das Baby. Ich denke, dass er keine einzige Sekunde daran verschwendet, über Ians und Taylors Hochzeitstorte nachzudenken.“
„Die Torte besteht aus dunkler Schokolade“, hob Blake hervor, als würde das alles erklären.
Madison schüttelte den Kopf und schnaubte: „Gut zu wissen, wo deine Prioritäten liegen. Dann kann ich ja gespannt sein, wie du dich verhältst, wenn es bei uns irgendwann einmal so weit ist.“
„Anstatt eines Push Presents bekommst du eine Torte von ihm zur Geburt präsentiert, Madison“, orakelte Eddie Goldbergs Frau amüsiert.
„Aber nur eine aus dunkler Schokolade“, fügte Grahams bessere Hälfte hinzu, die ihrem Mann vor rund einer Stunde Wein über den Schoß gekippt hatte, als sie ein volles Weinglas umgestoßen hatte. Erstaunlich war, dass Graham nicht einmal mit der Wimper gezuckt hatte.
„Lacht ihr nur, aber diese Torte ist ganz fabelhaft“, behauptete Blake mit vollem Mund und hielt ausgerechnet Hawke die Gabel unter die Nase. „Willst du nicht wenigstens probieren?“
Abwehrend hob er die Hände und schüttelte den Kopf. „Nein, danke.“
„Aber sie schmeckt fantastisch!“
„Das glaube ich sofort“, entgegnete Hawke standhaft. „Aber wenigstens einer von uns sollte auf seine Linie achten, O’Neill.“
Wie nicht anders zu erwarten, grinste der Runningback großspurig. „Keine Sorge – ich werde die zusätzlichen Kalorien im Schlafzimmer abtrainieren, wenn ich heute Abend zu Hause bin.“
In geheuchelter Überraschung tätschelte seine Frau ihm die Hand. „Sehr lobenswert von dir, dass du heute Abend noch den Hometrainer benutzen willst, der im Schlafzimmer ständig im Weg steht. Dann werde ich auf der Couch schlafen, um dich bei deinem Training nicht zu stören, Baby.“
„Ich schätze, dass Blake eine andere Art Training im Sinn hat als du, Madison“, warf Ava Goldberg fröhlich ein.
„Das mag schon sein, aber die Art von Training, die er im Sinn hat, wird es für ihn nicht geben, wenn er sich weiter den Bauch vollstopft und mir dann später die Ohren volljammert, weil er sich überfressen hat.“
Ihr Mann grummelte etwas vor sich hin. Zumindest hielt er Hawke nicht länger die Gabel vor den Mund.
„Hallo zusammen.“ Die Vereinsbesitzerin stand plötzlich bei ihnen am Tisch und hielt ein Baby auf dem Arm. „Theo und ich wollten vorbeikommen und euch Hallo sagen. An unserem Tisch wird zu viel über Football geredet und da wurde uns langweilig.“
Hawke hätte mit Freuden mit ihr getauscht, weil er dann nicht nur den Gesprächen über Hochzeitstorten entkommen wäre, sondern auch bei Izzie hätte sitzen können.
Das Baby quäkte, als wolle es ihr zustimmen, und schaute sie alle aus babyblauen Augen neugierig an. Zu Hawkes absoluter Überraschung blieb Baby Theos Blick ausgerechnet an ihm hängen. Der Kleine quietschte vor Freude und lachte ihn an.
„Theo scheint dich zu mögen.“ Teddy grinste fröhlich auf ihn nieder. „Willst du ihn mal nehmen?“
„Nein, vielen Dank“, wehrte er erschrocken ab, schließlich hatte er noch nie ein Baby auf dem Arm gehabt und hätte nicht gewusst, was er tun sollte. „Er fühlt sich bei dir ziemlich wohl. Ich würde ihn vermutlich nur verschrecken.“
Den Eindruck machte Theo nicht, weil er fröhlich gurgelte und Hawke anlachte.
Seine Chefin musste das Gleiche denken, jedoch wies sie ihn darauf nicht hin, sondern starrte ihn lediglich mit zuckenden Mundwinkeln an. Wenn ihn nicht alles täuschte, war sie selbst in anderen Umständen, schließlich malte sich eine winzige Rundung unter ihrem Kleid ab.
„Gibt es schon Neuigkeiten von Sarah und Dupree?“, wollte sie von ihnen allen wissen und wechselte glücklicherweise das Thema. „Ist das Baby schon da?“
„Noch nicht“, informierte Ava sie. „Wir wissen nur, dass Sarah in den Wehen liegt und Dupree wahnsinnig aufgeregt ist. Hoffentlich lässt es nicht so lange auf sich warten. Vielleicht können wir sogar heute noch auf den neuen Erdenbürger anstoßen.“
„Das ist eine schöne Idee“, verkündete Teddy und küsste das Baby auf die Wange. „Zwar finde ich es schade, dass ein paar von uns heute nicht hier sein können, um Ians und Taylors Hochzeit zu feiern, aber ein neuer kleiner Titan wiegt das mehr als auf.“
Graham hob den Kopf und sah sich um, als würde er nach jemandem suchen. „Wo sind eigentlich Hunter und Riley? Ich habe sie noch gar nicht entdecken können.“
„Ich wette, dass Hunter die Hochzeit mit purer Absicht schwänzt, schließlich will er an so einem Tag dem Coach nicht über den Weg laufen“, prophezeite Blake. „Der ist noch immer angefressen, dass Hunter und seine Tochter nicht verheiratet sind, obwohl sie ein Baby haben. An seiner Stelle wäre ich auch nicht hergekommen.“
„Soweit ich weiß, hat die kleine Joanie Fieber“, widersprach Teddy Blake und gab ihm eine Kopfnuss. „Riley und Hunter sind zu Hause geblieben, um sich um ihre Tochter zu kümmern und um auf Jillian und Sean aufzupassen.“ Sie schaukelte das Baby. „Nur Theo durfte mitkommen, weil er noch gestillt wird.“
Hawke fuhr innerlich zusammen, weil er befürchtete, dass jetzt eine Diskussion ums Stillen entbrennen würde, für die er eindeutig nicht betrunken genug war. Die ganzen Themen, die sich um Familien, Hochzeiten und Kinder drehten, waren ihm ein bisschen unangenehm. Er konnte nicht mitreden und hatte ein paar Erfahrungen hinter sich, was Familien betrafen, an die er nicht gerne dachte.
Für ihn war eine heile Familienwelt etwas sehr Abstraktes, weil er selbst nie in einer gelebt hatte.
Nur ein einziges Mal hatte Hawke geglaubt, Teil einer intakten, sich liebenden Familie zu sein oder es zumindest werden zu können, aber er war bitter enttäuscht worden.
Ganz von selbst ließ er seinen Blick zu Izzie schweifen und musste mitansehen, wie Rob Savage sie auf die Tanzfläche führte.
Alles in Hawke sperrte sich gegen das Bild, wie der jüngere Mann Izzies Hand in seine nahm, seine andere Hand auf ihren Rücken legte und sich mit ihr im Rhythmus des langsamen Schmusesongs bewegte. Heiße Eifersucht stieg in ihm auf, die einen unangenehm schmerzhaften Knoten in seinem Magen hinterließ.
Er wusste zwar, dass er keinen Grund zur Eifersucht hatte, weil Izzie Rob lediglich mit einem freundlichen Lächeln bedachte und weil Rob sie nicht unerhört eng an sich zog, aber Hawke war dennoch eifersüchtig. Sie war seine Freundin – seine Frau. Und er wollte mit ihr tanzen. Er wollte sie an sich ziehen und sich zur ihr hinabbeugen, um ihr zu sagen, wie wundervoll sie aussah und wieviel Mühe es ihn kostete, sie nicht mit Haut und Haaren zu verschlingen.
Izzie lachte über etwas, was Rob sagte.
Hawke hatte genug gesehen.
Abrupt erhob er sich, ohne sich bei den anderen zu entschuldigen, und marschierte auf die Tanzfläche, wo Rob, der seine Schiene mittlerweile los war, und Izzie ausgelassen miteinander lachten und viel Spaß zu haben schienen. Er tippte dem jüngeren Mann auf die Schulter und sah, dass Izzie große Augen machte, sobald sie ihn bemerkte.
„Darf ich abklatschen, Kleiner?“
Rob, gegen den Hawke im Grunde nichts hatte und von dem er wusste, dass er wieder mit leichten Kraftübungen zur Stärkung seines Beines angefangen hatte, ließ die Schultern nach unten fallen und schaute Hawke betrübt an. „Du weißt wirklich, wie du einem den Tag versauen kannst, Reynolds.“ Nichtsdestotrotz ließ er Izzie los, zwinkerte ihr zu und verschwand von der Tanzfläche.
Hawke schaute ihm nicht nach, sondern hatte nur Augen für Izzie, die er sofort an sich zog, bevor jemand anderes auf die Idee kam, ihm zuvorzukommen, oder bevor sie das Weite suchen konnte.
Anders als Rob, der zwischen ihnen einen gewissen Abstand gehalten und der seine Hand völlig unverfänglich auf Izzies Rücken gelegt hatte, zog Hawke sie eng an sich und ließ seine Hand auf ihre Hüfte gleiten. Er wollte sie so nah wie möglich bei sich haben. Am liebsten hätte er seine Hand über die Rundung ihres Pos gelegt, aber er war sich sicher, dass Izzie ihn dann einfach hätte stehen lassen.
„Musstest du vor Rob wirklich den Macker spielen und ihn verscheuchen?“ Sie sah ihn naserümpfend an.
„Ja, musste ich“, erwiderte er schlicht. „Ich konnte es keine Sekunde länger ertragen, dich mit einem anderen Mann tanzen zu sehen.“
In ihrer Miene spiegelte sich Überraschung wider, und sie öffnete den Mund, als würde sie noch etwas sagen wollen.
„Du bist die schönste Frau des ganzen Tages“, vertraute er ihr heiser an und schluckte schwer. „Ich kann nicht aufhören, dich anzustarren, und dich die ganze Zeit nicht berühren zu können, hat mich fast umgebracht.“
Ihre Augenlider flatterten und sie stieß einen verwunderten Laut aus, während sich ihre Wangen röteten. Ihre helle Haut, die so durchscheinend wie zartes Porzellan war, glühte förmlich, und als sie sich über ihre volle Unterlippe leckte, wurde das Verlangen fast schon unmenschlich, sie nicht auf der Stelle zu küssen.
Hawke fand, dass Izzie immer wunderschön war – ob sie nun Trainingskleidung, ausgebeulte Jeans oder alberne Pyjamas trug, ihre Brille auf der Nase hatte und ihr Haar zu einem saloppen Pferdeschwanz gebunden hatte. Sie war in seinen Augen immer bildhübsch.
Aber heute sah sie atemberaubend aus.
Das lange Kleid, das ihre linke Schulter freiließ und den gleichen Farbton wie ihre grauen Augen besaß, schmiegte sich an ihren Körper und hatte diesen verführerischen Schlitz an der rechten Seite, der ihr Bein beim Gehen bis oberhalb der Knie entblößte und Hawkes Blicke wie magisch anzog. Ihr dunkelrotes Haar fiel in weichen Wellen über ihren Rücken und bildete einen faszinierenden Kontrast zu ihrer hellen Haut.
Er konnte sich nicht an ihr sattsehen und spürte, dass sein Herz holprig in seiner Brust schlug.
„Weißt du, woran ich die ganze Zeit denken muss?“, flüsterte sie ihm zu und sah ihm mit einem unendlich weichen Ausdruck in die Augen.
„Nein, woran?“ Zärtlich streichelte er mit seinem Daumen über ihren Handrücken.
„Dass wir nie einen Hochzeitstanz hatten.“ Sie lächelte ihn wehmütig an. „Der fehlte bei unserer spontanen Trauung leider.“
Im Takt des langsamen Liedes schmiegte er sich an sie. „Das stimmt.“ Er schluckte schwer und raunte ihr mit einem Kloß im Hals zu: „Aber den holen wir ja jetzt nach, Baby.“