März 1986, Achim
Kari starrte zur Decke, dann ließ sie erschöpft die Augen zufallen. Es war geschafft! Das Schreien ihres Babys entfernte sich, die Stimme der Hebamme war nur noch leise zu hören, die laute Welt trat zurück, Kari schloss sich für einen Augenblick in sich selbst ein. Ein gesundes kleines Mädchen, das hatte sie die Hebamme noch sagen hören. Alisia! Für diesen Namen hatte sie sich erst am Tag vor der Geburt entschieden. Wenn es ein Mädchen wurde, sollte es Alisia heißen.
Sie hielt die Augen noch immer geschlossen, schwelgte in der Müdigkeit, die sie vom Rest der Welt zu trennen schien, wollte den Schritt in ihr Leben als Mutter langsam und bewusst tun und damit warten, bis man ihr das Kind in den Arm gelegt hatte …
Die Stimme der Hebamme veränderte sich, als sie sich ihr näherte, aus dem Schreien des Babys war ein klägliches Greinen geworden. Kari spürte, dass etwas anders geworden war. Die Zeit der Müdigkeit war vorbei, der große Schritt musste getan werden. Sie öffnete die Augen und sah das Gesicht der Hebamme vor sich, rot, rund, bisher unverdrossen fröhlich, jetzt jedoch mit einem verkniffenen Mund und vorwurfsvollen Augen. Sie hielt ein Bündel im Arm, Karis Baby, von dem kaum etwas zu sehen war. Nur ein zappelndes Händchen.
Kari erschrak und streckte die Hände nach ihrem Kind aus. »Geben Sie es mir!«
Die Hebamme folgte ihrer Bitte, als wäre sie froh, die Verantwortung für dieses Baby abzugeben, sie loszuwerden, als wolle sie rufen, dass sie ihre Hände in Unschuld wasche, dass man ihr keine Vorwürfe machen dürfe … »Wird Ihr Mann heute noch kommen?«
Was war das für eine Frage? Was ging es die Hebamme an, wann Mike erscheinen würde? Kari nahm das in Tücher und Decken gehüllte Kind entgegen, bettete es in ihren rechten Arm, richtete sich auf, öffnete mit der Linken die Decke, um ihr Kind besser sehen zu können … und erstarrte. Ihr Hilfe suchender Blick ging ins Leere, die Hebamme hatte sich verdrückt.
»Alisia«, murmelte Kari fassungslos. »Alisia!«