März 1986, Achim

»Ich wollte, du wärst hier«, weinte Brit.

Sie saß auf der Bettkante, das Telefon stand auf dem Nachttisch. Eine kleine Lampe brannte, verbreitete diffuses Licht, aber heller wollte Brit es nicht haben. Nicht heller als nötig.

»Warum rufst du jetzt erst an?«, fragte Olaf.

»Ich war noch mit Romy an der Bar.«

»Das war dir wichtiger, als zuerst mich zu verständigen?«

Nun wurde Brits Stimme genauso heftig wie die ihres Mannes. »Du hättest mitkommen können, dann wüsstest du längst, was geschehen ist.«

»Du hast getrunken.«

»Natürlich habe ich das! So was ist ja nur mit viel Wein zu ertragen.«

Olafs Stimme veränderte sich, er bemühte sich jetzt, ruhig zu reden und Verständnis zu signalisieren. »Nun mal ganz von vorne …«

»Wie oft noch? Ich bin zu Kari ins Zimmer gekommen, neben ihrem Bett stand das Babykörbchen. Die Kleine schlief friedlich. Ich habe Kari gratuliert, die jedoch keinen richtig glücklichen Eindruck machte. Ich wollte schon fragen, habe mich aber zunächst über das Kind gebeugt …« Sie begann zu weinen und konnte nicht weitersprechen.

»Da hast du gesehen«, half Olaf ihr weiter, »dass es dunkelhäutig ist.«

»Schokoladenbraun«, schluchzte Brit. »Kari ist offenbar noch vor der Heirat fremdgegangen. Was wird Mike sagen, wenn er das Kind sieht? Vermutlich wird er sich gleich wieder scheiden lassen.«

Auf der anderen Seite der Telefonleitung blieb es eine Weile still. Erst als Brit zu schluchzen aufhörte und sich die Nase geputzt hatte, sagte Olaf: »Kannst du dich an das Konzert der Half Brothers erinnern?«

»Ja. Wieso?«

»Das war kurz nachdem Mike bei uns um Karis Hand angehalten hat. Kurz nach einer dieser verrückten Partys.«

»Worauf willst du hinaus?«

»Als wir Kari und Mike in der Lobby des Kurhauses getroffen haben, hat Kari erwähnt, dass die Half Brothers auf der Party zu Gast gewesen waren.«

Brit dachte eine Weile nach. »Stimmt. Und du meinst …?«

»Ja, das meine ich.« Olafs Stimme wurde jetzt so schneidend, als spräche er mit einem Geschäftspartner, der sich als unehrlich oder unfähig erwiesen hatte. »Für Mike ist das eine Katastrophe. Er wird die Fernsehshow nicht bekommen, wenn sich herausstellt, dass seine Frau ein Lotterleben führt und ihm Hörner aufgesetzt hat.«

Brit gab einen erstickten Laut von sich. »Lotterleben?«

»Diese Fernsehproduzenten sind ja so was von pedantisch. Die müssen genauso spießig denken wie ihre Zuschauer, sonst haben sie keinen Erfolg. Ein Sender, der einen Star präsentiert, der nicht moralisch integer ist, kann einpacken. Auch wenn es nur seine Frau ist, die sich etwas zuschulden kommen ließ. An Scheidung braucht er auch nicht zu denken. Weißt du noch, wie man damals mit diesem Mister Wunnebar umgegangen ist?«

Brit erinnerte sich. »Du meinst Lou von Burg?«

»Genau! Der war weg vom Fenster, als er sich von seiner Frau trennte.«

Brit wusste nicht, ob er recht hatte, ob diese beiden Angelegenheiten wirklich vergleichbar waren, aber sie wusste natürlich, dass Prominente, die sich scheiden ließen, häufig mit dem Verlust ihres Images zu kämpfen hatten.

»Was wird er tun?«, fragte Brit tonlos.

»Er wird sich die Half Brothers vornehmen. Aber wenn keiner zugibt, mit Kari geschlafen zu haben, wird er nichts machen können.«

»Und dann? Dann ist die Kleine ein Kind ohne Vater?«

Olaf zögerte. »Hm. Was das Beste für die Kleine und Kari ist, ist schwer zu sagen. Für Mike wäre es eigentlich genauso schlimm, wenn einer der Half Brothers es zugibt und dann seine Vaterrechte einfordert.«

Brit erschrak. »Ach, du lieber Himmel!«

»Also wird er wohl doch den Mund halten und die Half Brothers nicht aufscheuchen. Andererseits wird es sich ja nicht verheimlichen lassen, dass Mike nicht der Vater ist …« Olaf schienen die Verwicklungen mit einem Mal unlösbar zu sein. »Wart erst mal ab, wie Mike morgen reagiert, wenn er das Kind sieht.«

»Kari sagt, er hat schon die Presse verständigt.«

Olaf stöhnte auf. »Dann muss er diese Leute eben wieder abbestellen. Was weiß ich!« Seine Stimme wurde jetzt heftiger und lauter. »Wieso zerbrechen wir uns eigentlich den Kopf darüber? Kari ist erwachsen und wollte sich von uns unabhängig machen. Jetzt muss sie ihre Probleme auch selbst lösen.«

Brit fiel nichts dazu ein. Also schwieg sie, bis sie schließlich herausbrachte: »Ich glaube, ich gehe jetzt schlafen. Zu dumm, dass ich mein Baldrian nicht dabeihabe.«

»Ach, übrigens …« Olaf schien sich zu sorgen, dass seine Frau das Gespräch unverzüglich beenden könnte. »Was hast du für einen Eindruck vom Haus für gefallene Mädchen ? Hast du den Geschäftsführer schon gesehen? Wie ist der Service, der Zustand der Zimmer …«

Brit ließ ihn nicht zu Ende sprechen. Schon wieder das Geschäft! Sogar in einer solchen Situation, in der es nur um die Familie gehen durfte, dachte Olaf an das Hotel. Brit holte schon tief Luft, um ihren Mann mit Vorwürfen zu überschütten, aber dann legte sie den Hörer einfach auf, ohne Olaf eine gute Nacht zu wünschen.