März 1986, Riekenbüren

Frida schloss aufatmend die Haustür, blieb aber noch eine Weile stehen und blickte Ursula Berghoff durch das kleine Fenster in der Tür so lange nach, bis sie verschwunden war. Dann erst ging sie in die Küche zurück, wo Edward am Tisch saß und in seiner Teetasse rührte.

»Sie hat einen siebten Sinn«, sagte Frida. »Wenn in einem Haus etwas nicht in Ordnung ist, steht sie auf der Matte.«

Edward blickte nicht auf. »Es lässt sich doch sowieso nicht verschweigen. Nicht auf Dauer.«

Diese Idee war Frida auch schon gekommen. »Erst mal abwarten, wie Mike Heiser damit umgeht. Wir haben Brit versprochen, zunächst den Mund zu halten.«

Nun warf ihr Edward einen Blick zu, der Bände sprach. Als ob sie freiwillig darüber reden würden, dass ihre Enkelin, die mit einem berühmten Mann verheiratet war, ein Kind bekommen hatte, das eindeutig von einem anderen war!

»Auf dem Foto in der Zeitschrift«, fuhr Frida fort, »ist Kari mit einem weißen Baby zu sehen. Da kann er der Öffentlichkeit doch nicht ein paar Monate später ein dunkelhäutiges Kind präsentieren.«

Ein Hoffnungsschimmer stieg in Edwards Blick. »Du meinst, er wird das Kind unter Verschluss halten?«

Frida nickte zögernd. Ja, so ähnlich stellte sie sich das vor. Wenn sie auch nicht wusste, was das zu bedeuten hatte. Ein Kind ließ sich ja nicht einfach wegschließen. »Vielleicht wartet er so lange, bis seine Fernsehshow derart erfolgreich ist, dass ihm niemand mehr einen Strick daraus drehen kann, dass er von seiner Frau betrogen wurde.« Trotz aller Sorgen spürte sie nun auch einen kleinen Triumph. »Der Mann unserer Enkelin in einer Fernsehshow!« Es dauerte eine Weile, bis sie wieder in die Riekenbürener Realität zurückgekehrt war. »Die Sache mit Brit damals war schon schlimm genug.« Zufrieden ergänzte sie: »Aber heute ist Ursula Berghoff neidisch, dass es Brit so gut geht. Und als über Karis Hochzeit in allen Zeitschriften berichtet wurde, war sie grün vor Neid.«

»Bald wird sie wieder Gelegenheit haben«, knurrte Edward, »sich zu fragen, was in unserem Haus mit der Erziehung falsch gelaufen ist. Erst bekommt Brit ein uneheliches Kind und dann Kari eins, das nicht von ihrem Mann ist. Das wird ein gefundenes Fressen für alle Riekenbürener.«

Bevor Frida darauf etwas entgegnen konnte, ging die Haustür. »Hallo!«, rief Dennis’ Stimme. Kurz darauf stand er in der Küche. »Gibt’s noch einen Tee?«

Frida zog ihn in ihre Arme. »Dass du dich mal wieder bei uns blicken lässt!«

Edward brachte kein Lächeln zustande. »Was macht die Ausbildung?«

»Alles paletti, Opa!« Dennis ließ sich neben ihm nieder und den Blick schweifen. »Keine Kekse? Kein Streuselkuchen von gestern?«

Frida lachte und öffnete ihren Küchenschrank. Im Nu erschien eine Schale vor Dennis, gefüllt mit den Keksen, die er schon als kleiner Junge gern gegessen hatte. »Hast du heute frei?«

»Ich kann Überstunden abfeiern«, antwortete Dennis. »Und da ich sowieso was mit Papa bereden muss …«

Er sprach den Satz nicht zu Ende, was Frida sofort in Alarmbereitschaft versetzte. »Gibt’s Probleme?«

Aber Dennis wehrte ab. »Nur was Organisatorisches. Aber erst mal will ich von euch hören, wie’s so geht.« Er schob sich einen Keks zwischen die Zähne und fragte mit vollem Mund: »Was macht die Lütte von Kari? Alles okay?«

Das Teewasser summte, Frida wartete nicht, bis es kochte, sondern nahm es vom Herd und goss es über das Tee-Ei, das sie kurz vorher für Dennis gefüllt hatte. Edward schwieg und sah auf seine Hände, als dächte er über eine Maniküre nach.

Dennis krauste die Stirn. »Ist was nicht in Ordnung?«

Frida antwortete: »Wir waren da. Wir dachten, wenn unsere Enkelin ein Kind bekommt, dann ist es unser gutes Recht, uns das Baby anzusehen. Nach Sylt wären wir nicht gefahren, aber Achim ist ja nicht weit.«

»Und?«, fragte Dennis lauernd.

»Stell dir vor, wir haben nach Brit gefragt, und sie war in dem Hotel gar nicht bekannt. Die hatte sich glatt unter ihrem Mädchennamen dort angemeldet.«

»Warum das denn?«

Nun mischte sich Edward ein. »Weil sie dem Hoteldirektor auf die Finger sehen wollte. Das klappt ja besser, wenn er nicht weiß, dass er die Frau vom Chef vor sich hat.«

»Und was ist nun mit dem Baby?«, fragte Dennis.

»Wir sollten ja eigentlich gar nicht kommen …«, begann Frida erneut. »Aber Brit war so komisch am Telefon, dass wir fanden …«

»Was ist denn nun?« Dennis beugte sich vor, als wollte er seiner Oma die Informationen vom Mund ablesen. »Ist das Kind krank?«

»Nein, es ist gesund«, flüsterte Frida. »Aber es ist … schokoladenbraun.«