Neun

»Der Baseballschläger lag seit dem Überfall in der Mülltonne«, sagte Schröder. »Niemand dürfte ihn danach angefasst haben.«

»Korrigiere mich, wenn ich falschliege«, knurrte Zorn. »Aber heißt die Spurensicherung nicht deshalb Spurensicherung, weil sie Spuren sichert?«

»Richtig.«

»Wie konnten die das Ding übersehen? Sind die zu blöd, in ’ne Papiertonne zu gucken? Oder zu faul? Jemand sollte denen mal richtig Feuer unterm Arsch machen, damit …«

»Kannst du gern tun.« Schröder deutete auf das Regal mit den Aktenordnern. »Du wirst eine Weile suchen müssen, aber ich bin sicher, du findest das richtige Formular. Wenn du’s ausgefüllt hast, kannst du die Beschwerde in Umlauf bringen und …«

»Schon gut«, wehrte Zorn ab, ging zum Fenster und goss sich Kaffee ein. »Auch einen?«

»Der Baseballschläger«, Schröder lehnte mit einer Handbewegung den Kaffee ab, »ist im Labor. Das Holz ist abgewischt worden, aber es gibt Blutspuren, die stammen wahrscheinlich von Fender. Und ein paar Fingerabdrücke, vielleicht helfen die uns ja weiter.«

»Es sei denn, der Typ hat Handschuhe getragen.«

»Unwahrscheinlich ist das nicht. Es gibt jedenfalls …«

»Scheiße, ist der heiß

Zorns Tasse landete mit einem Knall auf dem Schreibtisch.

»Es gibt jedenfalls«, fuhr Schröder unbeirrt fort, »nur einen einzigen Zugang zum Hinterhof. Und zwar die Durchfahrt. Entweder … äh, Chef?«

»Was?«

»Im Waschbecken ist ein Lappen.«

Zorn, der Anstalten gemacht hatte, den übergeschwappten Kaffee mit dem Ärmel des Shirts abzuwischen, stand widerwillig auf.

»Entweder«, sagte Schröder, »Jakob Fender war auf der Flucht und wollte sich im Hof verstecken. Oder man hat ihm dort aufgelauert. Dann ergibt sich die Frage …«

»… was er dort wollte.«

Zorn wischte kurz über den Tisch, zielte, warf den Lappen quer durch das Büro und ballte die verbliebene Hand zu einer triumphierenden Siegerfaust, als der Lappen klatschend im Waschbecken landete.

»Niemand der Anwohner kennt ihn«, sagte Schröder.

»Behaupten die alle.« Zorn schob einen Papierstapel beiseite, unter dem eine bräunliche, verschmierte Lache zum Vorschein kam. »Muss ja nicht …«

»Chef?«

Schröder hielt eine durchnässte Akte zwischen Daumen und Zeigefinger in die Höhe und sah Zorn durchdringend an. Dieser stierte durch die dicken Gläser der Lesebrille auf den grauen Pappdeckel, von dessen Rändern der verschüttete Kaffee auf den Schreibtisch tropfte.

»Die ist nicht wichtig«, winkte Zorn ab, nachdem er die verblasste Aufschrift entziffert hatte. »Irgend ’ne Leitlinie über Verhörtechniken, den Kram kann man …«

»Was wichtig ist, bestimme ich

Murrend langte Zorn über den Schreibtisch, schnappte die Akte und warf sie zwischen Schröders Topfpflanzen auf das Fensterbrett. »Zufrieden, Chef

Das war Schröder nicht, wie seinem Blick zum Waschbecken mehr als deutlich zu entnehmen war. Also sprang Zorn erneut auf, holte den Lappen und wischte den Schreibtisch ein weiteres Mal ab.

»Fakt ist«, resümierte Schröder währenddessen, »das war kein Zufallstreffen.«

»Wieso? Es könnte ein stinknormaler Raubüberfall …«

»Fender hatte seine Brieftasche dabei, Geld wurde ihm nicht gestohlen.«

»Aber sein Handy ist weg.«

»Vielleicht hatte er’s nicht bei sich.«

»Jeder hat doch heutzutage ein …«

»Er kann es verloren haben. Vielleicht ist es in seiner Wohnung.«

»Oder man hat’s ihm geklaut.«

»Möglich«, stimmte Schröder zu. »Aber wegen eines Handys wird niemand halb totgeprügelt. Und das war ein Mordversuch.«

»Wie kannst du da so sicher …«

»Ich bin sicher.«

Na gut, dachte Zorn. Wenn Schröder davon überzeugt ist, dann wird’s wohl so sein. Ich wäre der Letzte, der eine Diskussion anfangen sollte.

»Die Schläge waren so heftig, dass der Putz von der Mauer abgeplatzt ist. Der Angreifer«, Schröder hob Zorns Tastatur an, damit dieser auch darunter wischen konnte, »wollte Fender nicht nur verletzen, sondern töten. Entweder, er … guck mal, da ist noch ein Fleck.«

»Wo?«

»Neben dem Mousepad.«

»Besser?«

»Hervorragend, Chef.«

Zorn hob wieder den Arm.

»Das«, warnte Schröder, »würde ich lieber nicht noch einmal …«

Der Lappen flog durch die Luft …

»Strike!«, rief Zorn.

… und landete wieder im Waschbecken.

Schröder gab Zorn einen Moment, um den Triumph zu genießen. »Der Angreifer ist davon ausgegangen, dass Fender tot ist«, sagte er dann. »Vielleicht wurde er auch gestört.«

»Er benutzt einen Baseballschläger«, überlegte Zorn, den Blick noch immer auf das Waschbecken gerichtet. »Aber nicht nur den. Warum braucht er zwei Waffen?«

»Gute Frage.«

»Gracias , Chef.«

»Es würde helfen, wenn wir wüssten, worum genau es sich bei dieser zweiten Waffe handelt.«

»Jemand könnte sich die Schnittwunde näher ansehen.«

»Ein Rechtsmediziner?«

»Genau«, nickte Zorn.

»Dazu können wir Fender nicht zwingen«, sagte Schröder.

»Aber wir können ihn fragen.«

»Und wenn er ablehnt?«

Zorn hob die Schultern. »Dann haben wir’s zumindest versucht.«

Schröder dachte kurz nach.

»Wir werden’s ihm anbieten«, entschied er schließlich. »Fender muss sich erinnern. Er braucht jede Information, die ihm helfen kann.«

»Vielleicht will er’s ja gar nicht«, überlegte Zorn.

»Was?«

»Sich erinnern.«