Vierzehn

Mona ging in die Cafeteria, um etwas zu trinken zu holen. Ich blieb allein auf der Bank, zwischen Blumen und niedrigen Hecken, umgeben von hohen Mauern. Die Sonne war hinter die Dächer gesunken, der Lärm in der Innenstadt verstummt. Nur das eintönige Brausen der Hochstraße drang in den Hof.

Hier fühlte ich mich sicher. Alles, was außerhalb dieser Mauern lag, war vermintes Terrain, Terra incognita . Irgendwo da draußen war ich überfallen worden. Irgendwo dort war meine Wohnung mit dem Bett, in dem ich morgen schlafen würde. Die Adresse stand in meinem Ausweis: Im grünen Winkel 24 . Das klang ganz nett, hätte aber ebenso gut die Anschrift eines Frauengefängnisses oder einer Munitionsfabrik sein können.

All das machte mir Angst. Nein, Angst ist übertrieben. Es beunruhigte mich. Doch ewig konnte ich mich hier nicht verstecken.

Monas Schritte knirschten auf dem Kies, sie brachte zwei Pappbecher mit Kaffee. Ihren trank sie mit Milch. Meiner war schwarz, so, wie ich’s mochte. Das war mir neu.

Ich trank einen Schluck.

Es schmeckte hervorragend.

Mona war in der Cafeteria von einem Polizisten angesprochen worden. Er wollte zu mir, doch Doktor Carlsson hatte ihn weggeschickt, da ich bereits Besuch hatte.

»Der war heute Morgen schon hier«, sagte ich. »Er heißt …«

Panik stieg in mir auf.

»Zorn«, fiel mir ein. »Hauptkommissar Zorn.«

Gott sei Dank, kein weiterer Aussetzer. Halleluja, preiset den Herrn!

»Nee, ein anderer.« Mona nippte an ihrem Kaffee. »Er sah ziemlich nett aus.«

»Dann«, grinste ich, »war’s definitiv nicht der Typ von heute Morgen.«

Mona erwiderte mein Lächeln nicht. »Sein Name ist Schröder. Er fragt, ob sie sich die Wunde an deiner Hand ansehen können. Vielleicht …«

»Nein!«

Mona versteifte sich neben mir. Ich erschrak selbst über den heftigen Klang meiner Stimme. Kaffee lief über meine unverletzte Hand, tropfte auf den Kies. Unbewusst hatte ich die Arme gehoben, als wollte ich mich schützen.

»Nicht jetzt.« Ich holte tief Luft. »Ich muss … erst mal zur Ruhe kommen, ich …«

»Klar.«

Mona fühlte sich fälschlicherweise angesprochen und stand auf.

»Bleib noch ein bisschen«, bat ich und nahm ihre Hand. Sie entzog sich sofort und wischte die Finger in einer unbewussten Geste am Oberschenkel ab. Als wollte sie sich … säubern.

»Ich muss los. Da drin«, sie wies auf die blaue Tasche, »sind noch mehr Fotos. Alle, die ich gefunden hab. Vielleicht …«

»Mona?«

»Ja?«

»Warum haben wir uns damals getrennt?«

Sie sah hoch zum Abendhimmel. Wieder fiel mein Blick auf die vier Leberflecke auf ihrem Hals. Die Schlagader pulsierte unter der Haut, in ihrem Ohrläppchen funkelte ein kleiner, in Silber gefasster Smaragd.

»Wegen Holm?«, fragte ich. »Weil er behindert …«

»Nein.«

»Warum dann?«

Mona schwieg eine Weile. Wir seien einfach zu jung gewesen, erzählte sie schließlich, fast noch Kinder. Kurz nachdem wir uns kennengelernt hatten, war sie schwanger geworden. Die Heirat war eine Schnapsidee gewesen, wir beide hatten schnell erkannt, dass es ein Fehler gewesen war.

»Es hat einfach nicht gepasst. Das Übliche eben.«

Alles, was Mona sagte, klang einleuchtend.

Ich glaubte ihr nicht.