Drei Dekaden lang, von meinem 8. bis 38. Lebensjahr, standen für mich Politik und Geschichte im Vordergrund. In den folgenden zwei Jahrzehnten, von 39 bis 59, drehte sich fast alles in meinem beruflichen Leben um Immobilien. Ich blieb ein politisch hochgradig interessierter Mensch, aber den Mittelpunkt meines Lebens bildete jetzt das Thema Immobilie. Oft werde ich gefragt, wie ich denn von der Politik und Geschichte überhaupt zur Immobilie kam. Alles begann mit einem Gespräch mit dem CSU-Politiker Peter Gauweiler und mit dem Entschluss, reich zu werden.
Es muss irgendwann Anfang 1996 gewesen sein, als ich mit Gauweiler in Berlin-Mitte spazieren ging. Ich hatte eine schwierige Zeit hinter mir, und darüber sprach ich mit ihm. Zwar hatte sich meine Situation im Springer-Verlag dank des guten Verhältnisses zu meinem Chef Thomas Löffelholz stabilisiert. Aber eine wirkliche Perspektive für mich sah ich nicht mehr. Ich habe neulich mit Löffelholz darüber gesprochen – er sieht das bis heute anders und meint, ich hätte durchaus eine gute Zukunft als Journalist gehabt. Doch nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre hatte ich Zweifel, ob ich mit meinen Ansichten und Haltungen wirklich Karriere bei einer Zeitung machen könnte. Ich glaube nicht, dass ich eine reelle Chance gehabt hätte, irgendwann Chefredakteur der »Welt« zu werden.
In den vorangegangenen Jahren hatte ich manchmal Existenzangst gehabt. Was wäre gewesen, wenn Leute wie Servatius, Cramer und Kirch nicht die Hand über mich gehalten hätten? Was wäre gewesen, wenn ich nicht einen loyalen Chef wie Löffelholz gehabt hätte, sondern noch einmal an jemanden wie Manfred Geist geraten wäre? Würde mich ein Magazin wie »Focus« oder die FAZ einstellen? Ich kannte beispielsweise Helmut Markwort vom »Focus«, den ich sehr bewunderte und bei dem ich den Eindruck hatte, dass er politisch ähnlich dachte wie ich. Aber hätte es sich ein solches Magazin leisten können, »jemanden wie Zitelmann« einzustellen, der auf die Linke wirkte wie ein rotes Tuch auf den Stier? Ich habe damals nicht gefragt, weil ich glaubte, die Antwort zu kennen. Vielleicht hätte ich mich bei der »Welt« gut einrichten und dort Artikel zu historischen Themen schreiben können, wie Löffelholz mir dies vorgeschlagen hatte. Aber ein solch beschauliches Leben wäre mir zu langweilig gewesen, und dafür war ich auch zu ehrgeizig.
All diese Gefühle und Überlegungen beschäftigten mich, als ich das Gespräch mit Gauweiler führte. Zudem hatte ich Anfang 1996 eine schwere persönliche Enttäuschung erlebt, weil meine Ehe mit Ilona, einer 21-jährigen Russin, nach wenigen Monaten scheiterte. Kurz gesagt, in diesen Monaten war ich in keiner guten Verfassung. Gauweiler blieb stehen und schaute mich an: »Querköpfe so wie Sie und ich müssen ordentlich Geld verdienen, um frei unsere Meinung vertreten zu können.« Er selbst war jemand, der nicht – wie viele Berufspolitiker – wirtschaftlich von der Politik abhängig war, sondern der als glänzender Jurist so gut verdiente, dass er wirtschaftlich unabhängig war. Das machte es ihm viel leichter, eine unabhängige Meinung zu vertreten und gegen den Strom zu schwimmen.
Der Satz von Gauweiler war für mich ein Schlüsselerlebnis. Nach diesem Gespräch entschloss ich mich, reich zu werden. Das klingt vielleicht merkwürdig, aber genauso war es. Ich würde Millionär werden! Das war auf den ersten Blick betrachtet ein kühner Entschluss, denn damals lag mein Kontostand bei minus 30.000 DM (auf dem Girokonto) und plus 20.000 DM (auf dem Sparkonto), also eine Freude für jede Bank und wirtschaftlich für mich eine ebenso ungesunde wie unvernünftige Situation. Für einen Journalisten hatte ich zwar sehr gut verdient, aber, so wie manche Gutverdiener, jeden Monat alles Geld ausgegeben und nichts gespart.
Später verstand ich, warum ich kein Geld hatte, nämlich einfach deshalb, weil ich eine negative Einstellung zum Geld besaß. Nicht, dass ich nicht gerne Geld verdient hätte. Aber unbewusst verband ich Geld eher mit negativen als mit positiven Dingen. Das hatte damit zu tun, dass ich als Sohn eines evangelischen Pfarrers aufgewachsen war. Geld, zumindest sehr viel Geld, war da eher suspekt. Menschen, die nach viel Geld strebten, standen erst einmal in dem Verdacht, ziemlich oberflächlich zu sein. Da dachte ich wie die meisten Intellektuellen.
Mein Vater hatte immer wieder gesagt: »Geld ist wie Klopapier.« Damit meinte er: Man brauche es zwar, aber es sei nun einmal dreckig. Jedes Jahr zum Fest bekamen wir die »Weihnachtsgeschichte« von Charles Dickens vorgelesen. Sie handelt von dem reichen, enorm geizigen und habgierigen Kaufhausbesitzer Ebenezer Scrooge. In dem Märchen sieht er den Geist seines verstorbenen Geschäftspartners Jacob Marley, der an einer Kette hängt, die mit den Utensilien des Geschäftslebens bestückt ist – Geldkassetten, Portemonnaies und Ähnliches. Marleys Geist erklärt, er habe sich im Laufe seines Geschäftslebens diese Kette selbst geschmiedet. Er weist Scrooge darauf hin, dass dieser wegen seines Geizes und seiner Geldgier nun selbst an einer solchen Kette hänge, die aber bereits um einiges länger geworden sei. Diese Weihnachtsgeschichte, die mein Vater am Heiligabend schon von seinem Vater, ebenfalls ein evangelischer Pfarrer, vorgelesen bekommen hatte, zeigte uns Kindern, wie gefährlich es ist, nach Geld zu streben. Das waren die negativen Prägungen zum Thema Geld und Reichtum, die sich bei mir im Unterbewusstsein eingeprägt hatten, und die letztlich der Grund für meinen traurigen Kontostand waren.
Positiv belegte Werte waren bei uns zu Hause dagegen Bildung, soziales und politisches Engagement, Ehrlichkeit, Freiheit und vor allem der Mut, gegen den Strom zu schwimmen. Auch diese Werte, die mir meine Eltern vermittelten, hatten mich geprägt, und sie prägen mich bis heute. Mein Vater brachte mir bei, wie wichtig es ist, dass man »sich selbst im Spiegel anschauen kann« und dass man den Mut hat, sich seine eigene Meinung zu bilden, auch wenn man damit alleine steht.
Ich bin sicher, Peter Gauweiler wusste gar nicht, was er bei mir auslöste, als er den Satz sagte: »Querköpfe so wie Sie und ich müssen ordentlich Geld verdienen, um frei unsere Meinung vertreten zu können.« In dieser Sekunde verbanden sich bei mir die positiv belegten Werte Freiheit und Unabhängigkeit, die mir meine Eltern vermittelt hatten, mit dem – bis dahin negativ belegten – Begriff Reichtum. Ich übersetzte das für mich so: »Du musst also reich werden, dann bist du frei und unabhängig.«
Reich werden – aber wie? Dass ich mit meiner jetzigen Tätigkeit kein Millionär würde, selbst wenn ich ordentlich sparte, lag für mich auf der Hand. Mir schossen spontan zwei Begriffe durch den Kopf: »Verkaufen« und »Immobilie«. Dass ich ein Verkaufstalent besaß, die Begabung, Menschen zu überzeugen, wusste ich, und das hatten mir auch schon viele gesagt. Über Immobilien freilich wusste ich nichts. Gar nichts. Ich hatte nur gehört, dass man damit sehr viel Geld verdienen kann, und genau das war es ja, was ich wollte.
Zwar wollte ich die Stellung bei der »Welt« nicht von heute auf morgen aufgeben. Aber gleich nach dem Gespräch mit Gauweiler
schaute ich in die Stellenanzeigen der Tageszeitung, um einen nebenberuflichen Job als Immobilienmakler zu finden. Ich meldete mich auf eine Anzeige, die in Aussicht stellte, nebenberuflich mit Immobilien Geld zu verdienen. In dem Gespräch wurde mir jedoch klar, dass die Makler mir zunächst selbst eine Immobilie verkaufen und dann meinen Bekanntenkreis »abgrasen« wollten: »Sie bekommen ein Prozent des Kaufpreises, wenn Sie uns Kunden bringen.« Das war viel Geld, aber nicht das, was ich wollte. Ich wollte Verkaufen lernen, und nicht einfach eine Tippgeber-Provision kassieren, ohne das Immobiliengeschäft selbst zu verstehen.
Bei einem meiner Gespräche traf ich auf jemanden, der mir besser zuhörte als die anderen und bei dem ich mich verstanden fühlte. Bernd Zeitler war Versicherungsvertreter bei der Volksfürsorge, und er meinte: »Bevor Sie Immobilien verkaufen, sollten Sie überhaupt erst einmal verkaufen lernen. Das geht am besten mit Versicherungen. Später können Sie dann Immobilien verkaufen.« Er bot mir einen Bestand von 200 Adressen im Berliner Bezirk Wedding an, und er würde mich persönlich in das Versicherungsgeschäft einführen. Am 26. März 1996 unterschrieb ich meinen »Vertretervertrag für nebenberufliche Mitarbeiter« bei der Volksfürsorge.
Jeden Tag nach Arbeitsschluss war ich bei der Volksfürsorge. Ich begann mit großem Eifer und Begeisterung. Ich setzte mich in die abendlichen Schulungen und lernte alles über Hausrat-, Haftpflicht-, Kfz-, Kranken- und Lebensversicherungen. Ich lernte, wie man richtig telefoniert, und ich lernte die ganz harte Schule der »Kaltakquise«, die mir richtig Spaß machte. In meinem Buch »Reich werden und bleiben« lautet die Überschrift des vierten Kapitels: »Wer reich werden will, muss verkaufen lernen«. Das glaubte ich damals, und heute weiß ich, dass es stimmt.
Manche Kollegen bei der Versicherung verstanden nicht so ganz, warum ich das machte. Da kam einer, der war Doktor, ein angesehener Journalist und Buchautor, und setzt sich abends in die Schulung über Hausratversicherungen?! Mir kam zugute, dass ich bescheiden war und mir nicht einbildete, dass das, was ich bisher im Leben erreicht hatte, hier irgendeine Bedeutung hätte. Bernd Zeitler hatte nur einen Realschulabschluss, aber er war mir als Verkäufer überlegen, das spürte ich, und ich sog begierig alles auf, was er mir beibrachte.
Das Erste, was ich lernte, war zu telefonieren. Ich rief bestehende Kunden an: »Ich brauche mal einen Termin bei Ihnen, es geht um Ihre bestehende Hausratversicherung.« Das war nicht gelogen, aber es war nur die halbe Wahrheit. Ja, es gab etwas umzustellen bei der bestehenden Hausratversicherung, aber eigentlich ging es darum, dem Kunden im Anschluss daran eine Lebensversicherung zu verkaufen, denn nur das brachte eine vernünftige Provision. Mit der Ankündigung, ihm eine Lebensversicherung verkaufen zu wollen, hätte man jedoch mit Sicherheit keinen Termin bekommen.
Ich lernte bald, die Methoden, die man mir beibrachte, zu verfeinern, sodass ich besser zum Ziel kam. Ein Beispiel: Beim Telefonieren sagten viele Kollegen Dinge wie: »Keine Angst, es dauert nur 20 Minuten.« Sie wussten, dass der Kunde eigentlich keinen Termin haben wollte und Angst hatte, er würde den Vertreter nicht mehr los, wenn er erst einmal da war. Ich wandelte diesen Spruch ab: »Ich muss mich jetzt schon entschuldigen, dass ich am Mittwoch dann leider nur 20 Minuten Zeit habe, denn danach habe ich einen anderen Termin. Ich sage das jetzt nur vorher, damit Sie mich nicht für unhöflich halten, wenn ich etwas kurz angebunden bin.« Das war viel besser. Der Kunde atmete auf und dachte sich: »Okay, dann bin ich den rasch wieder los.«
Ein anderes Beispiel: Wenn wir an der Tür von fremden Menschen klingelten, dann fragten die Kollegen, ob man denn schon eine Hausratversicherung habe. Allzu oft sagte der Angesprochene »Ja, habe ich schon«, das Gespräch war beendet und die Tür wieder zu. Ich dachte mir etwas anderes aus: »Guten Tag, es geht um Ihre bestehende Hausratversicherung. Wir überprüfen für unsere Kunden und auch Nicht-Kunden, ob die noch auf dem aktuellen Stand ist.« Das war nicht gelogen, denn tatsächlich gab es alte Versicherungsbedingungen, bei denen zum Beispiel Vandalismusschäden nicht mitversichert waren, und wir konnten den Vertrag ohne Aufpreis umstellen, sodass nunmehr auch der Vandalismus versichert war.
Oft erlebte ich lustige Situationen. Einmal war ich mit Zeitler unterwegs, wir hatten bei jemandem geklingelt. Um uns abzuwimmeln, sagte der Mann an der Tür im herrlichsten Berliner Akzent: »Meene Versicherung is jut, allet neu, wa.« Mein Kollege: »Ist denn auch der Vandalismus mitversichert?« Der Mann: »Ja, det is alles versichert, wa.« Mein Kollege: »Eine Frage noch: Haben Sie denn den kleinen oder den großen Vandalismus versichert?« Das gab es natürlich in Wahrheit gar nicht, und ich musste mich beherrschen, um nicht laut loszulachen. »Ne, ne, ick hab’ schon den großen versichert, wa«, so die Antwort dieses Urberliners. Als mein Kollege nachhakte, ob er denn sicher sei, dass dies überhaupt nötig und nicht auch die Versicherung gegen den »kleinen Vandalismus« ausreichend und günstiger gewesen wäre, konnte ich mir das Lachen doch nicht verkneifen. Verkauft haben wir in diesem Fall nichts.
In dieser Zeit lernte ich viel über den Verkauf. Fachwissen war nicht unwichtig, jedoch nicht entscheidend. Das beobachtete ich, als ich mit zwei ganz unterschiedlichen Kollegen unterwegs bei Kunden war. Der eine war fachlich sehr beschlagen, der andere nicht. Der Verkäufer mit dem tollen Fachwissen zeigte den Kunden alle möglichen Versicherungsvarianten auf, und es machte ihm offenbar große Freude, sein Wissen zu präsentieren. Aber er verkaufte nicht viel. »Du hättest besser Lehrer werden sollen«, sagte ich ihm irgendwann. »Du sollst die Kunden nicht zum Versicherungsexperten ausbilden, sondern ihnen etwas verkaufen.« Am Ende eines Gespräches mit dem versierten Vertreter waren die Kunden manchmal verwirrt und ratlos angesichts der vielen Fachinformationen, mit denen er sie überschüttet hatte.
Der andere Kollege wusste nicht viel, obwohl er schon einige Jahre bei der Versicherung war. Mir war es oft peinlich, wenn er Dinge erzählte, die so gar nicht stimmten. Das tat er nicht, um die Kunden zu täuschen, sondern weil er die Produkte selbst nicht richtig verstanden hatte. Außerdem sprach er so schnell, dass man ihm schon aus diesem Grund nur schwer folgen konnte. Aber er machte die meisten Abschlüsse. Ihm gelang es sehr schnell, eine persönliche Beziehung mit dem Kunden herzustellen und Vertrauen aufzubauen. Meist duzte er die Kunden schon nach zehn Minuten. »Mach dir keinen Kopp, das mach ich schon für dich …«
Ich lernte viel über die Psychologie der Kunden. Einmal hatte ich ein längeres Gespräch mit einem Kunden, dem ich eine Lebensversicherung verkaufen wollte. Er nickte die ganze Zeit zustimmend. Wenn ich ihm etwas erklärte, gab er zustimmende Kommentare, die – scheinbar – von großem Interesse zeugten. Als ich jedoch anfing, den Antrag auszufüllen, protestierte er entschieden: »Was machen Sie da …?« Er meinte, diese Sache komme für ihn sowieso auf gar keinen Fall infrage. Und das, nachdem er eine halbe Stunde lang mit Kopfnicken und positiven Kommentaren reagiert hatte.
Später begegnete ich häufig diesem »Jasager«-Typ, der seine Einwände nur deshalb nicht formuliert, weil er konfliktscheu ist, weil ihn das Thema gar nicht interessiert und er denkt, dass er den Verkäufer auf diese Weise am schnellsten wieder loswird. Ich lernte, dass man diesen Typ aus der Reserve locken muss. Traf ich später auf einen solchen »Jasager«, unterbrach ich das Gespräch irgendwann: »Herr Kunde, schön, dass Sie das so sehen. Aber seien wir mal ehrlich. Bei jeder Sache auf der Welt gibt es ja Dinge, die dafür, und solche, die dagegensprechen. Was sind denn die drei Dinge, die aus Ihrer Sicht gegen dieses Angebot sprechen?« Ich ließ so lange nicht locker, bis ich dem Kunden seine Einwände und Vorbehalte entlockt hatte.
Als nebenberuflicher Versicherungsvertreter verdiente ich nicht schlecht. Damals beobachteten die linken Medien fast jeden meiner Schritte. Selbst meine – im Grunde für die Öffentlichkeit ganz uninteressante – Tätigkeit als Versicherungsvertreter war im August 1996 der Wochenzeitung »Die Woche« einen großen polemischen Bericht unter der an die Volksfürsorge-Werbung angelehnten Zeile wert: »Keine Sorge, Rainer Zitelmann«.
Nach einigen Monaten meinte Zeitler, ich hätte sehr gut gelernt und sei jetzt so weit, dass ich auch Eigentumswohnungen verkaufen könne, womit man sehr viel mehr verdiente als mit Versicherungen. Das war kein Produkt der Volksfürsorge, aber Zeitler hatte Vertriebsvereinbarungen mit mehreren Bauträgern, die Steuersparprodukte verkauften.
Damals war die Zeit der sogenannten »Sonder-AfA«-Ost, das war die Sonderabschreibung für neu gebaute oder zu modernisierende Immobilien nach dem Fördergebietsgesetz. Steuern sparen war ein Thema, das die meisten Menschen interessierte, besonders, wenn sie gut verdienten. Auch ich selbst war interessiert. Schließlich hatte ich mir vorgenommen, reich zu werden, und da konnte das ein guter Anfang sein, dachte ich. Bevor ich mit dem Verkauf anfing, wollte
ich zudem erst einmal selbst prüfen, ob das eine gute Sache sei. Denn wenn ich nicht hinter einem Produkt stehe, dann kann ich es nicht verkaufen.
Zeitler nahm mich mit zu mehreren Bauträgern, zwei kamen in die Endauswahl. Im ersten Fall handelte es sich um eine Eigentumswohnung in einem schönen Neubau, nahe der Berliner Stadtgrenze. Alles klang gut, man konnte eine Menge Steuern sparen und, so hieß es, es gebe einen guten Mieter, der sichere Mieteinnahmen garantiere, der sei nämlich Staatsanwalt, also Beamter. Ich bestand darauf, mir die Wohnung vorher anzuschauen (was unverständlicherweise viele Käufer von Steuersparprodukten nicht taten) und mit dem Mieter persönlich zu sprechen. Begeistert war der Bauträger davon nicht, aber ich sagte, ich würde nicht kaufen, wenn ich nicht vorher mit dem Mieter gesprochen hätte.
Das war auch gut so. Denn der Mieter erzählte mir, er sei nur
vorübergehend eingezogen, weil er Streit mit seiner Frau gehabt
habe, und er hoffe, bald sei alles wieder in Ordnung, und dann werde
er wieder in das gemeinsame Haus zurückkehren. Das war also der »sichere Mieter«. Ich war skeptisch, weil die meisten anderen Wohnungen noch unvermietet waren. Warum das so war, verstand ich, als der Mieter mir erzählte, es sei hier ziemlich laut, weil in der Nähe eine Eisenbahnstrecke verlief. Er wusste wegen des Lärms genau zu sagen, um welche Uhrzeit nächstens die Züge fuhren. Die Immobilie, die auf dem Papier so toll ausgesehen hatte und mit der man eine Menge Steuern sparen konnte, entpuppte sich auf den zweiten Blick als durchaus riskantes Investment.
Die Alternative dazu war eine zu modernisierende Wohnung in Potsdam. Das Haus, in dem sich die 44 qm große Wohnung befand, war in einem schrecklichen Zustand und musste dringend saniert werden. Aber genau darum ging es auch. Denn das Fördergebietsgesetz begünstigte nicht nur den Neubau, sondern auch die Sanierung von Häusern. Die Modernisierungskosten konnte der Käufer in den ersten fünf Jahren zu 50 Prozent abschreiben, und sich dabei sogar aussuchen, ob er diese 50 Prozent beispielsweise komplett im ersten Jahr geltend machen oder auf mehrere Jahre verteilen wollte. Den Rest der Modernisierungskosten konnte man dann bis zum zehnten Jahr vollständig abschreiben.
Ich habe heute noch die Unterlagen mit der Berechnung, die der Bauträger mir damals vorlegte. Auf dem Blatt stand: Kaufpreis 183.204 DM, davon 130.860 DM Modernisierungskosten. Eigenkapital musste ich nur 18.000 DM mitbringen, wobei ich einen Teil davon als Erstattung aus der Provision bekam. Und dann war da eine verführerische Tabelle, in der Jahr für Jahr die Steuerersparnis stand: 30.750 DM im ersten Jahr, 9.845 im zweiten, 7.379 im dritten Jahr usw. Die Steuerersparnis stand zwar auch bei mir im Vordergrund, aber meine Entscheidung für die Wohnung fällte ich, weil ich an die Lage in Potsdam und an die gute Vermietbarkeit glaubte. Ich besitze die Wohnung heute noch, und mit Ausnahme von einem kurzen Leerstand von einem Monat beim Mieterwechsel ist sie nun seit zwei Jahrzehnten gut vermietet. Dafür, dass es mein erster Immobilienkauf war, hatte ich eine gute Wahl getroffen, obwohl die Wohnung – wie bei fast allen Steuersparmodellen – sicherlich zu teuer war, weil die Steuerersparnis bei solchen Modellen meist schon eingepreist ist.
Positiv war, dass das Steuermodell genauso aufging, wie man es mir versprochen hatte. Allerdings reagierte ich anfangs skeptisch. Alles klang ein wenig zu gut, um wirklich wahr zu sein, so dachte ich. Ich sprach nicht nur mit meinem Steuerberater, sondern fing an, Aufsätze zu lesen, in denen das Steuermodell erklärt wurde. Ich hatte meinen Steuerberater gebeten, mir Material zu geben, damit ich alles selbst nachlesen und verstehen konnte. »So einen Mandanten habe ich ja noch nicht gehabt. Wären alle so wie Sie und würden sich so gründlich informieren, dann gäbe es nicht so viel enttäuschte oder betrogene Immobilienkäufer«, meinte er.
Nachdem ich selbst gekauft hatte und von dem Produkt überzeugt war, konnte ich es auch an andere verkaufen, um Provisionen zu verdienen – und meinem Ziel, durch Immobilien reich zu werden, ein Stück näher zu kommen. Mein erster Kunde war mein Steuerberater, den ich fragte: »Nachdem Sie mir jetzt erklärt haben, dass das eine gute Sache ist, habe ich noch eine Frage: Ist Steuern sparen nicht für Sie selbst auch ein Thema? Oder sind Sie als Steuerberater vielleicht wie der Schuster, der selbst Schuhe trägt, die kaputt sind?« Mein Steuerberater kaufte, und ich verdiente meine erste Provision.
Danach sprach ich andere Leute an. Nach einem Zahnarzttermin fragte ich meinen Zahnarzt, ob Steuern sparen für ihn nicht auch ein Thema sei. Ich hatte gehört, die »Zahnwälte«, wie man sie in der Steuersparbranche nannte, seien besonders gute Kunden. Leider kaufte er nicht. Auch meinen Rechtsanwalt sprach ich an, aber der entschied sich lieber für einen »sicheren« geschlossenen Immobilienfonds, der ihm von der Sparkasse angeboten worden war – und der sich später, so wie die meisten Steuerspar-Immobilienfonds, als Flop erwies. Erfolgreich verkaufte ich jedoch beispielsweise einer bekannten, mit mir befreundeten CDU-Bundestagsabgeordneten eine Wohnung und fand auch andere Kunden. »Sie sind unser bester Verkäufer«, sagte mir der Bauträger, der allerdings pro Jahr auch nur ein Mehrfamilienhaus modernisierte. Ich war stolz darauf und mein Kontostand hatte sich deutlich verbessert. Das Geld gab ich übrigens jetzt nicht mehr mit vollen Händen aus, so wie ich es früher getan hatte, sondern sparte den Zusatzverdienst.
Das, was ich mir an Wissen über steuersparende Immobilieninvestments angelesen hatte, wollte ich nun auch weitergeben. Ich fragte Manfred Waldmann, der im Ressort von Heinz Horrmann bei der »Welt« für das Thema Immobilien zuständig war, ob ich einen Artikel darüber schreiben dürfe, welche Fallstricke Käufer von Steuersparimmobilien meiden sollten. Waldmann ließ mich einen Artikel schreiben, und aus dem einen Artikel wurden mehr und mehr.
Meine Kollegen bei der »Welt« und auch mein Chef verstanden nicht, warum ich auf einmal so viel über Immobilien schrieb, aber ich hatte mich für das Thema regelrecht begeistert und entdeckt, dass es einen Bedarf an fachkundigen Immobilienjournalisten gab, weil die meisten Journalisten zu wenig davon verstanden. Ich arbeitete mich mit einer Gründlichkeit in das Thema ein, wie ich es von wissenschaftlichen Themen gewohnt war. Und ich hatte ja auch einen praktischen Bezug dazu, denn inzwischen war ich selbst stolzer Eigentümer einer Wohnung, auf die bald viele weitere folgen sollten.