In Tageszeitungen wie der FAZ, der »Süddeutschen Zeitung« und auch bei der »Welt« war der Immobilienteil stets ein Anhängsel an den Anzeigenteil am Wochenende, der nicht viel Beachtung fand. Ich war davon überzeugt, dass die Immobilie als Thema mindestens ebenso spannend ist wie die Aktie, über die Zeitungen im Wirtschafts- und Finanzteil täglich ausführlich berichten. Ich wusste, dass auch meinem neuen Chef Mathias Döpfner die Immobilienthemen wichtig waren, und er hatte ohnehin schon eine Menge bei der »Welt« verändert. Wir sprachen darüber, ob man nicht jeden Tag im Wirtschaftsteil der Zeitung eine ganze Seite bringen könnte, die sich ausschließlich mit Immobilienthemen befasste. »Schließlich«, so mein Argument, »gibt es viel mehr Menschen, die Immobilien besitzen, als solche, die Aktien besitzen, und die Immobilienbranche ist eine der wichtigsten Branchen in unserer Volkswirtschaft, die nur viel zu wenig wahrgenommen wird.«
Döpfner war nicht ganz sicher, ob es für eine tägliche Seite genügend Nachrichten gab. Diese Skepsis war durchaus begründet, denn die Nachrichtenagenturen berichteten kaum über den Immobilienmarkt und dessen Akteure. Ich hatte jedoch keinerlei Zweifel, dass ich täglich eine Seite füllen könnte. »Wenn Sie wollen, auch drei«, sagte ich im Überschwang der Begeisterung, und fügte hinzu: »Sie müssen mir nur genug Leute geben.« Er schmunzelte: »Nun ja, drei nicht, aber zeigen Sie erst mal für eine Woche, dass Sie eine Dummy-Seite vernünftig füllen können.«
Ab dem 1. Oktober 1999 war ich offiziell »Ressortleiter Immobilien« bei der »Welt«, mein Arbeitsvertrag wurde entsprechend geändert. Der Titel des Ressortleiters war mir wichtig, denn das war ich ja seit Beginn meiner Tätigkeit in der »Welt« gewesen, und auf diese Weise blieb ich Döpfner direkt unterstellt, und nicht etwa dem Ressortleiter der Wirtschaftsredaktion. Ich fragte Döpfner, ob ich den bisherigen stellvertretenden Ressortleiter der Wirtschaft, Robert Ummen, für mein neu geschaffenes Ressort abwerben dürfe. Damit war er einverstanden, und fortan waren wir zusammen mit Manfred Waldmann, der bisher für die Immobilienseite am Samstag zuständig gewesen war, immerhin ein Dreierteam. Damit war das erste eigenständige Immobilienressort bei einer Tageszeitung in Europa geschaffen, und die erste tägliche Immobilienseite konnte starten.
Wir mussten unsere Themen selbst recherchieren und schreiben, da es damals kaum freie Journalisten mit Immobilienkenntnissen gab. Zu den wenigen Ausnahmen gehörte Stefan Loipfinger, ein sehr kritischer Journalist, der sich schwerpunktmäßig mit geschlossenen und offenen Immobilienfonds befasste. Für die Vertreter der offenen Fondsbranche und für den unseriösen Teil der geschlossenen Fondsbranche war er ein rotes Tuch. Ich schätzte ihn wegen seiner großen Fachkenntnisse, die kein anderer Journalist hatte. Im Oktober 1999 begann ich eine zehnteilige Serie mit Loipfinger über die »10 Regeln zum Fondscheck«. Später veröffentlichte er regelmäßig Fondskritiken, die ich in voller Länge bei »welt-online« brachte und in der Zusammenfassung in der Printausgabe.
Ich war von Anfang an sehr internetaffin: Döpfner hatte mich schon vor dem Start von »welt-online« damit beauftragt, den Lesern diese neue, erweiterte Möglichkeit nahezubringen, und ich nutzte sie intensiver als die anderen Ressorts. So brachte ich zum Beispiel im Oktober 1999 einen Artikel unter der Überschrift »Wohnungsunternehmen fordern Stopp der OFD-Anweisung. Streit um Steuervorteile für Altbaumodernisierungen.« Unter dem Artikel stand, dass man den Text der »Verfügung der Berliner Oberfinanzdirektion« im vollen Wortlaut bei »welt-online« finden konnte. Das war damals, vor fast zwei Jahrzehnten, noch ungewöhnlich.
Überhaupt spielten Steuerthemen in jener Zeit eine viel größere Rolle als heute. Mit meinen Artikeln über Steuerthemen hatte ich mir rasch einen Namen in der Immobilienbranche gemacht. Nach der Bildung der rot-grünen Bundesregierung verkündete der neue Bundesfinanzminister Oskar Lafontaine, er wolle nunmehr, so wie im Wahlkampf versprochen, »Abschreibungskünstlern« das Handwerk legen, indem er »Steuerschlupflöcher« stopfe. Diese Bezeichnungen waren allerdings perfide, denn sie erregten den Eindruck, als ob es sich hier um etwas Anrüchiges handle. Dabei taten die Investoren genau das, wozu der Gesetzgeber sie anregen wollte, nämlich sie nutzten die Möglichkeiten der Sonderabschreibung in den neuen Bundesländern und in Berlin. Diese waren nicht beschlossen worden, um Besserverdienern etwas Gutes zu tun, sondern um Investitionen in ostdeutsche Wohnungen anzuregen, die nach Jahrzehnten sozialistischer Planwirtschaft oft in einem beklagenswerten Zustand waren.
Die SPD hatte im Bundestagswahlkampf eine Neidkampagne
gegen »Besserverdiener« geführt, und nun wollte sie ihr Wahlversprechen wahrmachen. Sie hatte in ihrem Wahlprogramm eine Mindestbesteuerung angekündigt, wobei völlig unklar war, wie diese
in der Praxis umgesetzt werden sollte. Ich recherchierte und gewann Informanten aus dem Bundesfinanzministerium und einen SPD-Bundestagsabgeordneten, der offenbar kein Freund dieser Neuregelung war. Sie spielten mir die Entwürfe für die neue Mindeststeuer-Regelung zu. Dabei handelte es sich um sogenannte Formulierungshilfen, die im Finanzministerium entstanden waren. Diese dienen als Vorlage für Gesetzentwürfe.
Solche Formulierungshilfen sind vertraulich und nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Aber ich hatte die Texte und stellte sie online – zur Verzweiflung des Bundesfinanzministeriums, das vergeblich nach dem Maulwurf suchte, der mir die Informationen zuspielte. Das Problem war, dass diese Bestimmungen, die später zum § 2 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes wurden, so kompliziert waren, dass ich sie nicht verstand. Es tröstete mich, als ich merkte, dass nicht einmal ein durchschnittlicher Steuerberater sie durchdringen konnte.
Zehn Jahre nachdem der Paragraf beschlossen worden war, kritisierte das oberste deutsche Finanzgericht, der Bundesfinanzhof, dass »die Regelungen ohnehin auch für den Fachmann nicht mehr hinreichend verständlich« seien. Zwar gehöre es zu den Pflichten eines Steuerberaters, sich die notwendigen Rechtskenntnisse zu verschaffen. Die »wissenschaftliche Aufarbeitung, teilweise Verwerfung und Rekonstruktion des Wortlauts einer Norm – wie sie im Fall von § 2 Abs. 3, § 10d EStG notwendig seien«, müsse aber auch ein Steuerberater nicht leisten, so der BFH. Das war im Nachhinein eine schallende Ohrfeige für den Gesetzgeber. Als diese Entscheidung erging, war der Paragraf allerdings schon wieder abgeschafft und durch einen anderen (§ 15b EStG) ersetzt worden.
Vereinfacht gesagt, verhinderte es der schwer verständliche Paragraf, dass Investoren weiterhin steuerliche Verluste unbeschränkt mit positiven Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgleichen konnten. Der Ausgleich der Verluste, etwa aus einem Immobilienfonds, mit positiven Einkünften, etwa aus der Tätigkeit als Angestellter, war nur bis zu einer Höhe von 100.000 DM unbeschränkt möglich. Darüber hinaus gehende Verluste ließen sich dagegen nur noch bis zur Höhe der Hälfte der verbleibenden positiven Einkünfte ausgleichen. Weitergehende Verluste konnten für ein Jahr bis zu maximal zwei Millionen DM zurück- oder unbeschränkt vorgetragen werden.
Meine Aufgabe als Journalist war es, den Lesern die komplizierte Materie näherzubringen. Dabei halfen mir die besten Steuerexperten, die es zu diesem Thema gab. Ich traf mich mit Hans-Joachim Beck, damals Vorsitzender Richter am Finanzgericht Berlin, und mit Gregor Kunz sowie Hans-Georg Oelmann, zwei Spezialisten für Immobiliensteuerrecht, am frühen Abend in deren Büro. Sie grübelten und diskutierten bis tief in die Nacht, wie der neue Paragraf wohl zu verstehen sei. In der Praxis war er so kompliziert, dass man ihn ohne Hilfe der EDV in vielen Fällen gar nicht rechnerisch anwenden konnte.
Gleichzeitig war ein weiterer Paragraf – 2b des Einkommensteuergesetzes – beschlossen worden, und mit diesen beiden Neuerungen wollte der Gesetzgeber nun Steuersparmodellen den Garaus machen. Der 2b sollte sämtliche »Verlustzuweisungsgesellschaften« unmöglich machen. Wer sich an einer solchen Verlustzuweisungsgesellschaft beteiligte, konnte Verluste überhaupt nicht mehr – auch nicht innerhalb der bereits beschriebenen Grenzen der Mindestbesteuerung – mit positiven Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgleichen. Ja, noch schlimmer, wer beispielsweise Verluste aus einer Immobilieninvestition bzw. -beteiligung erzielte, die unter diesen Paragrafen 2b fiel, durfte diese Verluste nicht einmal mit positiven Erträgen aus einer anderen Immobilie verrechnen, für die diese Regelung nicht galt. Völlig unklar war indes, was unter einer »Verlustzuweisungsgesellschaft« genau zu verstehen ist. Der Paragraf war diffus formuliert und enthielt eine Menge unbestimmte Rechtsbegriffe.
Darüber schrieb ich viele Artikel, und da man die komplizierten Sachverhalte in der Kürze eines Zeitungsartikels oft nicht ausreichend erklären konnte, publizierte ich längere Versionen im Internet und ermöglichte es den Lesern, dort mit renommierten Steuerberatern zu kommunizieren. So veröffentlichte ich im März 2000 eine Checkliste, die der Steuerexperte Gregor Kunz entwickelt hatte. Darin war die Anweisung der Finanzverwaltung, wie zu prüfen sei, ob ein Angebot unter den Paragrafen 2b falle oder nicht, in einem einfachen Schema dargestellt. Unter dem Artikel stand: »›Welt‹-Leser können ihre Fragen zum Erlass den renommierten Steuerexperten Dr. Beate Dimitrow und Gregor Kunz online stellen.« Der Erlass war im Wortlaut bei »welt-online« abrufbar. So etwas war damals noch ungewöhnlich und trug dazu bei, dass die »Welt« in der Immobilienbranche sehr stark gelesen wurde.
Leute wie Kunz und Beck hatten die Begabung, komplizierte Sachverhalte so zu erklären, dass ein Steuerlaie sie verstehen konnte – vorausgesetzt, er war bereit, sich auf das komplizierte Thema einzulassen. Das traf aber für die gesamte Immobilienbranche zu, denn die Änderungen waren für sie von einschneidender Bedeutung. Anfangs glaubten die meisten Player jedoch gar nicht, was ich da vermeldete. Nach dem Motto, »dass nicht sein kann, was nicht sein darf«, erklärten mir Immobilienleute, es könne ja wohl nicht sein, dass so etwas umgesetzt werde, weil das die ganze Steuersparbranche vernichten würde. Viele, die die schlechten Nachrichten zu lange verdrängten und sich nicht darauf einstellten, waren bald insolvent.
Um die Sache für die Leser auf den Punkt zu bringen, prägte ich einen Begriff für den Paragrafen 2b, der später auch in die Fachliteratur Eingang fand. Die Idee kam mir, als ich die Neuregelung dem damaligen Vorsitzenden des Rings Deutscher Makler (RDM), Franz Rohrer, erklärte. Der meinte empört: »Das ist ja die reinste Fallenstellerei!« Ab sofort nannte ich den Paragrafen in meinen Artikeln nur noch den »Fallensteller-Paragrafen«, und jeder wusste, was gemeint war. Ich fand es für eine kritische Diskussion immer wichtig, komplizierte Dinge auf den Punkt zu bringen und in einem Begriff zu verdichten. Sogar in einem Wirtschaftslexikon wird der § 2b EStG heute so genannt.
Schon bald war ich selbst zum Experten für Immobiliensteuern geworden und kannte mich bei manchen Paragrafen besser aus als der durchschnittliche Steuerberater. Das habe ich Experten wie Hans-Joachim Beck zu verdanken, der sich viele Stunden Zeit nahm, mir die Themen zu erklären. Mit einem anderen Steuerexperten schrieb ich eine Serie zur Auslandsbesteuerung von
Immobilien. Wir nahmen uns bei jedem Meeting ein Land vor – beispielsweise die USA oder Großbritannien –, er erklärte mir mehrere Stunden, wie die Immobilienbesteuerung dort funktionierte, und ich schrieb danach auf der Basis dieser Informationen den Artikel. Davon hatten alle drei etwas: der Leser, weil er nützliche Informationen in einer verständlichen Sprache erhielt, der Steuerexperte, weil er namentlich zitiert und dadurch bekannter wurde, und ich selbst, weil ich mehr und mehr Wissen gewann und Material für interessante Artikel bekam.
Jeden Mittag verbrachte ich mehrere Stunden im vornehmen »Journalistenclub« des Axel-Springer-Hauses, um mich mit solchen Fachleuten sowie mit wichtigen Playern der Branche zu treffen. Ich war vorher eine Zeit lang mit anderen Redakteuren in der (weitaus weniger gediegenen) Kantine Mittagessen gegangen, aber das stellte ich bald ein. Die Gesprächsthemen waren für mich uninteressant und sogar ärgerlich. Nicht selten wurden Gerüchte verbreitet oder über Kollegen getratscht, oft hatten die Gespräche einen negativen Tenor. Als ich eines Tages merkte, dass ich mir selbst schon Gedanken machte, welchen negativen Kommentar ich beitragen könnte, griff ich mir an den Kopf: »Was passiert da mit dir? Da gehst du ab sofort nicht mehr hin.«
Den vornehmen Journalistenclub darf an sich jeder Journalist nutzen, aber nur dann, wenn er wichtige Gäste hat, beispielsweise Politiker oder Vorstände von Unternehmen. Ansonsten sah man dort fast jeden Mittag den Aufsichtsrat Cramer sitzen, einige Chefredakteure und manchmal auch Friede Springer. Ich war sicher der häufigste Gast dort, und immer hatte ich einen interessanten Gesprächspartner dabei.
Jeden Samstag veröffentlichte ich eine Porträtreihe »Der Immobilienmann der Woche«. Darin stellte ich wichtige Persönlichkeiten der deutschen Immobilienwirtschaft vor. Ich wollte stets alles ganz genau wissen, und die Gesprächspartner bescheinigten mir, dass ich tiefer bohrte, als sie dies von Pressegesprächen gewohnt waren. Vor allem versuchte ich, die Geschäftsmodelle genau zu verstehen. Bei diesen langen Gesprächen, die meist drei bis vier Stunden dauerten, lernte ich die Branchen-Größen kennen.
Natürlich gab und gibt es in der Immobilien- und Fondsbranche nicht nur seriöse Marktteilnehmer, und es war nicht immer einfach, die Guten von den Schlechten zu unterscheiden. Überzeugend reden und sich gut verkaufen konnten schließlich alle, sonst wären sie nicht so erfolgreich im Vertrieb gewesen. Ich erinnere mich daran, wie mich einer mal hereinlegte. Er hieß Michael O. Vogelbacher und kam von der Firma Roche Finanz, die geschlossene US-Immobilienfonds auflegte. Ich schrieb einen sachlich-wohlwollenden Artikel, der am Samstag erschien. Schon am Montag früh erreichten mich Anrufe von zwei Lesern, die mich fragten, ob ich denn nicht wüsste, dass bei den Fonds vieles im Argen liege. Man könne doch erwarten, so meinten sie, dass ein Journalist vor Ort (also in den USA) dazu recherchiere. Das hätte ich gerne getan, jedoch war dazu leider nicht die Zeit. Aber in Zukunft war ich noch vorsichtiger, denn die Anrufer hatten Recht gehabt, und Vogelbacher wurde später sogar wegen Betruges verurteilt. Journalistenkollegen trösteten mich, sie seien auch schon auf ihn reingefallen, er sei ein genialer Rhetoriker.
Neben Artikeln, die eher die Branche interessierten, brachte ich nutzwertige Themen für den Verbraucher. So schrieb ich zusammen mit dem TÜV Süddeutschland eine große Serie über den Pfusch am Bau. In jedem Teil der Serie ging ich detailliert auf bestimmte Mängel ein, so wie etwa Schimmelbefall oder Probleme bei undichten Kellern oder Dächern. Dadurch lernte ich selbst eine Menge. Es war für mich wie ein zweites Studium – eben der Immobilienwirtschaft. Mit einem Makler für Mehrfamilienhäuser schrieb ich eine Serie über Fallstricke und Kriterien beim Kauf von Mietshäusern, in denen ich den Lesern Tipps gab. »Mietshaus niemals ohne Holzschutzgutachten kaufen«, hieß ein Artikel, und ein anderer warnte: »Renditen werden mit Fantasiemieten schöngerechnet.« Natürlich verfasste ich, wie schon immer seit meiner Kindheit, auch Buchtipps, und jetzt ging es um Immobilienratgeber wie etwa »Immobilien für Kapitalanleger«, »Steuerratgeber Immobilien« oder »Europäische Immobilien-Aktien«.
Außerdem führte ich Interviews mit Politikern zur Wohnungspolitik. Eine Überraschung war Christine Ostrowski, damals baupolitische Sprecherin der PDS. Ihre Ansichten waren vernünftiger als die von vielen anderen Politikern. Das Interview mit ihr, das am 14. Juli 2000 erschien, war das letzte vor meinem Ausscheiden aus der »Welt« zum 1. August. Ostrowski übte darin scharfe Kritik an dem auch von mir kritisierten Fallenstellerparagrafen: »Mir geht es um die Frage, wie privates Kapital für den Wohnungsbau mobilisiert werden kann. Vor Steuern sind die Renditen im Wohnbereich doch so niedrig, dass viele Anleger ihr Geld lieber in Aktien anlegen. Das ist einfach so, das müssen wir auch als PDS realistisch zur Kenntnis nehmen.« Ostrowski blieb noch einige Jahre in ihrer Partei, vertrat dort vernünftige Positionen, war aber dann zunehmend frustriert, warf dem damaligen Parteichef Oskar Lafontaine Populismus vor und trat am 1. Januar 2008 aus.
Ich hatte mir so viel Fachwissen zu Immobilienthemen angeeignet, dass ich ein Buch zu dem Thema schrieb. Es erschien 1999 im Haufe-Verlag unter dem Titel »Reich werden mit Immobilien«. Auf dem Umschlag prangte das Logo der »Welt«. Das Buch erschien in den folgenden Jahren in vielen aktualisierten Auflagen, später dann mit zahlreichen neuen Kapiteln unter dem etwas bescheideneren Titel »Vermögen bilden mit Immobilien«.
Mit dem Thema »Reich werden mit Immobilien« schwamm ich – mal wieder – eindeutig gegen den Strom. 1997 hatte der DAX um 47 Prozent zugelegt, 1998 um 17,7 Prozent und 1999, als mein Buch erschien, um 39 Prozent. Deutschland war damals im Aktienfieber. Immobilien erschienen in dieser Zeit sehr langweilig. Einmal sprach mich ein Kollege aus dem Finanzressort an und fragte, wie viel Rendite man denn mit einer Immobilie machen könne. Als ich etwas von fünf bis sechs Prozent sagte, da lachte er nur und meinte, das mache er am Neuen Markt in einer Stunde.
Viele Menschen stiegen unter dem Eindruck der großen Börsengewinne in den Jahren 1999 und 2000 erstmals in den Aktienmarkt ein. Die Zuflüsse zu Aktienfonds, die 1993 erst bei knapp sechs Mrd. Euro gelegen hatten, betrugen in diesen beiden Jahren zusammengenommen fast 100 Mrd. Euro. Allerdings verlor der DAX dann im Jahr 2000 7,5 Prozent, im Jahr 2001 fast 20 Prozent und 2002 sogar fast 44 Prozent. Da wäre es gut gewesen, einzusteigen, aber das tat kaum noch einer. Die Mittelzuflüsse in den Jahren 2002 und 2003 lagen nur noch jeweils unter vier Mrd. Euro.
»Reich werden mit Immobilien«, das war nicht nur ein Buchtitel, sondern auch für mich ein persönliches Programm. Doch als Journalist würde ich nicht reich werden, auch wenn ich nebenbei in Immobilien investierte. Das war mir schon bewusst. Ich hatte in meiner Zeit als Immobilienjournalist aber gemerkt, wie unprofessionell die meisten Immobilienunternehmen kommunizierten. Sie hatten den Unterschied zwischen Marketing und seriöser Presse- und Öffentlichkeitsarbeit nicht begriffen und waren insgesamt in der Kommunikation schlecht. So hatte ich die Idee, eine Firma zu gründen, die diese Marktlücke füllte. Das hieß in der Konsequenz, dass ich aus der »Welt« ausscheiden musste. Denn man kann meiner Meinung nach nicht gleichzeitig Journalist sein und PR betreiben, auch wenn manche das dennoch tun. Der Journalist muss unabhängig und kritisch sein, aber wenn er sich von Immobilienunternehmen für PR-Leistungen bezahlen lässt, hat er seine Unabhängigkeit verloren.
Dagegen bedeutete es keinen Interessenkonflikt, wenn man Fachveranstaltungen zu Steuerthemen organisierte und gleichzeitig Journalist war. Und genau dies tat ich ab dem Jahr 1999. Nachdem die tägliche Immobilienseite etabliert war, schrieb ich ein Papier mit vielen weiteren Vorschlägen für den Springer-Verlag – insbesondere in den Bereichen Internet, aber auch Veranstaltungen, Fachpublikationen, Bücher und TV. Es sollte aus meiner Sicht nicht bei der täglichen Immobilienseite bleiben. Eine der Ideen war, Kongresse zu Immobilienthemen zu veranstalten. Ich hatte ein Gespür für die richtigen Themen, ich kannte die richtigen Referenten und wir konnten die Veranstaltungen in der Zeitung bewerben.
Als ich die Idee dem Verlag vorschlug, war man zuerst sehr skeptisch: »Hm, das kostet eine Menge Geld.« Von der Antwort war ich überrascht: »Was heißt ›kostet‹? Damit kann man sogar Geld verdienen, wenn man Tagungsgebühren nimmt.« Ich konnte den Verlag überzeugen, und am 14. September 1999 veranstalteten wir das »1. Welt/Welt am Sonntag Immobilienforum« im Axel-Springer-Haus in Berlin. Es ging um das Thema Immobilieninvestments im Ausland, da ich der Meinung war, dass diese nach dem Ende der Steuerspar-Ära eine größere Rolle spielen würden. Ich fand hochkarätige
Referenten, und die Veranstaltung war gut besucht. Sie brachte immerhin einige Zehntausend Mark Gewinn, statt etwas zu kosten. Und sie brachte der »Welt« zusätzliches Prestige in der Immobilienbranche.
Für mich war es ganz logisch, nach diesem Erfolg sofort die nächste Veranstaltung zu planen. Doch ich bekam zu hören: »Mal langsam, Herr Dr. Zitelmann, lassen Sie uns das vielleicht in einem Jahr wiederholen.« Mein Hinweis, der Verlag habe doch sogar etwas Geld damit verdient, half auch nicht. Ich habe es immer gehasst, wenn ich mit Begeisterung und Energie eine Sache zügig vorantreiben wollte und dann ausgebremst wurde.
Bereits vom März 1998 an hatte ich in unregelmäßigen Abständen zusammen mit dem Rechtsanwalt Dr. Peter Decker einen Gesprächskreis, die »Berliner Immobilienrunde« etabliert. Anfangs waren das sehr gut besuchte Abendveranstaltungen mit hochkarätigen Teilnehmern. Auch Döpfner schaute sich mal eine der Veranstaltungen an und war offenkundig beeindruckt. Bislang hatte ich aber nur einmal eine kostenpflichtige Veranstaltung durchgeführt, und zwar im März 1999 zum Thema »Die neue Mindeststeuer«. Finanzpolitiker von SPD und Grünen sowie Steuerexperten referierten. Die anderen Veranstaltungen der »Berliner Immobilienrunde« waren bislang kostenfrei gewesen.
Nachdem ich den Eindruck hatte, dass sich die Begeisterung des Springer-Verlages für mein Veranstaltungskonzept in Grenzen hielt, fragte ich, ob es in Ordnung sei, wenn ich künftig – nebenberuflich – weitere kostenpflichtige Veranstaltungen durchführen würde, aber eben auf eigene Rechnung. Der Verlag stimmte zu, und ich organisierte eine Reihe von Veranstaltungen zu Fachthemen, wie etwa: »Klarheit zum § 2b EStG« (November 1999), »Auswirkungen der Unternehmenssteuerreform und des BMF-Schreibens zu § 2b für die Immobilienwirtschaft« (März 2000) und »Den § 2b EStG rechnen« (April 2000). Referenten waren Steuerexperten aus dem Bundesfinanzministerium, Finanzrichter Beck und ein Referent von der Senatsverwaltung für Finanzen in Berlin. Immer ging es um die Klärung, wie die diffusen Steuerregeln, die die rot-grüne Regierung beschlossen hatte, zu interpretieren und anzuwenden seien. Ich verdiente prächtig an den wirren Gesetzesformulierungen, denn hier bestand ein hoher Aufklärungsbedarf. Dabei war ich nicht nur Veranstalter, sondern griff auch sehr stark ein und gab den Veranstaltungen eine eigene Prägung.
Die Veranstaltungen gibt es heute immer noch, und inzwischen habe ich über 330 ganztägige Kongresse und Seminare der »Berliner Immobilienrunde« durchgeführt. Da ich sie fast immer selbst moderiere, habe ich dabei eine Menge gelernt. Ich bin mir sicher, dass es niemanden gibt, der so viele Fortbildungsveranstaltungen im Immobilienbereich besucht und dabei gleichzeitig Geld verdient hat. Vor allem habe ich dadurch mein Netzwerk aufgebaut, und deshalb führe ich diese Veranstaltungen auch noch nach dem Verkauf meiner Firma Dr. ZitelmannPB. durch.
Während diese Veranstaltungen ohne Interessenkonflikte neben der Tätigkeit bei der »Welt« möglich waren, galt dies nicht für meine andere Idee, die nach wie vor in meinem Hinterkopf herumschwirrte – nämlich die Gründung einer eigenen Firma zur Kommunikationsberatung von Immobilienunternehmen.