Kapitel 10:
Ich werde Unternehmer!

Mir ging es so wie wohl vielen Menschen: Die Idee, mich selbststän­dig zu machen, ging mir zwar immer mal wieder durch den Kopf, aber mir fehlte der Mut dazu. Im Frühjahr 2000 führte ich ein Pressegespräch in Bonn mit Dr. Eckart John von Freyend, damals Vorstandsvorsitzender der größten deutschen börsennotierten Immobiliengesellschaft IVG. John von Freyend war eine der beeindruckendsten Persönlichkeiten der Immobilienwirtschaft. Bevor er im April 1995 Vorstandsvorsitzender der IVG wurde, leitete er die Abteilung »Industrielles Bundesvermögen« des Bundesfinanzministeriums und zuvor war er Mitglied der Hauptgeschäftsführung im Bundesverband der deutschen Industrie (BDI).

Am Ende des Gespräches bot er mir an, mich zum Flughafen zu fahren. Ich wunderte mich ein wenig, denn normalerweise wurde er ja selbst von einem Fahrer chauffiert. Auf dem Weg zum Flughafen fragte er mich, ob ich eine Stelle als Direktor für die Bereiche Strategie und Kommunikation bei der IVG annehmen wolle. »Das ehrt mich sehr, aber das können Sie gar nicht bezahlen«, sagte ich spontan. Er war wohl etwas verblüfft über diese Antwort, denn Journalisten verdienen normalerweise nicht allzu üppig. Ich hatte jedoch damals bei der »Welt« ein Jahresgehalt von 190.000 DM und kam zusammen mit meinen Nebeneinkünften, vor allem aus der »Berliner Immobilienrunde«, auf knapp 400.000 DM, sodass ich bei einem Wechsel ein Gehalt mindestens in dieser Höhe erwartete. John von Freyend eröffnete mir, inklusive Tantiemen, Geschäftswagen usw. würde ich auf etwa 370.000 DM kommen. »Es ist auch nicht nur das Geld, obwohl das natürlich auch wichtig ist«, entgegnete ich. »Wissen Sie, wenn ich von der ›Welt‹ weggehe, dann würde ich etwas anderes machen.« Ich erzählte ihm von meiner Idee, ein Kommunikationsunternehmen zu gründen, das sich ausschließlich auf die Immobilien- und Fondsbranche fokussiert.

Spontan sagte er zu mir: »Dann bin ich Ihr erster Kunde!« Um ganz sicherzugehen, dass dies nicht nur höfliche Worte waren, sondern wirklich ernst gemeint, fragte ich ihn, ob er sich für ein Jahr vertraglich binden würde, und wie viel er bereit sei, dafür zu zahlen. Er nannte mir einen Betrag von 100.000 DM im Jahr und war auch mit einem Jahresvertrag einverstanden.

Nach dem Gespräch war ich wie elektrisiert. Die Idee der Selbstständigkeit wurde von einem vagen Traum zu einem konkreten Plan. John von Freyend war also der Geburtshelfer der Firma, und bis heute bin ich mit ihm befreundet und dankbar für das Vertrauen, das er damals in mich setzte.

In den folgenden Tagen sprach ich weitere Personen an, von denen ich hoffte, dass sie ebenfalls Kunde werden würden, wenn ich mich selbstständig machte. Der zweite, an den ich mich wandte, war Christoph Kahl, Inhaber des Unternehmens »Jamestown«. Kahl kaufte große Gewerbeimmobilien in den USA, vor allem in Manhattan, und sammelte das Geld dafür mit geschlossenen Immobilienfonds ein. Keiner der vielen Hundert Anbieter von solchen Fonds in Deutschland erwirtschaftete so gute Ergebnisse für die Anleger wie er. Ich hatte ihn schon damals bewundert, und er ist sicher einer der intelligentesten und zugleich integersten Menschen, die ich in meinem Leben kennengelernt habe.

Einige Jahre später bei seiner Rede zu meinem 50. Geburtstag berichtete er: »Ich erinnere mich noch gut an ein Treffen irgendwann im ersten Halbjahr 2000 mit Dr. Zitelmann in Berlin, bei dem er mir zu meiner Überraschung eröffnete, er plane, die Journalistenkarriere zu beenden und sich als Positionierungsberater in der Immobilienbranche selbstständig zu machen. Ich war beeindruckt von dem persönlichen Mut, die sichere Stellung bei der ›Welt‹ aufzugeben und sich in das Wagnis der Selbstständigkeit – und auch noch als Berater – zu stürzen. Und dabei war mir auch nicht sofort klar, was er mit ›Positionierungsberater‹ meinte. Bevor ich noch nachdenken konnte, ob ich ihm den Erfolg zutraute, setzte er selbstbewusst nach mit der Frage, ob er wohl ›Jamestown‹ zu den ersten Kunden zählen dürfe.« Kahl erbat sich einige Tage Bedenkzeit und rief mich dann mit einer Zusage an.

Die nächsten Gespräche führte ich mit Jürgen Stinner, dem Vorstand der Westdeutschen Immobilienbank, mit Heinz Fritsch, dem Chef der für Bau- und Immobilienthemen zuständigen Abteilung des TÜV Süddeutschland, mit den Fondsinitiatoren Dr. Wolfgang Görlich und Rudi Pfeiffer von der SAB, mit Rolf-Alexander Schellenberg, Vorstand der börsennotierten Immobilien-AG Bau-Verein zu Hamburg, und mit Dr. Volker Gerstenmaier, Vorstand des Bankhauses Ellwanger & Geiger. Außer dem Schwaben Gerstenmaier, dem die 120.000 DM, die ich als Jahreshonorar nannte (ich hatte die von John von Freyend genannte Summe auf die Zahl von 10.000 DM im Monat aufgerundet), zu viel waren, sagten alle zu. All das, was die Firma später vorzuweisen hatte, gab es damals nicht: keine Firmenbroschüre mit Referenzen zufriedener Kunden, keine Beschreibung des Geschäftsmodells, keine Mitarbeiter, keine schönen Geschäftsräume – nichts. Es existierte nur meine Idee. Pfeiffer hatte mir allerdings empfohlen, das, was ich vorhatte, zu Papier zu bringen.

Ich schrieb eineinhalb Seiten unter der Überschrift »Dr. ZitelmannPB.GmbH: Positionierung ist unsere Kernkompetenz. Wir machen Ihr Unternehmen und Ihre Produkte unverwechselbar.« Der Begriff »Positionierungsberatung«, für den das Kürzel »PB« im Firmennamen stand, war neu. Ich fand die üblichen Bezeichnungen, die sich wenig originell zwischen »Kommunikation« und »communication« bewegten, langweilig und austauschbar. Und wenn ich versprach, meine Kunden »unverwechselbar« zu machen, war es auch wichtig, dass ich mein künftiges Unternehmen richtig positionierte, also anders war als die anderen. Das sollte schon im Firmennamen zum Ausdruck kommen. Der Firmenname spiegelte allerdings auch wider, dass ich im Grunde genommen noch nicht so ganz genau wusste, was ich machen wollte und was die Schwerpunkte der Arbeit sein würden.

Als Firmengrundsätze nannte ich auf dem Blatt »Einfachheit und analytische Präzision« und betonte: »Wir beraten ausschließlich Unternehmen der Immobilienwirtschaft«. Dann zählte ich eine Reihe von Leistungen auf, von der Mitwirkung beim Schreiben von Pros­pekttexten und Texten für Imagebroschüren über die Konzep­tion des Internet-Auftritts bis zur Entwicklung von Kundenzeitschriften und Kundenbefragungen. Die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit war nur ein Punkt von vielen. Pfeiffer hatte mir allerdings schon vorausgesagt: »Schreiben Sie mal alles auf, später werden Sie sehen, dass Sie wahrscheinlich nur mit einem oder zwei dieser Dinge reüssieren und Geld verdienen werden.« So kam es dann auch. Ich denke, die Zusagen der ersten Kunden waren vor allem Ausdruck des Vertrauens in meine Person und nicht in ein ganz bestimmtes Geschäftskonzept – dafür war es noch viel zu unklar.

Ich hatte auch einen Beratungsvertrag ausgearbeitet. Der Bayreuther Jura-Professor Karl-Georg Loritz und der Richter Hans-­Joachim Beck halfen mir bei der Formulierung von Vertragspassagen, die die Haftung minimierten, so z.B.: »Insofern die von der Dr. Zitel­mannPB.GmbH verfassten Textentwürfe steuerliche und rechtliche Fragen berühren, handelt es sich also nur um eine marketingmäßige Aufbereitung der von den Steuer- und Rechtsberatern des Unter­nehmens vorgegebenen Darstellungen … Das Unternehmen wird die Dr. ZitelmannPB.GmbH in Prospekten und in prospektmäßigen Darstellungen ihrer Produkte nicht nennen, insbesondere nicht als Prospektverantwortliche. Unberührt davon ist, dass die Dr. ZitelmannPB.GmbH als Marketing-Beraterin des Unternehmens genannt werden darf und umgekehrt auch die Dr. ZitelmannPB.GmbH das Unternehmen als Kunden in ihren Firmendarstellungen benennen darf.«

Später verfeinerte ich die Vertragstexte. Gründlich durchdachte und ausformulierte Verträge waren mir von Anfang an sehr wichtig. Juristische Themen haben mir schon immer besonders gelegen, obwohl ich nie Jura studiert habe. Aber bei Ullstein hatte ich alle Autorenverträge ausgehandelt, und ich denke stets in Verträgen. Wichtig war mir, dass sich die Verträge automatisch verlängerten, wenn sie nicht sechs Wochen vor Ablauf eines Jahres gekündigt wurden. Damit vermied ich es, immer wieder neu zu verhandeln. Der erste Kunde, die IVG, blieb 13 Jahre lang treu, bis sie in die Insolvenz ging. Jamestown ist bis heute, also seit 17 Jahren, ununterbrochen Kunde des Unternehmens.

Bald nach den sieben mündlichen Zusagen unterschrieben die ersten Kunden schon die Verträge, und ich machte einen Termin bei Dr. Döpfner und Dr. Wolfram Weimer (damals Vize-Chefredakteur der »Welt« und Döpfners Nachfolger, als dieser Mitte 2000 in den Vorstand wechselte). Das Gespräch mit Döpfner fand am 22. Mai 2000 statt. Döpfner wollte nicht, dass ich gehe, denn er hatte gesehen, dass wir mit der Immobilienseite Anerkennung gefunden hatten. Ich fragte ihn, welche Perspektive ich denn bei der Zeitung hätte. »Sie können der bekannteste Immobilienjournalist Deutschlands werden«, antwortete er, worauf ich selbstbewusst entgegnete: »Der bin ich doch heute schon.« Ich sagte ihm auch, ich sei enttäuscht, dass einige meiner weiteren Vorschläge, die ich dem Springer-Verlag für das Immobilienthema gemacht hatte (etwa im Internet-Bereich), nicht umgesetzt worden sind und ich nicht einmal eine Reaktion darauf bekommen hatte.

Döpfner bot mir, ebenso wie in einem weiteren Gespräch auch Weimer, eine Gehaltsanhebung an, aber da hatte ich ja schon die Zusagen von Firmen, die mir – wenn ich bei der »Welt« kündigte und mein eigenes Unternehmen startete – insgesamt 840.000 DM im Jahr bringen würden. Selbstbewusst sagte ich zu Weimer: »Das mit der Gehaltsanhebung ist nett, aber ich möchte jetzt eine Million verdienen, die werde ich hier bestimmt nie bekommen«. Da wollte er nicht widersprechen. Weimer meinte noch zum Abschied: »Herr Zitelmann, Sie haben die leider seltene Fähigkeit, sich lange, ausdauernd für etwas begeistern zu können. Behalten Sie das bei!«

Ich schrieb Döpfner am 2. Juni und bedankte mich für seine Bereitschaft, »meinem Wunsch zu entsprechen, das Beschäftigungsverhältnis vor Ablauf der vertraglichen Kündigungsfrist zu beenden, was ich auch deshalb für wichtig erachte, damit zwischenzeitlich auch nicht der geringste Anschein möglicher Interessenkollisionen aufkommen könnte«. Als meinen Nachfolger hatte ich ihm Robert Ummen vorgeschlagen, der mein Stellvertreter war und dem ich es zutraute, meine Arbeit fortzuführen.

Am 1. Oktober 2000 nahm meine Firma die Beratungstätigkeit auf. Sie bestand aus mir und einer einzigen Mitarbeiterin, die mir ein Professor für Immobilienwirtschaft empfohlen hatte. Das war Sandra Puls, die zehn Jahre im Unternehmen bleiben sollte und später die Abteilung »Corporate Publishing und Research« leitete.

Am Anfang stand ich vor der Frage, ob ich als Berater mit einer Assistenzkraft langfristig selbstständig bleiben oder eine richtige Firma aufbauen wollte. Ich entschied mich für Letzteres. Ich mietete gleich fünf Räume in einem Bürogebäude nahe dem Berliner Kurfürstendamm an, obwohl ich für mich und Sandra Puls nur zwei brauchte. Ich richtete alle Räume sogar schon komplett mit Möbeln und PCs ein, worüber sich manche Besucher zunächst wunderten, denn sie blieben auch noch eine Weile leer. Meine Erklärung damals: »Die leeren Stühle hier erinnern mich daran, dass ich eine richtige Firma aufbauen möchte, die wachsen soll. Ich denke, Vakuum hat die Tendenz, sich zu füllen.«

Den Mietvertrag hatte ich vorsorglich so ausgehandelt, dass ich für alle Fälle gewappnet war, also sowohl für das Wachstum der Firma als auch für ein Scheitern. Damit rechnete ich zwar nicht, aber ich war sehr sicherheitsorientiert. Der Mietvertrag war für uns zehn Jahre lang fest, doch ich hatte für die gesamte Laufzeit ein jährliches Sonderkündigungsrecht und musste bei Ausübung auch keine Pönale zahlen, obwohl der Vermieter auf seine Kosten umfangreiche Umbauten vorgenommen hatte. Für den Besitzer einer Büroimmobilie ist das zugegebenermaßen kein vorteilhafter Mietvertrag, für mich war er jedoch genau richtig. Ich war stolz darauf, dass es mir gelang, auch mit den später wechselnden Eigentümern des Bürogebäudes und ebenso für unsere Bürogebäude in Hamburg, wo wir einige Jahre eine Niederlassung hatten, stets wieder Zehnjahresverträge mit jährlichem Sonderkündigungsrecht auszuhandeln, die mir zugleich Sicherheit und Flexibilität garantierten. Auch für die Büroräume der Modelagentur in Berlin-Mitte, die ich im Jahr 2009 gegründet hatte, war der Vertrag so ausgelegt. Damit ersparte ich mir bei der Aufgabe dieser Tätigkeit und auch bei der Schließung unserer Hamburger Niederlassung eine Menge Kosten.

Was wir damals machten, war neu. Bis dahin gab es in der Immobilienbranche keine professionelle PR-Beratung. Was es gab, waren einige »Berater«, die eine aus meiner Sicht nicht seriöse Doppelrolle als Journalisten bzw. Analysten und Berater einnahmen. Insbesondere in der Fondsbranche spielten sie leider eine große Rolle. Für mich war die Vermischung dieser beiden Tätigkeiten inakzeptabel. Jemand, der sich als Journalist ausgibt, aber gleichzeitig Geld für PR-Beratung nimmt, ist fragwürdig. Heinz Gerlach beispielsweise, der den »Direkten Anlegerschutz« herausgab, ließ sich von Unternehmen mit hohen Summen bezahlen, die dann positiv in seinem Blatt dargestellt wurden, während die, die ihn nicht bezahlen wollten, Gefahr liefen, niedergeschrieben und an den Pranger gestellt zu werden.

Für mich war es daher sehr wichtig, dass ich mich und die neue Firma von Anfang an klar positionierte. »Wir sind Berater und keine Journalisten«, erklärte ich überall. Ich wollte die PR-Beratung als seriöse Beratungsdienstleistung, wie es sie in anderen Branchen gibt, auch in der Immobilien- und Fondswirtschaft etablieren. Das war neu.

Ich war sogar empfindlich, wenn ich als »ehemaliger Immobilienredakteur« der »Welt« bezeichnet wurde. Es war verständlich, dass ich als Redner bei Kongressen oder bei anderen Gelegenheiten anfangs oft so vorgestellt wurde, denn in dieser Funktion hatte mich die Branche ja kennengelernt. Für mich war es jedoch erstens sehr wichtig, mich richtig zu positionieren, also als Berater und eben nicht mehr als Journalist. Zweitens: Ich wollte nie in meinem Leben ein »Ehemaliger« sein. Menschen, die mit dem Etikett des Ehemaligen herumlaufen, signalisieren damit aus meiner Sicht, dass sie früher etwas Wichtigeres getan und geleistet haben als heute. Einem Bekannten erklärte ich: »Gerhard Schröder hat auf seiner Visitenkarte ja auch nicht stehen ›ehemaliger Ministerpräsident von Niedersachsen‹, sondern ›Bundeskanzler‹.«

Für mich war dieser Punkt deshalb immer sehr wichtig, weil ich mehrfach im Leben meine Schwerpunkte geändert hatte: vom Historiker zum Verlagslektor, später zum Journalisten, dann zum PR-Unternehmer. Zwar war ich stolz auf das, was ich zuvor erreicht hatte, dennoch wollte ich nicht zu viel daran erinnern, weil es mir eben sehr wichtig war, jeweils mit dem wahrgenommen zu werden, was ich aktuell tat. Wir alle stecken Menschen gerne in Schubladen, und wenn jemand einmal in einer Schublade steckt, dann kommt er nur schwer wieder heraus. Wir sind nicht ohne Weiteres bereit, unsere Wahrnehmung zu korrigieren. Verständlicherweise nahmen mich andere Menschen zu Beginn meiner journalistischen Laufbahn noch als Historiker wahr und zu Beginn meiner Tätigkeit als PR-Unternehmer noch als Journalisten. Und hätte ich nicht konsequent immer wieder gesagt: »Hört zu, das war ich, aber ich bin jetzt etwas anderes«, dann hätte es länger gedauert, diese Wahrnehmung zu korrigieren. Deshalb wollte ich nie ein »Ehemaliger« sein.

Zu Beginn meiner Tätigkeit als PR-Unternehmer war es für mich darüber hinaus sehr wichtig, die richtigen Kunden auszuwählen. Ich wollte keine unseriösen Unternehmen vertreten. Damals kam der Berliner Fondsinitiator Egon Banghard auf mich zu, aber ich lehnte ihn, obwohl er ein sehr netter Typ ist, als Kunde ab. Er war auch wohl keiner, der seinen Kunden bewusst schaden wollte, aber er redete sich autosuggestiv ein, dass seine – in Wahrheit stark überteuerten – Steuersparfonds ein gutes Investment seien. Damit gelang es ihm, auch von Prominenten wie Franz Beckenbauer und dem SAP-Gründer Dietmar Hopp hohe Millionenbeträge einzusammeln. Banghard war ein wenig enttäuscht, als ich ihn ablehnte. Später sah ich mich in dieser Entscheidung bestätigt, denn er wurde wegen Betruges zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt.

Solche Kunden wollte ich nicht vertreten. Für mich und für meine Mitarbeiter war es wichtig, dass wir uns mit unseren Kunden grundsätzlich identifizieren konnten, auch wenn ich einzelne Produkte manchmal durchaus kritisch sah (was ich den Kunden dann übrigens sehr deutlich und oft nicht sehr diplomatisch sagte). Zudem erfolgt ein Imagetransfer von den Kunden, die man berät, zum eigenen Unternehmen. Letztlich bin ich auch der Meinung, dass man – glücklicherweise – für unseriöse Unternehmen dauer­haft gar keine erfolgreiche PR machen kann, denn das hieße ja, dass es möglich wäre, die Medien und die Öffentlichkeit anhaltend zu täuschen. Das waren die Gründe, warum wir immer wieder Immobilien- und Fondsgesellschaften, die auf uns zukamen, als Kunden ablehnten.

Unabhängig von diesen Überlegungen akzeptierte ich nach der Akquise der ersten sieben Kunden zunächst schon aus Kapazitätsgründen überhaupt keine weiteren Kunden mehr, weil ich eine vernünftige Beratung nicht hätte gewährleisten können. Diesen Ratschlag hatte mir John von Freyend schon bei dem Gespräch in seinem Wagen gegeben: »Nehmen Sie nicht zu viele Kunden an, damit Sie das halten können, was Sie versprechen.« Das beherzigte ich, und selbst als kurz nach Gründung der Firma die Immobilien-­Tochtergesellschaft der Deutschen Bank, die damals Deutsche Grundbesitz hieß, Interesse an unserer Beratung bekundete, lehnte ich aus Kapazitätsgründen zunächst ab, obwohl ich auf diesen Kunden sehr stolz gewesen wäre. Bald stellte ich weitere Mitarbeiter ein, und die Deutsche-Bank-Tochter wurde dann unter Walter Klug einer unserer treuesten Kunden und blieb auch nach dessen Ausscheiden für viele weitere Jahre bei uns an Bord.

Betriebswirtschaft habe ich nie studiert, allerdings auch nie vermisst. Ich hatte häufiger Freundinnen, die Betriebswirtschaft studierten. Ich half ihnen ein wenig bei Hausarbeiten und bekam dadurch mit, was dort gelehrt wurde. Nichts davon hätte mir in meiner unternehmerischen Tätigkeit geholfen. Auch wie man Busi­nesspläne schreibt, wusste ich nicht. Ich habe heute noch einen Zettel, den ich damals schrieb – eine halbe DIN-A4-Seite. Das war mein Businessplan, wenn man so will. Auf dem waren die Kosten für mein Gehalt und das einer Mitarbeiterin aufgeführt. Die Aus­gaben für Miete, Internet, Telefon, Bürobedarf, Reinigung, Steuerberatung, Buchführung, Zeitungsabonnements summierten sich auf monatlich 35.000 DM, die Einnahmen lagen bei 70.000 DM, weil jeder Kunde 10.000 DM zahlte. Sie erstatteten auch die Reisekosten zu den Beratungsgesprächen.

Die Gewinnmarge war also von Anfang an sehr hoch. In den 15 Jahren, bis ich die Firma verkaufte, lag sie in der Spitze bei 63 Prozent, im Schnitt bei 48 Prozent. Das war nur möglich, weil die Firma
über eine lange Zeit hinweg faktisch fast eine Monopolstellung hatte und wir teilweise Zusatzeinkünfte aus M&A-Aktivitäten oder Immobilienvermittlung erzielten, die nichts mit der PR-Tätigkeit zu tun hatten. Aber auch abgesehen davon sind solche Gewinnmargen heute, wo die Gehälter in Berlin erheblich gestiegen sind und wo es stärkeren Wettbewerbsdruck gibt, nicht mehr annähernd in dieser Höhe erzielbar. Der Gewinn war schon im letzten Jahr, bevor ich die Firma verkaufte, auf 36 Prozent gesunken, und mein Nachfolger Holger Friedrichs und ich waren uns beide beim Verkauf klar, dass sie sich eher noch halbieren dürfte, was dem Branchenschnitt entspricht.

Denn die Situation hat sich in den vergangenen Jahren erheblich geändert. Es gab zwar anfänglich einige Wettbewerber, wie etwa die Firma von Frank Schmeichel. Er ist ein lustiger Typ, der – so wie ich – stark polarisiert. Schmeichel war seinerzeit im UIlstein-Verlag mein Kollege gewesen; er leitete dort die Presseabteilung, als ich Cheflektor war. Als mir mein bester Mitarbeiter Holger Friedrichs Ende 2015 eröffnete, dass er die Firma verlassen würde, überlegte ich vorübergehend, die Firma an Schmeichel zu verkaufen, falls ich Friedrichs nicht für die Idee eines Management-Buy-out hätte gewinnen können. Am liebsten hätte ich beiden die Firma verkauft, aber Friedrichs wollte sich lieber alleine selbstständig machen.

Außer Schmeichel hatten wir erstaunlicherweise über viele Jahre keine ernstzunehmenden Wettbewerber, obwohl der Erfolg meines Unternehmens viele dazu animierte, unsere Firma zu kopieren. Konkurrenz machte uns in den letzten Jahren insbesondere Thomas Rücker, ein besonders netter Kollege, der selbst früher als Kommunikationschef der IVG und des Berliner Wohnungsunternehmens GSW über viele Jahre unser Kunde war und sich später selbstständig machte. Doch bis zu meinem Ausscheiden aus dem Unternehmen im Februar 2016 blieben wir unangefochten Marktführer – und ein Jahr später war die Firma, die auch nach dem Verkauf zunächst noch meinen Namen trug, weiterhin die Nr. 1.