Kapitel 12:
Investor: Millionär gegen den Strom

Nachdem ich beschlossen hatte, reich zu werden, begann ich Bücher zu lesen und Seminare zu besuchen, um mir auf diesem Gebiet Wissen anzueignen. Ich war (und bin) ja auch ein Intellektueller, und die meisten Intellektuellen sind finanzielle Analphabeten. Das war ich auch. Nun las ich sehr viel über Aktien, Investments und über Strategien, wie man reich wird. Einige Bücher und Seminare prägten mich besonders stark. Ende der 90er Jahre besuchte ich ein Seminar über Börsenpsychologie, bei dem ich den – kurz darauf verstorbenen – Börsenaltmeister André Kostolany erlebte. In dem Seminar ging es darum, wie man mit antizyklischem Investieren Geld verdienen kann. Was ich bisher immer schon in meinem Leben getan hatte, nämlich gegen den Strom zu schwimmen, schien sich im Finanzbereich auszuzahlen.

1998 kam das Buch »Investment-Biker« von Jim Rogers heraus, das mich faszinierte. Mit Rogers konnte ich mich identifizieren. Er hatte, so wie ich, Geschichte studiert, er schrieb Bücher und vor allem: Er war ein sogenannter »Contrarian«. So werden Investoren genannt, die damit Geld verdienen, dass sie gegen den Strom schwimmen. Oft kaufte Rogers Aktien von Unternehmen, die sich in großen Schwierigkeiten befanden. Andere schüttelten darüber nur den Kopf. Der Erfolg gab ihm jedoch Recht. Denn in einer Zeit, als der amerikanische Aktienindex S&P 500 nur um 47 Prozent stieg, gewann der von Rogers gemeinsam mit dem bekannten Investor George Soros gemanagte Quantum-Fonds 4.200 Prozent.

Sehr viel später, als ich finanziell schon erfolgreich war, lernte ich Rogers in Singapur persönlich kennen, und wir entdeckten viele Gemeinsamkeiten. »Wenn andere über dich lachen«, so Rogers, »dann bist du auf dem richtigen Weg. Je mehr Leute über dich lachen, desto sicherer kannst du sein, dass du richtigliegst.« Rogers steht zwei Mal im »Guinness-Buch der Rekorde«, das ja damals im Ullstein-Verlag unser bestverkaufter Titel war: Zwei Mal umrundete er die Welt, einmal auf dem Motorrad, einmal in einem eigens für ihn umgebauten Mercedes SLK.

Ein anderes Buch, das mich faszinierte, erschien ebenfalls 1998, nämlich »Der Weg zur finanziellen Freiheit« von Bodo Schäfer. Ich arbeitete damals noch bei der »Welt« und war der erste Journalist, der das Buch besprach. Was mir daran gefiel, waren nicht die Ausführungen über Aktien (die kamen mir allzu optimistisch vor), sondern das, was Schäfer über die mentalen Voraussetzungen zur Reichtumsbildung schrieb. Er forderte die Leser auf, sich mit ihren tief verborgenen Einstellungen – er nannte sie Glaubenssätze – zum Thema Geld auseinanderzusetzen. Waren diese Glaubenssätze förderlich oder hinderlich, um vermögend zu werden? »Ihre Art zu denken hat Sie zu dem gemacht, was Sie heute sind. Dieselbe Art zu denken wird Sie aber nicht dorthin bringen, wo Sie gerne wären«, schrieb er. Das leuchtete mir ein. Er schrieb, dass man sich selbst über die Motive Rechenschaft ablegen solle, warum man überhaupt reich werden wolle. Zu meinen eigenen Motiven werde ich am Schluss dieses Kapitels etwas sagen.

Kurz nach Veröffentlichung der Besprechung lernte ich Schäfer persönlich kennen und besuchte seine Seminare. Ich hatte mir damals schon als Immobilienjournalist einen Namen gemacht, und so bot ich Schäfer an, auf seinen Seminaren zum Thema Immo­bilien zu sprechen. Das hatte auch den Vorteil, dass ich für die Seminare, deren Teilnahmegebühr einige Tausend Mark kostete, nichts bezahlen musste und stattdessen Honorare mit nach Hause nehmen durfte. Außerdem lernte ich dort andere interessante Menschen kennen, so wie etwa die n-tv-Finanzjournalistin Carola Ferstl, die ebenfalls bei Schäfer referierte und ein Buch mit ihm schrieb. Zu meinem Buch »Reich werden mit Immobilien« schrieb Schäfer das Vorwort. Darin schrieb er über mich: »Er lebt, was er spricht« – für mich selbstverständlich, aber leider nicht für alle Autoren von Büchern über Erfolg und Reichtum.

Von einem dreitägigen Seminar mit dem Titel »Durchbruch zum finanziellen Erfolg« im Jahre 1999 habe ich heute noch den Seminarordner mit 286 Seiten. Auf Seite 133 sollte jeder eintragen, welche Geldsumme er gerne einmal besitzen würde. Damals war ich zwar nicht mehr so arm wie 1996 bei dem Gespräch mit Peter Gauweiler, aber mein kleines »Vermögen« bewegte sich irgendwo im unteren sechsstelligen Bereich. Die erste Million schien jedenfalls ein ganzes Stück entfernt. Schäfer warnte uns: »Schreiben Sie keine Summe auf, die zu gering ist, denn Sie werden später wahrscheinlich nicht mehr erhalten, als Sie sich heute
aufschreiben.« Ich nahm allen Mut zusammen und schrieb in meinen Aktenordner: 10 Millionen. Das waren damals noch Mark, nicht Euro. D-Mark-Millionär war ich dann tatsächlich schon zwei Jahre später – viel rascher, als ich es mir erhofft hatte.

Aus Büchern wie »Denke nach und werde reich« von Napoleon Hill oder »Die Macht Ihres Unterbewusstseins« von Joseph Murphy lernte ich, dass Reichtum im Kopf entsteht und man sein Un­­terbewusstsein »programmieren«, sich bestimmte finanzielle Ziele setzen muss. Dabei kam ich auf die Idee, eine Methode anzuwenden, die ich schon mit Anfang 20 gelernt hatte, nämlich das autogene Training, das der deutsche Arzt Professor Johannes Heinrich Schultz Anfang der 30er Jahre erfunden hatte. Mit dieser Methode kann man sich wie bei einer Selbsthypnose in einen Zustand tiefster Entspannung versetzen. Ursprünglich hatte ich das autogene Training auf Empfehlung meines Internisten gelernt, weil ich Magenprobleme hatte. Daraufhin programmierte ich mir Formeln ein wie »Magen und Darm funktionieren ganz ruhig und störungsfrei«, die tatsächlich wirkten. Jetzt nutzte ich die Methode, um mir finanzielle Ziele einzuprogrammieren.

1999 begann ich damit, mir an jedem Silvesterabend aufzuschreiben, wie viel ich im nächsten Jahr verdienen wollte, und diese Zahl programmierte ich täglich während des autogenen Trainings in mein Unterbewusstsein ein. Ich mache das bis heute, nur dass ich mir seit zehn Jahren nicht mehr das Ziel setze, wie viel ich verdienen will, sondern wie groß mein Vermögen beim nächsten Jahreswechsel sein soll. Natürlich programmiere ich mir auch andere Ziele ein, die nichts mit Geld zu tun haben.

Vielleicht schütteln Sie darüber den Kopf. Aber bei den Interviews mit 45 Superreichen, über die ich im nächsten Kapitel berichte, fand ich heraus, dass viele andere Reiche ähnliche Methoden anwenden. Wenn Sie mit Ihrem derzeitigen Kontostand zufrieden sind, dann brauchen Sie das nicht zu probieren. Falls jedoch nicht, wäre es ja vielleicht einen Versuch wert. Der eine reagiert auf einen solchen Bericht mit der Meinung: »Das funktioniert doch sowieso nicht«. Der andere ist offen für Neues und probiert es aus.

Obwohl Deutschland Ende der 90er Jahre im Aktienrausch war und auch Schäfer in seinen Seminaren die Aktienanlage stark propagierte, hielt ich mich weitgehend davon fern. Einmal kaufte auch ich einen Fonds, der am Neuen Markt investierte. Aber nachdem der seinen Wert verdoppelt hatte und die Stimmung immer eupho­rischer wurde, verkaufte ich rasch wieder. Mir war die Sache mit den Aktien zu heiß geworden, weil jeder von Aktienanlagen schwärmte. Sogar die Eltern einer ehemaligen Freundin, einfache Leute, die sich nie in ihrem Leben mit Aktien befasst hatten, »­investierten« kräftig – und verloren damit später eine Menge Geld.

Weiterhin kaufte ich vermietete Eigentumswohnungen. Das waren zunächst Steuersparmodelle wie die erste kleine Wohnung in Potsdam, die ich im 8. Kapitel erwähnt habe. 1997 erwarb ich die nächste Wohnung in Berlin-Pankow und 1998 eine in Berlin-Mitte. 2016 habe ich die Wohnung in Berlin-Mitte wieder verkauft und schaute mir noch einmal die Zahlen an:

Die Wohnung kostete mich (einschließlich Nebenkosten wie Makler und Grunderwerbsteuer) 154.130 DM. Darin enthalten waren Modernisierungskosten von 89.700 DM, die ich in den kommenden zehn Jahren vollständig abschreiben konnte, was eine Steuer­ersparnis von ungefähr 40.000 Mark bedeutete. Da ich nur 34.130 DM Eigenkapital eingesetzt hatte, lag mein effektiver Eigenkapitaleinsatz nach Steuern sogar unter 0. Im Jahr 2016 verkaufte ich die Wohnung für 228.000 Euro. Da nach einer Haltefrist von zehn Jahren die Gewinne aus dem Verkauf von privat gehaltenen Immobilien steuerfrei sind, hatte ich aus 0 DM somit 228.000 Euro gemacht. Die Mieteinnahmen hatte ich konsequent für die Tilgung des Darlehens eingesetzt, wie später auch bei meinen anderen Wohnungen.

Die Lage in der Invalidenstraße in Berlin-Mitte fand ich sehr attraktiv. Der Bauträger, der die 1959 gebauten Wohnungen moder­nisierte, kam in Schwierigkeiten, nachdem die Steuerförderung ausgelaufen war. Um diese in Anspruch zu nehmen, muss der Erwerber die Wohnungen vor Beginn der Modernisierung kaufen. Da der Vertrieb das nicht zuwege brachte, hatte der Bauträger die Wohnungen modernisiert, bevor sie alle verkauft waren. Ohne Steuervorteile ließ sich kaum noch ein Käufer finden, und dies brachte den Bauträger in ernste Schwierigkeiten.

Während ich bisher nur einzelne Wohnungen gekauft hatte, wagte ich es 2001 erstmals, eine etwas größere Anzahl zu erwerben. Dem Bauträger drohte wegen seiner akuten Notlage die Insolvenz. Das war für mich die Gelegenheit, gleich ein kleines Wohnungs­paket günstig zu erwerben. Die einzelnen Wohnungen waren vorher für 2.900 DM/qm verkauft worden. Ich kaufte dem Bauträger jetzt 15 Wohnungen für 1.461.800 DM ab, was einem Quadratmeterpreis von 1.896 DM entsprach, also 1.000 DM günstiger als vorher. Dazu kamen Nebenkosten wie Grunderwerbsteuer und Makler, sodass die gesamten Anschaffungskosten bei 1.524.384 DM lagen. Ich hatte mir das Geld fast komplett von der DKB Bank geliehen und nur 25.000 DM Eigenkapital investiert.

2016, als der Immobilienmarkt in Berlin boomte und jeder in Berlin Wohnungen kaufen wollte, verkaufte ich das Paket für 2,75 Millionen Euro. Nachdem ich meine Restschuld von 483.000 Euro (inklusive einer kleinen Vorfälligkeitsentschädigung, weil ich das Darlehen vorzeitig ablöste) bei der Bank beglichen hatte, blieben mir 2.267.000 Euro. Die ursprünglichen 25.000 DM (12.782 Euro) Eigenkapital hatten sich in 15 Jahren um den Faktor 177 vermehrt. Das entspricht einer durchschnittlichen Jahresrendite von 41 Prozent über 15 Jahre. Die Mieteinnahmen, die ich jedoch über viele Jahre vorwiegend für Zinsen, Tilgung, Instandhaltungskosten und Steuern verwendete, habe ich hierbei nicht berücksichtigt. Der Wertsteigerungsgewinn war steuerfrei, weil ich die Wohnungen länger als zehn Jahre im Privatbesitz behalten hatte.

Übrigens ging der Bauträger trotzdem in die Insolvenz. Die Wohnungen gehörten jetzt der Bank, der ich weitere 16 Wohnungen in der gleichen Wohnanlage abkaufte, für 868 Euro/qm, also noch etwas günstiger. Heute muss man für den Quadratmeter dort das Vier- bis Fünffache bezahlen.

Meine Neigung, gegen den Strom zu schwimmen, hatte sich ausgezahlt. Damals, als der Bauträger verzweifelt nach Käufern für diese Wohnungen in der Invalidenstraße suchte und sich keiner fand, kaufte ich sie – zu einem entsprechend günstigen Preis. Heute, wo jeder in Berlin-Mitte kaufen will, verkaufe ich wieder – zu einem entsprechend teuren Preis. Dabei waren kaum Eigenmittel notwendig, weil ich mir fast das gesamte Geld von der Bank geliehen hatte.

Manche Menschen schrecken vor Immobilien-Investments zurück, weil sie den damit verbundenen Aufwand fürchten. Mein Freund Professor Karl-Werner Schulte, der Begründer der Immobilienökonomie in Deutschland, fragte mich nach dem Zeitaufwand für meine Immobilieninvestments und wies zu Recht darauf hin, dass diese Opportunitätskosten ebenfalls in Rechnung gestellt werden müssten. In meinem Fall war der Aufwand denkbar gering. Überschlägig geschätzt stammt heute die Hälfte meines Vermögens aus den Erträgen von Immobilieninvestments (laufende Mietrendite und Veräußerungsgewinne) und die andere Hälfte aus unternehmerischen Aktivitäten. Aber ich schätze, dass der Zeitaufwand für die Immobilieninvestments nur wenige Prozent des Zeitaufwands betrug, den ich für meine unternehmerischen Aktivitäten aufwendete.

Wenn ich eine Immobilie erwarb, befasste ich mich einige Tage damit. Für den Unterhalt benötigte ich kaum Zeit, da ich alles an einen Verwalter delegierte. Denn natürlich wollte ich mich nicht selbst um die Mieter kümmern, dafür hatte ich weder Zeit noch Nerven. Also engagierte ich eine kleine, eigentümergeführte Hausverwaltung, deren Chef ich jederzeit, selbst abends oder am Wochen­ende, anrufen kann. Ich bin nicht der einzige Kunde, dafür habe ich zu wenige Immobilien, aber ein wichtiger Kunde. Und sicher kein bequemer.

Ich habe den Verwalter dazu gebracht, mir jeden Freitag ein sogenanntes Reporting zu faxen, was er sonst nicht macht. Auf nur einer Seite gibt es stichwortartige Kurzinforma­tionen über die Themen Leerstand, Kündigungen, Mietrückstände und Instandhaltungsmaßnahmen. So bin ich jederzeit informiert und muss meist nur sein Fax mit einer kurzen Notiz zurücksenden, um beispielsweise eine größere Ausgabe für eine Instandhaltungsmaßnahme freizugeben.

Wie wichtig eine solche gute Verwaltung ist, merkt erst, wer sie nicht mehr hat. Ich habe einige Wohnungen in Bremen gekauft und mich dort ständig über die sehr langsame und wenig kundenorientierte Verwaltung geärgert, die ich dann bald durch meinen Berliner Verwalter anleiten ließ. Doch es blieb beschwerlich, und ich merkte an diesem Beispiel, dass zu erfolgreichen Immobilien­investitionen eine gute Verwaltung gehört.

Ich möchte den Leser jetzt nicht mit weiteren Immobilieninvest­ments langweilen, doch eine Geschichte gerne noch erzählen. Sie findet sich auch in meinem Buch »Reich werden und bleiben« und zeigt anschaulich, wie es sich lohnt, gegen den Strom zu schwimmen.

Im Jahr 2004 erwarb ich ein Mehrfamilienhaus mit 24 Wohnungen in Neukölln. Jeder riet mir von dieser Investition ab – außer dem Makler Jürgen Michael Schick, der mir das Haus verkaufte und es elf Jahre später für den vierfachen Preis an einen anderen Investor weiterveräußerte. Als ich meinen Bekannten, darunter viele Immobilienexperten, erzählte, ich wolle ein Mehrfamilienhaus in Neukölln erwerben, waren die Reaktionen einhellig negativ. Die Deutsche Bank lehnte die Finanzierung ab, weil Neukölln ein zu riskanter Standort für ein Immobilieninvestment sei.

Es lohnt sich noch einmal, in alten Zeitungen zu blättern, denn heute, wo der Berliner Wohnimmobilienmarkt als der attraktivste in Europa gilt, kann man sich kaum noch vorstellen, wie absurd eine Investition in Berlin-Neukölln damals erscheinen musste. Im Berliner »Tagesspiegel« vom 20. März 2002 wird über ein »Berlin Future Panel« des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) berichtet. Das DIW konstatierte, wenn Deutschland beim Wachstum die rote Laterne in Europa habe, dann hinke Berlin in Deutschland noch einmal hinterher. Der Tourismus gehe zurück, die Umsätze im Einzelhandel seien drastisch eingebrochen. In der »Berliner Morgenpost« vom 22. August 2003 hieß es, der Leerstand auf dem Berliner Wohnungsmarkt habe einen »Rekordstand« erreicht. 160.000 Wohnungen stünden leer. Streit gab es zwischen dem Bausenator Peter Strieder (SPD) und Gernot Klemm von der PDS: Sie diskutierten, so die Zeitung, ob es ausreichen werde, Plattenbauten in großem Stil plattzumachen, was Strieder forderte, oder ob wegen des Überangebots zusätzlich Altbauten in der Innenstadt abgerissen werden müssten, wie die PDS verlangte.

Die »Immobilien Zeitung« berichtete am 10. Februar 2004 unter der Überschrift »Berliner Wohnungsmarkt unter Druck« über den Leerstand von 130.000 Wohnungen. Die Zeitung zitierte eine Studie der HypoVereinsbank, wonach die Grundstückspreise für Eigenheime weiter nachgaben. Für einfache Wohnlagen pro­gnostizierten die Banker einen Preisverfall. Eigentumswohnungen würden zwischen 1.000 und 5.000 Euro/qm verkauft, aber »fast niemand« wolle Neubauwohnungen oder Wohnungen mit mehr als zwei Zimmern erwerben.

»Spiegel TV« informierte im November 2004: »Neukölln gilt als Armenhaus Berlins. In dem Stadtteil mit über 300.000 Einwohnern ist fast ein Viertel der Menschen arbeitslos. Hier herrscht die größte Sozialhilfedichte Europas.« Eine Schlagzeile der »Berliner Zeitung« im Januar 2004 lautete: »Neukölln – Bald ein unregierbares Gebiet«. Und die »Welt« titelte am 9. September 2004: »Neukölln: Zentrum der Armut – Sozialhilfe als Normalität«.

Hatte ich die Zeitungen und die negativen Research-Berichte über Berlin nicht gelesen? Doch, das hatte ich. Ich war aber der Meinung, dass die negativen Nachrichten und Meinungen mehr als eingepreist waren. Das Haus in Neukölln war ja gerade deshalb extrem günstig, weil es sonst niemand kaufen wollte. Immobilien­preise werden berechnet nach einem Multiplikator zur Jahresnettokaltmiete. Sie betrug in diesem Fall 151.000 Euro, und ich erwarb die Immobilie für 1.020.000 Euro. Das war tatsächlich ein Schnäppchenpreis, denn damit kaufte ich sie für einen Multiplikator von 6,8 bzw. mit einer Bruttoanfangsrendite von fast 15 Prozent!

Inklusive der Kosten für den Makler und die Grunderwerbsteuer sowie für anfängliche Instandhaltungsmaßnahmen bezahlte ich 1.215.000 Euro. Zum Glück hatte ich einen klugen Banker, der damals bei der DKB arbeitete. Er begriff, dass das ein Schnäppchen war und dass ich mit dieser Investition nichts falsch machen konnte. Die Bank lieh mir 1.164.000 Euro für den Kauf und die Nebenkosten sowie weitere 78.000 Euro für die Modernisierung. Das waren zusammen 1.242.000 Euro, also sogar 27.000 Euro mehr als Kaufpreis, Nebenkosten und Kosten für die Modernisierung. Ich erwarb die Immobilie somit ohne Eigenkapital.

Allerdings vereinbarte ich eine sehr hohe Tilgung von anfänglich sechs Prozent. Darum betrug die Restschuld Ende März 2015 nur noch 224.000 Euro. Als die Preise am Berliner Immobilienmarkt extrem stark anstiegen und teilweise Preise bezahlt wurden, die ich nicht nachvollziehen konnte, entschloss ich mich, das Haus zu verkaufen, und erzielte einen Kaufpreis von 4,2 Mio. Euro. In den zehn Jahren nach dem Kauf hatte ich die Mieten nur moderat angehoben, aber während ich 2004 das Mehrfamilienhaus zum 6,8-Fachen der Jahresnettokaltmiete gekauft hatte, konnte ich es 2015 zum 24-Fachen verkaufen. Auf diese Weise ist es mir in etwa zehn Jahren gelungen, aus null Euro vier Mio. Euro zu machen. Das ist zwar ein außergewöhnliches Immobilieninvestment, wie es nur selten gelingt. Trotzdem – oder auch: gerade deshalb – kann man eine Menge aus diesem Investment lernen.

Wenn Sie eine Immobilie kaufen, dann müssen Sie – wie bei jeder anderen Investition – ein Bild der Zukunft haben. Ich hatte Anfang des Jahrtausends, so wie andere auch, die Probleme am Berliner Immobilienmarkt gesehen: hohe Leerstandsraten, stagnierende oder sogar sinkende Mieten. Ich sah aber zugleich die Chancen, die genau darin lagen. Schon am 18. April 2000 veröffentlichte ich einen großen Artikel in der »Welt« mit der Überschrift: »Die Preise werden sich in zehn Jahren verdoppeln«. Angesichts der trübseligen Verfassung des Marktes – in dem Artikel war von Preis­einbrüchen bei Wohnungen in mittleren Lagen von bis zu 50 Prozent die Rede – wollten das viele nicht glauben.

Aber ich hatte eine logische Begründung: »Eine Verknappung am Wohnungsmarkt ist zu erwarten«, so argumentierte ich in meinem Artikel, »weil in der Vergangenheit der Neubau und die Modernisierung in Berlin stets steuerlich angetrieben waren. Mit dem Auslaufen der Sonder-AfA Ende 1998 müssen Investoren erstmals ohne spezifische steuerliche Vorteile auskommen. Bei dem niedrigen Mietniveau lohnt sich dies jedoch oft nicht …« Meine Folgerung: Das Angebot werde zurückgehen und mittel- bis langfristig würden Mieten und Preise erheblich steigen. Experten könnten Recht behalten, die eine Verdoppelung der Preise in den kommenden zehn Jahren erwarteten.

Es ist schwer, den richtigen Zeitpunkt für ein Investment zu finden. Liegen die Preise am Boden, fühle ich mich sicher. Sobald sie steigen und die Stimmung dreht, werde ich unsicher. Neukölln ist ein gutes Beispiel. Der Boom dort begann vor einigen Jahren. Die Preise stiegen zunächst vom 9-, 10-Fachen auf das 12-, 13-Fache. Das kam mir schon teuer vor: »Bin ich verrückt, in Neukölln zum 13-­Fachen zu kaufen? Das ist ja fast doppelt so viel, wie ich bezahlt habe!« Damit lag ich gründlich daneben. Womit ich nicht rechnete, war, dass die Preise noch viel stärker anstiegen, ja, regelrecht explodierten. Hätte ich damals zum 13-Fachen gekauft, könnte ich heute wohl zum nochmals verdoppelten Preis wieder verkaufen.

Wer überwiegend gegen den Strom investiert, muss das akzeptieren. Wer antizyklisch agiert, verkauft wahrscheinlich meist zu früh und schaut dann zu, wie die Preise weiter steigen. Oder er hört zu früh auf zu kaufen. Geärgert habe ich mich darüber keine Sekunde, das ist nicht meine Mentalität. Ich denke, wir haben alle genug damit zu tun, uns mit der Gegenwart auseinanderzusetzen und für die Zukunft zu planen, und es wäre Energieverschwendung, sich den Kopf über verpasste Chancen zu zerbrechen, die davon ja nicht wiederkommen.

Oft ist es ohnehin besser, wenn man als Investor nichts tut und das Geschehen nur beobachtet. Viele Investoren verlieren Geld, weil sie meinen, ständig irgendetwas tun zu müssen. Hyperaktivität kann besonders dann zum Verhängnis werden, wenn man gerade ein Ge­schäft mit sehr großem Erfolg abgeschlossen hat. Denn genau dann werden viele Investoren übermütig, weil sie das gute Geschäft ihrer eigenen Genialität zuschreiben. Im Überschwang des Selbstbewusstseins wollen sie unbedingt wiederholen, was ihnen gelungen ist, und investieren kurz nach Abschluss ihres letzten Investments erneut. Die Wahrscheinlichkeit, dass dieses Folgeinvest­ment schiefgeht, ist hoch, denn erstens ist Selbstüberschätzung keine gute Basis für erfolgreiche Investments und zweitens waren sie ja deshalb mit dem letzten Geschäft erfolgreich, weil die Marktpreise auf einem hohen Niveau sind. Und wenn sie auf diesem Niveau mit einem neuen Investment einsteigen, ist die Wahrscheinlichkeit, dass es auch diesmal wieder so gut läuft, eher gering.

Deshalb ist es gerade nach dem Abschluss eines erfolgreichen Investments – etwa durch den Verkauf einer Immobilie – oft besser, erst einmal nichts zu tun. Was heißt »nichts tun« für mich konkret? Größere Geldsummen einer Bank leihen würde ich nicht. Ich habe stattdessen kurzlaufende Bundesanleihen gekauft, trotz der Negativzinsen. Das sehe ich nicht als Investition an, sondern als Parkstation für mein Geld, um es später – vielleicht erst in einigen Jahren – wieder anzulegen, wenn sich neue Opportunitäten auftun. Es ist ein großer Vorteil für einen privaten Investor, dass er – anders als institutionelle Investoren – die Option hat, »nichts zu tun«. Natürlich kann man mit der Einschätzung falsch liegen. So wie das bei mir 2004 der Fall war, als ich – aus heutiger Sicht – zu früh aufhörte, am Berliner Markt zu kaufen.

Sie können diesen Überlegungen indirekt entnehmen, dass ich als Investor stets sehr langfristig gedacht habe. Mit »langfristig« meine ich nicht einige Monate, sondern einen Zeitraum von zehn Jahren oder mehr. Zwar ist auch mit kurzfristigen Investments eine Menge Geld zu verdienen – wenn man beispielsweise in einem rasch aufstrebenden Markt Immobilien oder Aktien kauft, um sie kurz danach wieder mit Gewinn zu verkaufen. Ich kenne Leute, die damit eine Menge Geld verdient haben. Das Risiko dabei ist jedoch sehr hoch, da der Erfolg ausschließlich von äußeren Markt­bedingungen abhängt, die man selbst überhaupt nicht beeinflussen kann. Wenn Sie mit hohem Fremdkapitaleinsatz eine solche Strategie verfolgen, können Sie damit sehr schnell reich werden, aber ebenso schnell auch arm werden. Etwas zu kaufen, um es danach kurzfristig zu einem höheren Preis wieder zu verkaufen, empfinde ich eher als Spekulation denn als Investment. Und Spekulant war ich nie.

Ich habe mich bei Immobilien nie an allgemeine Investmentweisheiten gehalten. Eine dieser Weisheiten lautet, man solle möglichst breit diversifizieren, um das Risiko zu reduzieren. Danach ist ein Investment umso riskanter, je stärker man sich fokussiert. Eine andere Weisheit lautet, dass das Risiko umso höher sei, je mehr Fremdkapital man einsetze.

Ich kenne alle Argumente, die für diese Grundsätze angeführt werden, und dennoch glaube ich, dass man sie nicht sklavisch befolgen sollte. Diversifizierung ist sinnvoll für denjenigen, der einen Markt nicht kennt oder nicht versteht, was er tut. Reich werden kann man damit natürlich nicht. Und ich kenne keine Theoretiker, die diese Grundsätze predigen und selbst damit vermögend geworden sind.

Ich habe immer die spezifischen Parameter einer Investition untersucht und mir dann ein Urteil über das konkrete Risiko in diesem Fall gebildet – statt zu versuchen, deduktiv aus allgemeinen Lehrsätzen auf die spezifischen Risiken eines konkreten Investments zu schließen. Das heißt zum Beispiel: Ich empfand meine Investitionen mit sehr hohem Fremdkapitaleinsatz nicht als riskant. Wenn ich eine Immobilie zum 6,8-Fachen kaufe, dann habe ich einen sehr großen Sicherheitspuffer, der mich auch dann schützt, wenn sich die Dinge anders entwickeln als erwartet. Ich fand dieses Investment als sehr viel weniger riskant, als es beispielsweise heute
der Erwerb einer Immobilie mit geringer Fremdfinanzierung in München zum 40-Fachen wäre – obwohl die meisten Menschen dies bestimmt als sehr viel sicherer betrachten würden.

Solche grundsätzlichen Überlegungen über Investments und über das eigene Verhalten sind, das wird oft übersehen, für den Erfolg als Investor noch wichtiger als das Fachwissen, das man über ein bestimmtes Gebiet mitbringt. Wer erfolgreich sein will, muss Fachwissen mit einer gut durchdachten Investitionsphilosophie verbinden, deren Kernelement die Einsicht in die Psychologie des Marktes und das Wissen über die Gefährdungen durch verzerrte Wahrnehmungen und Selbstüberschätzung ist. Ich denke, dass der Investor, der über ein hohes Reflexionsvermögen und über eine Selbstdistanz verfügt, einen großen Vorteil hat, weil es genau daran den meisten Menschen, wenn es um die Geldanlage geht, mangelt.

Nachdem ich 2004 das Haus in Neukölln gekauft hatte, machte ich bei Immobilien zunächst eine Pause und setzte auf Gold. Auch damals lachten mich viele aus, denn da war es noch nicht Mode, Gold zu kaufen. In den Jahren 2003 und 2004 war der Goldpreis stagniert oder gar leicht gefallen, auf etwa 320 Euro für die Unze. Heute, da ich diese Zeilen schreibe, liegt er bei etwa 1.200 Euro. Ich habe es dennoch nicht verkauft, denn eine Beimischung von Gold ist für mich eher eine Versicherung. Der faire Preis für Gold ist ohnehin noch viel schwerer zu bestimmen als bei Aktien oder Immobilien, weil es, anders als bei diesen Anlagen, beim Gold keine laufenden Erträge gibt. Ich mache mir jedoch seit vielen Jahren Sorgen wegen der aus meiner Sicht verrückten Politik der Notenbanken. Niemand weiß, wie dieses Experiment endet, und da ist es gut, wenn man für den Fall der Fälle Gold hat.

Was die Immobilien anbelangt, habe ich auch Glück gehabt, dass ich ausgerechnet in Berlin wohnte und mir dort selbst ein Bild vom Immobilienmarkt machen konnte. Einerseits kann es ein Vorteil sein, in der eigenen Stadt zu kaufen, weil man sich dort besser auskennt. Doch kann der Kauf in der eigenen Stadt auch ein großer Fehler sein, wenn dort die Immobilienpreise dauerhaft stagnieren oder sogar fallen.

Kennt man sich in einem Markt nicht aus, kann es besser sein, in einen Fonds zu investieren. Das Problem ist, dass es nur sehr wenige gute geschlossene oder offene Immobilienfonds gab und gibt. Die meisten Anleger haben mit geschlossenen Immobilienfonds Geld verloren, und bei den offenen Immobilienfonds sind die Renditen meist sehr bescheiden gewesen. Wer hier auf den falschen Fonds setzte, verlor ebenfalls Geld.

Ich selbst kenne niemanden, der häufiger in geschlossene Immobilienfonds investierte und damit – so wie ich – ausschließlich positive Erfahrungen gesammelt hat. Vor allem bei Investitionen in den USA habe ich stark auf Fonds gesetzt, weil ich mich dort nicht so gut auskenne. Zudem bin ich zwar heute vermögend, aber eben bei Weitem nicht so reich, dass ich mir zum Beispiel Büro­immobilien in Manhattan kaufen könnte, wie dies das Unternehmen Jamestown macht, über das ich schon berichtet habe. Darum habe ich in Fonds von Jamestown und der US-Treuhand investiert und damit ausnahmslos sehr gute Erfahrungen gemacht.

Es war von Vorteil, dass ich die handelnden Personen einschätzen konnte. Bei Christoph Kahl und Lothar Estein, die diese beiden Unternehmen leiten, vereinen sich drei Dinge: jahrzehntelange Erfahrung, Intelligenz und Ehrlichkeit. Alle drei Dinge sind wichtig, und wenn eines davon fehlt, wäre mir das Risiko zu groß, mein Geld einem solchen Fondsmanager anzuvertrauen. Intelligenz und ein gutes Gespür für den jeweiligen Markt sind eine Voraussetzung, aber jeder Anfänger macht Fehler und zahlt Lehrgeld. So, wie Sie sich wahrscheinlich nicht von einem frisch gebackenen Chirurg operieren lassen würden, sondern lieber von jemandem, der schon einige Tausend Operationen gemacht hat, vertraue ich mein Geld lieber jemandem an, der seit Jahrzehnten in einem Markt aktiv ist. Erst aufgrund der in der Vergangenheit vollbrachten und dokumentierten Leistungen kann man sich ein zutreffendes Bild machen.

An mehreren Publikumsfonds von Jamestown habe ich mich beteiligt, leider nur mit fünf- oder sechsstelligen Beträgen. Leider, denn die jährlichen Ergebnisse für die Anleger dieser Fonds lagen nach US-Steuern bei 13,4 Prozent, 14,8 Prozent, 17,5 Prozent, 21 Prozent und 29,1 Prozent. Da ich die Fonds mehrere Jahre nach ihrer Emission am Zweitmarkt erworben hatte, lagen die jährlichen Renditen, auch wenn ich manche über Nominalwert kaufte, wegen der deutlich kürzeren Laufzeit für mich sogar noch sehr viel höher als für die anderen Anleger, die bereits bei der Emission zu 100 Prozent eingestiegen waren und deren jährliche Renditen wegen der längeren Haltezeit entsprechend geringer ausfielen. Die Renditen, die ich mit diesen Fonds erzielte, betrugen 23,8 Prozent, 25,4 Prozent, 25 Prozent, 29,4 Prozent und 44 Prozent.

Ich schrieb an Kahl, das Einzige, was ich bei diesen Investments bereute, sei die Tatsache, nicht mit größeren Beträgen beteiligt gewesen zu sein. In den vergangenen Jahren habe ich mich dann allerdings mit siebenstelligen Beträgen an einem institutionellen Fonds von Jamestown beteiligt, der anfangs zweistellige Renditen erwirtschaftete und aktuell über 8 Prozent bringt. Auch die Ergebnisse bei zwei US-Treuhand-Fonds, in die ich investierte, waren erfreulich.

Neben Erfahrung und Intelligenz sind aus meiner Sicht die Ehrlichkeit und die innere Einstellung des Fondsmanagers entscheidende Voraussetzungen. Ich habe in der Immobilienbranche leider auch Menschen kennengelernt, denen es ausschließlich um die Vermehrung ihres eigenen Vermögens ging – auch dann, wenn sie mit dem Geld anderer Menschen, also von Investoren, arbeiteten. Im schlimmsten Fall waren sie dazu noch unehrlich oder hatten sogar eine zynische Einstellung zu ihren Anlegern.

Und ich habe Fondsinitiatoren kennengelernt (deren Namen möchte ich lieber nicht nennen, da ich keine Lust auf Prozesse habe), die selbst niemals auf die Idee gekommen wären, in einen ihrer Fonds zu investieren und die ganz offensichtlich die Anleger, die dies taten, für bemitleidenswerte Dummköpfe hielten – was leider nicht immer ganz falsch war. Für mich ist so etwas dennoch abstoßend, und es ist übrigens eine Mindestvoraussetzung, damit ich in einen Fonds investiere, dass derjenige, der ihn auflegt, es selbst mit für ihn bedeutenden Beträgen tut. Aber natürlich ist das keine Garantie für ein gutes Investment. Es gibt auch weniger intelligente Fondsinitiatoren, die nicht einmal in der Lage sind, die unzureichende Qualität ihres eigenen Fonds zu erkennen.

Etwas, das ich gelernt habe, ist: Investiere vor allem in einem Bereich, in dem du dir ein eigenes Urteil bilden kannst. Ich bin manchmal selbst von diesem Grundsatz abgewichen. Einmal habe ich – allerdings nur einen geringen Betrag – in einen Schiffsfonds investiert. Das war, wie könnte es bei mir anders sein, auf dem Höhe­punkt der Krise im Schiffsbereich, sodass ich dachte, ich könnte hier antizyklisch investieren. Wie das Investment ausgeht, ist noch unklar. Bisher hat es sich eher negativ entwickelt.

In einem anderen Fall habe ich ein Unternehmen gegründet, ohne mit dem Metier vertraut zu sein. 2009 startete ich die CAT Model Management AG. Ich wusste, dass ich von dem Modelbusiness zu wenig verstand. Aber ich dachte, es genüge, dass ich von renommierten Agenturen – wie etwa Elite, Ford oder Mega Model – Booker mit langjähriger Erfahrung abwarb, weil diese ja mehr davon verstanden. Eine Bookerin hatte vorher bei Ford in New York gearbeitet, ein anderer bei Elite in Prag.

Versteht man selbst zu wenig von einem Geschäft, dann ist die Auswahl des richtigen Personals und Managements eher Glück, und darauf sollte man sich nicht verlassen. Wir hatten zwar einige Prestigeerfolge, brachten Models in die »Vogue« und hatten einen guten Auftritt auf der Berliner »Fashion Week«, aber der wirtschaftliche Erfolg blieb aus. Zwei Jahre später stellte ich das Geschäft wieder ein. Zum Glück schmerzte mich der Verlust nicht sehr, da ich rechtzeitig die Reißleine gezogen hatte.

Auch dies ist eine wichtige unternehmerische Eigenschaft: Sie müssen sich eingestehen, wenn Sie danebengelegen haben – was immer wieder passieren wird –, und das Investment rechtzeitig beenden, statt zu lange daran festzuhalten. Wenn Sie rechthaberisch sind, schaden Sie sich selbst. Ich bin zwar selbst ziemlich rechthaberisch, aber mein Sicherheitsbedürfnis ist glücklicherweise größer, sodass ich bei CAT die Reißleine zog, statt noch mehr in das Projekt zu investieren.

Auch bei einem von mir gegründeten Buchverlag (»ambition«) habe ich das getan. Schon nach kurzer Zeit musste ich einsehen, dass ich davon zu wenig verstand. Ich hatte mir eingebildet, wegen meiner früheren Tätigkeit beim Ullstein-Verlag verstünde ich davon genug, doch das war lange her und der Markt hatte sich seitdem ganz erheblich geändert.

Immerhin brachte ich einige gute Titel heraus, so etwa ein Buch, das Warren Buffetts Schwiegertochter über dessen Investmentphilosophie geschrieben hatte. Harald Christ, Selfmade-Millionär und 2009 im Schattenkabinett von Frank-Walter Steinmeier als Wirtschaftsminister vorgesehen, überzeugte ich 2011, ein Buch über »Deutschlands ungenutzte Ressourcen – Aufstieg, Bildung und Chancen für alle« bei »ambition« zu publizieren. Aber ich brachte den Verlag nicht in die Gewinnzone, und ich verstehe bis heute nicht, wie kleine Verlage das schaffen.

Ich habe mich in beiden Fällen – bei der Modelagentur und dem Buchverlag – nicht so verhalten, wie es in Büchern über Erfolg und positives Denken empfohlen wird und wie es Autobiografien erfolgreicher Menschen nahelegen. Dort heißt es stets, man müsse unbedingt durchhalten und dürfe auf gar keinen Fall aufgeben. Wer nur genügend Ausdauer habe und fest genug an seine Idee glaube, werde am Schluss Erfolg haben. In der Tat gibt es viele Beispiele dafür – so etwa die Biografien von Steve Jobs oder von Howard Schultz, dem Begründer von Starbucks. Bei den Persönlichkeiten, deren Erfolgsgeschichten wir lesen und von denen wir uns inspirieren lassen, hat sich das Durchhalten ausgezahlt. Doch im Geschäftsleben gibt es keine Garantie für ein »Happy Ending«, auch nicht für den, der noch so fest an seine Idee glaubt.

Was ist mit all den Persönlichkeiten, die trotz oder gerade wegen ihrer hohen Ausdauer am Schluss scheitern? Über sie werden in der Regel keine Biografien geschrieben, und sie schreiben auch keine Autobiografien. Aber ich habe einige solche Unternehmer erlebt, die nicht rechtzeitig zugeben oder erkennen wollten, dass eine Idee nicht oder nicht mehr funktionierte. So wie ein Spieler, der versucht, seine Verluste durch neue, riskantere Einsätze wettzumachen, warfen sie dem schlechten Geld gutes hinterher. Hätten sie sich rechtzeitig eingestanden, dass die Geschäftsidee doch nicht so gut war, wie sie ursprünglich dachten, oder einfach unter anderen Marktbedingungen nicht mehr funktionierte, dann wären sie heute vielleicht nicht pleite und hätten möglicherweise sogar mit einer anderen Idee große Erfolge feiern können. Aufge­ben ist, anders als in vielen Büchern über positives Denken gepredigt, nicht stets etwas Schlechtes, sondern oftmals ein Gebot unternehmerischer Klugheit. So hatte ich das jedenfalls gesehen, und deshalb beendete ich meine unternehmerischen Versuche in der Model- und Verlagsbranche, bevor ein großer finanzieller Schaden entstanden war.

Aus diesen beiden Fehlschlägen habe ich mehrere Dinge gelernt. Erstens sollte man sich nicht verzetteln, sondern auf das fokussieren, was man gut kann. Zweitens lernte ich erst durch die Erfahrungen mit der Modelagentur und mit dem Buchverlag wieder die Immobilienbranche wertzuschätzen. Mir liegt die Mentalität der Menschen in der Immobilien- und Fondsindustrie, trotz der schwarzen Schafe, die es leider dort gibt. In der Modeindustrie tummeln sich hingegen viele sehr sensible Charaktere, die sich selbst als Künstler sehen und wenig Geschäftssinn mitbringen.

Auch wenn der Immobilienbranche vorgeworfen wird, hier gehe es oft nicht mit rechten Dingen zu, habe ich diese Erfahrung eher im Modelbusiness gemacht. Ich legte beispielsweise großen Wert darauf, dass auch die Models der ausländischen Agenturen, mit denen wir kooperierten, präzise ihre Steuern zahlten, aber das waren viele nicht gewohnt. Als wir nach den Umsatzsteueridentifikationsnummern fragten, mussten wir feststellen, dass diese meist frei erfunden waren. Auch war ich der Meinung, dass die Verträge, die die meisten Agenturen mit ihren Models abschließen, wegen überhöhter Provisionen unwirksam sind und einer rechtlichen Anfechtung nicht standhalten würden.

Nach diesen Erfahrungen erkannte ich, dass meine Ausgangsentscheidung, den Reichtum im Immobilienbereich zu suchen, absolut richtig war. Denn es gibt einfach Branchen, wo die Margen sehr viel geringer sind, und Modelagenturen und Buchverlage gehören eindeutig dazu. Nach dem Fehlschlag mit der CAT Model Management AG überlegte ich vorübergehend, eine Modelagentur zu kaufen bzw. mich an ihr zu beteiligen. Aber bei der Prüfung der Zahlen sah ich, wie gering die Gewinnmargen dort waren. Hätte ich anfangs auf eine solche Branche gesetzt, wäre es jedenfalls sehr viel schwieriger gewesen, dort so gut zu verdienen wie im Immobiliensegment. »Reich werden mit Immobilien« hatte ich mein 1999 erschienenes Buch genannt, und das war für mich nicht nur ein Buchtitel, sondern auch ein persönliches Programm.

Worum ging es mir persönlich beim »Reichwerden«? Diese Frage sollte sich jeder stellen, der reich werden möchte. Es gibt beispielsweise Menschen, die streben vor allem nach Luxus. Sie wollen reich werden, um sich mehrere kostspielige Autos, Villen und andere Luxusgüter zu leisten. Ich habe zwar ein schönes Auto, einen Bentley, doch den habe ich schon vor sieben Jahren gekauft, und ich hatte nie mehr als ein Auto gleichzeitig. Ich habe heute ein schönes Haus und eine schöne Uhr und gebe manchmal sehr viel Geld für Urlaubsreisen aus. Doch so schön all dies ist, es ist für mich nicht entscheidend und hätte nie eine ausreichende Motivation dargestellt.

Zu Recht fragte mich ein Freund: »Sie haben schon so viel Geld – das ist mehr als genug, um sich sicher zu fühlen. Warum wollen Sie noch mehr, das können Sie doch gar nicht ausgeben?« Eine gute Frage. So wie viele andere Reiche habe ich das Geld nicht verdient, um alles wieder auszugeben. Ich habe es auch nicht verdient, um es zu vererben.

Was motivierte und was motiviert mich? Ich habe öfter darüber nachgedacht und mit Freunden gesprochen, und letztlich sind es genau vier Dinge:

Erstens: Freiheit. Darüber habe ich bereits im achten Kapitel ausführlich geschrieben. Die Freiheit und Unabhängigkeit, die man mit Geld genießt, war und ist für mich – wie übrigens auch für viele andere Reiche – das allerwichtigste Motiv.

Zweitens: Sicherheit. Ich war mein Leben lang ein Sicherheitsfanatiker. Als ich jung war, prophezeite mir ein Freund, dieses ex­treme Sicherheitsstreben werde mir mein Leben lang im Wege stehen. In der Tat habe ich mir selbst sehr oft im Weg gestanden. So hat mich das Sicherheitsstreben lange davon abgehalten, den Weg in die Selbstständigkeit zu gehen. Erst als ich durch nebenberufliche Tätigkeiten das Selbstbewusstsein gewonnen hatte, dass ich auch selbstständig Geld verdienen könnte, und als mir die späteren Kunden fest zusagten, sich für mindestens ein Jahr zu verpflichten, wagte ich die Gründung meiner eigenen Firma. Vielleicht mögen Sie einwenden, die Gründung einer Firma und die Investitionen mit hohem Fremdkapitaleinsatz widersprächen meiner Behauptung, ich sei ein Sicherheitsfanatiker. Als ich jedoch meine Firma gründete und die Immobilien kaufte, empfand ich dies gar nicht als riskant. Vielleicht war dies nur Ausdruck des Überoptimismus, der viele Unternehmer charakterisiert. Aber wenn es eine Selbsttäuschung gewesen sein sollte, dann hat sie mir genutzt. Vermögend zu sein hat bei mir jedenfalls neben dem Freiheitsmotiv vor allem mein Sicherheitsmotiv befriedigt.

Drittens möchte ich ein Motiv ansprechen, das ich in diesem Buch ansonsten ausklammere. Ich hatte schon in meiner Jugend ein Faible für sehr schöne Frauen. Mir war früh bewusst, dass ich mich im Alter nicht alleine auf Charme und Aussehen würde verlassen können, sondern dass ich als vermögender Mann eindeutig attraktiver wäre. Ich sage offen, dass auch dies ein sehr wichtiges Motiv war.

Viertens: Ich wollte mir und anderen etwas beweisen. Als Wissenschaftler und als Journalist hatte ich Fähigkeiten bewiesen, doch in beiden Bereichen ist es schwer, objektiv zu messen, wie gut man wirklich ist. Zumindest ist es schwerer als im finanziellen Bereich oder etwa im Sport. Wer als Wissenschaftler gegen den Strom schwimmt, findet vielleicht erst sehr spät Anerkennung, möglicherweise zeitlebens nicht, und erst nachfolgende Generationen würdigen seine Leistungen. Er selbst muss lange Zeit oder gar immer mit dem Etikett leben, er sei »umstritten«, was – zumindest in Deutschland – nicht als Kompliment gemeint ist.

Am Leben eines Unternehmers und Investors gefällt mir dagegen, dass der Erfolg leichter sichtbar und messbar ist, weil der Markt darüber entscheidet. Geld war und ist für mich insofern einfach ein Maßstab dafür, dass ich Dinge richtig beurteilt habe. Keiner kann als Investor behaupten, er sei klüger als alle anderen, wenn sein Kontostand dies nicht belegt. »Warum bist du nicht reich, wenn du so klug bist?«, pflegt Jim Rogers solche verkannten Investment-­Genies zu fragen.

Zudem habe ich eine starke rechthaberische Ader, wie der Leser dieses Buches unschwer erkennen mag. Ich finde es nicht schlimm, darauf hinzuweisen, dass man Recht behalten hat, wenn es denn so war. Darüber ärgern sich höchstens diejenigen, die Unrecht hatten und das nicht zugeben möchten. Und mir bereitete es immer wieder Freude, wenn ich zunächst wegen meiner Investments ausgelacht worden war, am Schluss aber allen sagen konnte: »Nicht ich, sondern ihr habt euch geirrt!« Die Anerkennung, die ich von vielen Lesern meiner »Immobilien News der Woche« bekam, resultierte vor allem daher, dass ich nachweislich mit meinen Einschätzungen – so etwa über den Berliner Immobilienmarkt, über Wohn­immobilien als attraktive Assetklasse, über offene Immobilien­fonds und deren Fehlentscheidungen oder über Gold – richtig gelegen habe. Was ich dort schrieb, befolgte ich natürlich auch selbst.

Im Vorwort zu diesem Buch schrieb ich, dass ich mich nicht selbst analysieren möchte, zumal dies sehr schwer ist. Ich fand es dennoch an dieser Stelle wichtig, über meine Motive zu schreiben, weil ich mir sehr sicher bin, dass dies die vier wichtigsten Gründe für mich waren, reich zu werden. Ich stehe zu jedem dieser Motive, auch wenn ich mir selbstverständlich bewusst bin, dass die ersten beiden Motive gesellschaftlich eher akzeptiert sind und sich auch viel besser anhören als das dritte und das vierte.

Wie sind andere Menschen reich geworden? Was hat sie angetrieben? Was kann ich von ihnen lernen? Diese Fragen haben mich neugierig gemacht, und darum entschied ich mich 2015, in die Wissenschaft zurückzukehren – diesmal mit einer Doktorarbeit über die Superreichen.