Nachdem ein Freund das Manuskript dieses Buches gelesen hatte, fragte er mich, warum ich nicht »mit einem Lebensentwurf zufrieden« war, sondern immer wieder in neue Lebenswelten eingetaucht bin. Er fügte hinzu: »Ich glaube, es liegt an Ihrem Rigorismus, der dazu führt, dass es irgendwann evolutionär nicht mehr weitergeht und Sie deshalb etwas Neues beginnen müssen.«
Seine Frage enthielt bereits einen wichtigen Teil der Antwort. »Zufrieden« war und ist mir zu wenig. In Berlin, wo ich den größten Teil meines Lebens verbracht habe, antworten Menschen auf die Frage, wie es ihnen gehe – beruflich oder privat –, oft mit der Wendung: »Man kann nicht meckern.« Das war mir nie genug.
Was ich tat, tat ich mit Begeisterung, ob nun als Wissenschaftler, Cheflektor, Journalist, Unternehmer oder Investor. Merkte ich, dass die Begeisterung erlosch und es mir ein wenig langweilig wurde, entwickelte ich die innere Bereitschaft, etwas ganz Neues zu beginnen. Freilich verlief dies nicht so, dass ich zu Hause saß, nachdachte und dann beschloss: »Das ist mir langweilig, jetzt starte ich was Neues.«
Am Anfang stand die innere Bereitschaft, mich auf etwas ganz Neues einzulassen. Dann ergaben sich Chancen, die ich ergriff. Und die ich bestimmt nicht ergriffen hätte, wäre die innere Bereitschaft für einen Wechsel nicht da gewesen. Ein anderer hätte sie vielleicht vorbeiziehen lassen.
War ich zu dem Zeitpunkt, als ich wechselte, unglücklich oder ganz und gar unzufrieden mit meiner bisherigen Tätigkeit? Das war in keinem dieser Fälle so. Für mich ist die Schwelle niedriger: Wenn ich spüre, dass ich nicht mehr richtig begeistert bin, dass ich nicht mehr für die Sache brenne, dann ist das für mich der Anlass, über Neues nachzudenken. Und dann die Chance zu ergreifen, wenn sie sich ergibt.
Als mich mein Freund fragte, warum ich »nicht mit einem Lebensentwurf zufrieden« sei, stellte ich mir sofort die Frage, warum so viele andere Menschen es sind. Es gibt Menschen, die ich sehr bewundere, und die ihr ganzes Leben das Gleiche taten. Warren Buffett ist ein Beispiel dafür. In meinem Bekanntenkreis ist es Christoph Kahl, der Initiator von Jamestown, den ich sehr bewundere. Natürlich gab und gibt es in deren beruflichem Leben jede Menge Abwechslung und neue Herausforderungen, aber sie bleiben doch über Jahrzehnte im Prinzip einer Sache treu. Und werden auf diesem Gebiet immer besser.
Es gibt aber auch Menschen, bei denen ich den Eindruck habe, dass sie nur deshalb das ganze Leben bei dem Gleichen bleiben, weil sie zu ängstlich sind und zu wenig Selbstvertrauen besitzen, um Neues zu wagen. Sie bleiben in einer Beziehung, in der sie nicht richtig glücklich sind, aus Angst, alleine zu sein. Sie hängen an einem Job, der sie schon längst nicht mehr begeistert, weil sie sich nicht zutrauen, auch etwas ganz anderes leisten zu können. Manche Menschen werden sogar über Jahre oder Jahrzehnte in ihrem Job gemobbt oder in ihrer Beziehung betrogen und gedemütigt und finden nicht die Kraft, einen Schlussstrich zu ziehen.
Selbstvertrauen ist der Schlüssel zu allem. »Wusste« ich, ob ich die Herausforderungen im Buchverlag oder bei der Zeitung meistern würde? Ich hatte keine entsprechenden Ausbildungen absolviert und beispielsweise nie ein Volontariat gemacht. Dennoch stieg ich gleich in Führungspositionen ein, als Cheflektor bei Ullstein-Propyläen und als Ressortleiter bei der »Welt«. Offenbar trauten andere mir das zu. Und ich hatte selbst genug Vertrauen, dass ich es schaffen könnte. Freilich kann man erst herausfinden, ob man dem gewachsen ist, wenn man es dann wirklich tut. Ich hatte stets die Angst, am Ende meines Lebens sagen zu müssen: »Wenn ich gewollt hätte, dann hätte ich gekonnt.« Um dann leise hinzuzufügen: »Aber leider fehlte mir der Mut.«
Wir haben alle wohl mehr Talente, als wir wirklich zur Entfaltung bringen können. Da man in der Regel ein Jahrzehnt braucht, um es auf einem Gebiet zur Meisterschaft zu bringen, ist es wohl nicht möglich, alle Talente zur Entfaltung zu bringen. Aber ich war neugierig darauf zu erfahren, was an unentdeckten Fähigkeiten und Talenten in mir stecken könnte.
Das war einer der Gründe für meine Entscheidung, Unternehmer und Investor zu werden. Ich hatte allerdings weder Vorbilder im Elternhaus oder der engeren Familie, die Unternehmer gewesen wären, noch ein wirtschaftswissenschaftliches Studium absolviert. Ich besaß genug Selbstvertrauen, dass ich es auch ohne diese Voraussetzungen schaffen könnte.
Mit den Rückschlägen und Krisen, die ich meisterte, wuchs mein Selbstvertrauen. Denn Selbstvertrauen ist wie ein Muskel, der nur wächst, wenn er Widerstände überwinden muss. Da ich mir stets ambitionierte Ziele gesetzt hatte, waren die Widerstände größer, die ich überwinden musste, um sie zu erreichen. Ziele waren für mich stets wichtig, weil sie mir Orientierung und Ansporn gegeben haben. Dabei ist es nicht einmal entscheidend für mich, ob ich ein sehr hochgestecktes Ziel tatsächlich in jedem Fall erreiche.
Manchmal ergaben sich auf dem Weg zu einem Ziel für mich ganz neue Gelegenheiten und Chancen. Hätte ich sie vorbeiziehen lassen sollen, weil sie nicht mit dem ursprünglichen Ziel korrespondierten?
Was werde ich in den nächsten Jahren tun? In den vergangenen Monaten habe ich mich sehr stark publizistisch engagiert und mehrere Male in der Woche politische Kommentare für Online-Medien wie den »European« geschrieben. Inzwischen hat sich die politische Stimmung in Deutschland verändert, und es ist nicht mehr so einfach, einen kämpferischen Nationalliberalen wie mich, dem die politische Korrektheit zuwider ist, in eine Rechtsaußen-Ecke zu stellen. Wie stark sich das Klima geändert hat, sehe ich auch daran, dass die schärfsten kritischen Online-Leserbriefe zu meinen Kommentaren nicht mehr von linken, sondern von sehr weit rechts stehenden Lesern kommen.
Zugleich habe ich im Oktober 2016 begonnen, als Akquisiteur für zwei führende Berliner Immobilienunternehmen zu arbeiten. Hier kann ich mein Wissen über Wohnimmobilien, mein Netzwerk und meine Freude an der Akquisition einbringen. Ein neues Unternehmen mit vielen Mitarbeitern wollte ich nicht mehr aufbauen. Andererseits wollte ich auch nicht als Angestellter arbeiten. Da schien es mir die beste Lösung, selbstständig für zwei Firmen in zentraler Funktion zu arbeiten.
Darüber hinaus veranstalte ich weiterhin meine Immobilienseminare in Berlin, Hamburg, München, Frankfurt und Düsseldorf und berate meine Exfirma. Es ist ein schönes Gefühl, dort auch heute noch gefragt zu sein – ich gebe dort beispielsweise Schulungen und berate meinen Nachfolger. Schließlich begann ich, mich noch einmal in das Thema meiner ersten Dissertation über Hitler einzuarbeiten, die 2017 neu aufgelegt wird und für die ich einen langen Essay schrieb, der die Forschungsdiskussion der vergangenen Jahrzehnte berücksichtigt.
All das bereitet mir große Freude. Aber ich hoffe, noch viele Jahrzehnte vor mir zu haben – wer weiß, was diese bringen werden und welche Ziele ich mir noch setze?
Es mag sein, dass ich mich in den kommenden Jahren entscheide, eine Familie zu gründen. Das hatte für mich bislang in meinem Leben keine Priorität – sonst hätte ich es ja längst getan. Die meisten Menschen gründen sehr viel früher eine Familie, aber meine
»Es-ist-nie-zu-spät-etwas-Neues-zu-beginnen«-Devise trifft auch auf diesen Lebensbereich zu.
Vor einigen Jahren habe ich in Singapur lange mit dem bekannten Investor Jim Rogers gesprochen, der viele Jahre um die ganze Welt reiste, Bücher schrieb und investierte. Er hatte deutlich jüngere Freundinnen, Kinder wollte er hingegen nicht. Mit Rogers, der mir als Nonkonformist ohnehin sehr sympathisch ist, konnte ich mich eher identifizieren als mit jemandem, der schon in jungen Jahren weiß, dass die Gründung einer Familie für ihn selbstverständlich ist. Umso wichtiger war für mich das Gespräch mit ihm zu diesem Thema:
Rogers, der inzwischen 75 Jahre alt ist, gründete mit 60 eine Familie und seine beiden Töchter sind für ihn heute das Wichtigste auf der Welt. »Früher wollte ich auf keinen Fall Kinder haben und ich bereue es nicht, mich erst spät dafür entschieden zu haben. Heute sind sie für mich der Mittelpunkt meines Lebens.« Ob das bei mir auch einmal so sein wird? Ich weiß es heute noch nicht.
Meine Ziele haben sich im Verlauf meines Lebens geändert, und ich empfände es als langweilig, wenn ich heute schon genau wüsste, welche Ziele ich mir in den kommenden Jahren und Jahrzehnten setzen werde.