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Sie heißt nicht Melusine
Der Tag endete damit, dass Tobias und Maja gemeinsam mit Frieda das neue Sofa in den zweiten Stock hochtrugen. Sie nahmen sogar das alte Möbel wieder mit hinunter.
»Wir müssen ja eh noch zum Wertstoffhof«, meinte Tobias, der Pragmatiker. »Wegen dem Fernseher.« Schnaufend hoben sie es um die letzte Ecke.
Maja versuchte, die Katze aus dem Regal zu locken, die sich vor dem ungewohnten Besuch auf eines der oberen Bretter geflüchtet hatte und sich partout nicht zeigen wollte.
»Es tut mir so leid«, sagte Frieda und meinte alles: die viele Mühe, das Geschleppe, die Unfreundlichkeit der Katze. Dass sie den beiden nicht einmal etwas anbieten konnte; und den Umstand, dass sie am Ende dieses Tages tatsächlich lieber endlich allein wäre. Sie war lange nicht mehr unter so vielen Menschen gewesen. Und dann gleich eine Begegnung mit der Vergangenheit. »Ich müsste euch eigentlich in drei Gängen bekochen«, sagte Frieda.
Die beiden winkten ab. Auf sie warteten noch Verpflichtungen. »Aber komm du bald wieder bei uns vorbei«, sagte Maja.
Frieda versprach es.
»Ich ruf dich an«, sagte Maja. Und wenn Maja das sagte, konnte man sich darauf verlassen, dass sie es tun würde.
Schon in der Tür, wandte sie sich noch einmal um. »Wie heißt sie eigentlich?«
»Wer?«, fragte Frieda verdutzt zurück, die sich innerlich bereits zu entspannen begonnen hatte.
»Na, deine Katze.« Maja warf einen letzten bedauernden Blick in Richtung des Regals. »Deinem Blog nach ist sie ja eine Schönheit.«
Frieda musste zugeben, dass die Katze keinen Namen hatte.
»Was?« Majas Augen wurden groß. »Keinen Namen? Du machst Scherze. Wie wäre es mit …?«
»Schatz!«, rief Tobias von unten. »Kommst du? Der Wertstoffhof hat nicht ewig auf.«
Maja warf Frieda eine Kusshand zu. Sie machte das Handzeichen für »Ich rufe an«. Und Frieda nickte.
»Kleopatra«, hörte sie Maja noch von der Treppe aus rufen. »Oder nein: Melusine.« Dann wieder Tobias’ Stimme und dann nichts mehr.
»Endlich«, rief Frieda aus und warf sich auf das neue Sofa. Es fühlte sich anders an.
Die Katze sprang mit einem lauten Propp aus dem Regal und lief zu ihr.
»Da bist du ja«, meinte Frieda. Sie legte sich probeweise lang hin. »Die Seitenlehnen haben genau die richtige Höhe, um beim Lesen bequem den Kopf abzustützen.« Sie machte es vor. »Jetzt bräuchte ich nur noch ein Buch.«
Stattdessen legte sich die Katze auf ihren Brustkorb und schnurrte.
»Auch gut.« Friedas Finger fanden in ihr Fell und begannen wie von selbst mit dem Streicheln. Ihre Erschöpfung wandelte sich in wohlige Müdigkeit. Frieda schloss die Augen und schlief ein. Sie träumte von einem großen Baum, durch dessen Laub das Sonnenlicht rauschte. Oder sie war der Baum. Oder das Rauschen. So genau ließ sich das in einem Traum nicht sagen.