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Einladungen sind die Hölle, oder?
Zu Hause wartete die Katze auf sie und strich ihr zur Begrüßung um die Beine. Frieda nahm sie hoch und kraulte sie, bis sie schnurrte, warf sie sich auf dem Weg durch die Wohnung über die Schulter und setzte sie dann auf dem Küchentisch ab. Frieda öffnete eine Dose für das Tier. Das war kein so poetischer Vorgang wie das Schälen eines Apfels, aber der bebende Schwanz der Katze, das drängende Maunzen und ungeduldige Stupsen gegen ihre Hand entschädigte für vieles.
»Guten Appetit«, sagte Frieda und stellte die Futterschüssel auf den Boden. Sich selbst genehmigte sie einen Wein.
In ihrem Postfach war eine Mail von Patrik Igel: Der Herbstkatalog von Stuhmpf stand bald an. Ob sie im Juni zur Verfügung stände, wollte der Salesmanager wissen. Zu ihrer Erleichterung kein weiteres privates Wort. Aber sie hatte den Auftrag nicht verloren. Nach kurzer Überlegung sagte Frieda zu; es würde sich gut mit den Arbeiten für das Museum und am Kinderbuch vereinbaren lassen. Sie hatte schließlich Tage zu füllen. Und ein lange vernachlässigtes Bankkonto. Laubbläser, las sie, während sie begann, ihre Antwort zu tippen, würden diesen Herbst im Mittelpunkt stehen.
»Laubbläser, stell dir vor«, sagte sie wenig später am Telefon zu Maja, die endlich ihre Drohung wahr gemacht und angerufen hatte.
»Sie sind die Hölle«, stimmte Maja ihr zu. »Wo ich früher wohnte, ging jeden Morgen um sieben einer los. Der Hausmeisterdienst blies täglich noch den winzigsten Krümel fort. Schlaf galt demgegenüber offenbar als zweitrangig.«
»Außerdem töten sie Insekten«, ergänzte Frieda lästerfroh. Sie rekelte sich in ihrem Drehstuhl. So entspannt würde sie mit dem Auftrag schon fertigwerden.
»Und«, fragte Maja. »Kommst du jetzt? Es wird Hase in Rotwein geben. Tobias’ Tribut an das vergangene Osterfest.«
»Ostern ist schon vorbei?«, fragte Frieda und lachte.
»Jetzt tu bloß nicht so, als würden deine Laubbläser dich so beschäftigen. Freitagabend. Ich dulde keine Widerrede.«
Frieda kapitulierte. Zwar dachte sie mit leisem Schaudern an die letzte Einladung, als die beiden versucht hatten, sie und Yvonne miteinander zu versöhnen. Tobias und Maja meinten es nun einmal furchtbar gut mit ihren Mitmenschen. Aber sie waren ihr auch eine Riesenhilfe gewesen bei der Bewältigung von Frau Singers Nachlass. Was hätte sie ohne die beiden gemacht! Kurz fielen ihr Majas ominöse Bemerkungen an jenem Tag ein: »Ein Kinderbuch, hast du das gehört, Schatz?« Tobias hatte es gehört, Frieda auch, aber sie konnte sich keinen Reim darauf machen. So war Maja nun mal; immer bildete sie sich ein, einen besser zu kennen als man selbst.
»Soll ich irgendetwas mitbringen?«, fragte sie. Wenn sie erst dort wäre, würde es ihr schon gefallen. O weh, das war auch immer so ein Spruch von ihrer Mutter gewesen. Er hatte sich nicht auf Männer bezogen wie der Spruch von wegen »einen backen«, sondern auf Kindergeburtstagseinladungen, vor denen Frieda eine Weile lang eine seltsame Scheu gehabt hatte. Hatte der Ratschlag sich eigentlich je als wahr erwiesen?
»Vielleicht hättest du das Telefonkabel durchbeißen sollen«, sagte sie zu der Katze.
Die ignorierte diesen kindischen Vorschlag mit angemessener Würde.