Boah – diese Mutti-Anrede ist wirklich der Gipfel der Unverschämtheit. Ich hätte momentan genug Wutpotenzial im Bauch, um all den Kerlen, die so daherreden, mal rechts und links ein paar zu knallen.
Aber apropos Mutti: Meine Tochter kommt zum Muttertag für ein paar Tage nach Hause.
Mutti freut sich. In diesem Zusammenhang ist die Anrede Mutti vollkommen in Ordnung. Meine Kinder dürfen mich so nennen. Das war’s dann aber auch. Finde es schon sehr seltsam, wenn Ehepartner sich Mutti und Vati rufen. Das hat so was Ungeschlechtliches. Asexuelles. Aber dass irgendwelche alten Kerle unsere Kanzlerin »Mutti« nennen, das geht nun wirklich zu weit. Nicht nur, weil viele der Männer weitaus älter sind als ihre vermeintliche »Mutti«.
Heute ein erneuter Unfall in meinem momentanen Zuhause. Der jugendliche Sohn des Liebsten hat sich beim gemeinsamen Joggen das Knie verletzt. So langsam habe ich das Gefühl, wir sind in Personalunion das Krankenhaus am Rande der Stadt. Gab es nicht mal eine Serie, die so hieß?[9]
Hier noch mal eine kleine Unfall-Chronologie der Ereignisse während des Lockdowns:
Fußzehenentzündung, Bandscheibenvorfall der Halswirbelsäule, Fleischwunde durch Tomatenmesser im Daumen, Fuß gezerrt, Kreislaufkollaps, Holzsplitter im Fingernagel, Hand in Gips nach Laufunfall, dadurch auch beide Knie komplett aufgeschürft und geprellt, ein bisschen Rücken, Erkältung mit kurzer Corona-Panik – und jetzt Knie des Fünfzehnjährigen, der sich inzwischen als 1-a-Krankenpfleger und Wundenverarzter qualifiziert hat. Dazu kann er wunderbar kochen, auch und vor allem vegetarisch, er kann kleine Arbeiten im Garten erledigen, und er hat bewiesen, dass er es wochenlang nur in Gesellschaft alter Menschen (mit seinem Vater und mir) aushalten kann. Mit anderen Worten: Er ist bereit für einen Job im Alten- und Pflegeheim. Als eine Art Altenanimateur. Hilfspflegekraft. Vielleicht für reiche Witwen, die sich freuen, einen so niedlichen jungen hübschen Kerl um sich zu haben. Das wäre auch aus monetärer Sicht erfreulich, denn was die Schule angeht, sehe ich eher schwarz. Der Einsatz in diesem Bereich hielt sich in stark überschaubaren Grenzen. Wir werden also sehen müssen, was wir mit der Generation der Corona-Schulkinder anfangen können.
Das Schöne am Tag? Die Vorfreude auf morgen. Da kommt der Gips ab. Und das Wissen darum, dass wir bald wieder einen großen Schritt Richtung Normalität machen werden. Ich sehe uns im Restaurant sitzen und Rote-Bete-Salat essen. Fast so, als wäre nie was gewesen. Juchhu!