Bin in die Stadt gefahren, um wieder so etwas wie Normalität in mein Leben zu lassen. Corona ausblenden ist leider nicht möglich. Nicht nur wegen der Masken im Straßenbild. In Frankfurt wird heute wie in vielen anderen Städten demonstriert. »Irre dieses Landes, vereinigt euch«, will man da rufen. Selten auf einer Demo so ein Potpourri an kruden Inhalten gefunden. 5G-Handynetz, Bill Gates, Impfpflicht, Zwangsimpfung, Meinungsfreiheit …
Dass all diese Menschen ihre Verrücktheiten so frei rausposaunen dürfen, geht eben nur in Ländern mit Pressefreiheit. Erstaunlicherweise sind die Prominasen, die sich auch in den sozialen Netzen mit Corona-Wirrkram profilieren, fast alles Männer. Attila Hildmann hat auf mich schon immer leicht ballaballa gewirkt, aber das, was er jetzt von sich gibt, schreit eigentlich: Bitte helft mir. Professionell.
Mir macht dieser Aufmarsch – so lächerlich die Thesen auch sein mögen – tatsächlich Angst. Menschen, die ich bisher für einigermaßen klar im Kopf gehalten habe, posten Videos dieser Corona-Leugner. Der Mensch scheint einfach gerne eine Erklärung zu haben. Irgendwas, woran er glauben kann. Er hält die Unsicherheit, das Nicht-genau-Wissen offenbar nicht aus. Ist froh um jede, wenn auch noch so bekloppte Erklärung.
Das ist ja vielleicht auch so eine dieser Kleinigkeiten, die uns viel mehr in Erinnerung bleiben werden als die großen Ereignisse: die Menschen, die sofort die Nerven verlieren, weil sie es nicht aushalten, einmal nicht schon Wochen im Voraus zu wissen, was passieren wird. Mit jedem, der da auf der Straße herumblökt, sehe ich auch Mallorca in immer weitere Ferne rücken. Von allen anderen Lockerungen ganz zu schweigen.
Süß übrigens die Sache mit deinem Vater. Hoffe, ich werde in seinem Alter auch noch gespannt sein auf die nächsten 20 Jahre – mindestens. Das ist – glaube ich – auch meine gute Nachricht des Tages. Zu wissen, dass da draußen noch Menschen sind wie Günther Kleis.