Susanne

Ich bin seit Langem mal wieder in meinem ursprünglichen Zuhause, meiner Meldeadresse, oben auf dem Berg im Taunus. Mein Liebster und ich haben für uns entschieden, dass der Lockdown zu Ende ist und ich auch wieder mal meine eigene Wohnung beziehen werde. Wenigstens tageweise.

Die Begrüßung fällt eher frostig aus. Es schneit nämlich ein wenig. Ja, ich weiß, du glaubst das immer nicht. Schließlich haben wir Mai. Also habe ich dir ein Beweisfoto geschickt. Auf das mit dem Beleg für deine Behauptung, dass ihr unten in der Stadt schon im Bikini auf dem Balkon liegt, warte ich allerdings noch.

Hier auf dem kargen Land merkt man nicht viel von Corona. Auch im Leben meiner Mutter hat sich kaum etwas verändert. Die monatliche Fußpflege fällt weg, das wöchentliche Bridgespiel und gelegentliche Ausflüge zu Freundinnen. Ansonsten ist alles wie immer. So hat alles seine Vorteile. Wo nicht viel ist, kann auch nicht viel fehlen.

Es ist seltsam, wieder zu Hause zu sein. Fast schon ungewohnt. Aber auf Dauer als Gast irgendwo zu leben, ist eben schwierig. Ich habe beim Liebsten kein eigenes Zimmer – und arbeite am Esstisch. Darüber war mein Rücken zeitweilig sehr beleidigt. Und auch, wenn ich erstaunt war, wie wenig Klamotten man eigentlich braucht und wie lange man mit dem Inhalt eines winzigen Köfferchens rumkommt – ist es auch mal wieder schön, aus dem textilen Vollen zu schöpfen.

Trotzdem: Ich vermisse das Zusammenleben jetzt schon ein bisschen. Und ich freue mich auf den nächsten Besuch bei meinem Freund und seinem Sohn. Wir planen ja außerdem, eine weitere Beziehungsstufe zu nehmen: einen gemeinsamen Urlaub. Drei herrliche Wochen auf meiner Lieblingsinsel. Okay, die gewöhnliche Beziehungs-Choreografie sieht ja eigentlich vor, erst der Urlaub, dann das Zusammenleben – aber ich glaube, in Zeiten wie diesen ist ja ohnehin kaum noch etwas »normal«. Und für mich fühlt es sich sowieso ganz richtig an.