Alltag mal fragil

Tag 32

Susanne

Was hebt meine Stimmung? Gute Frage!

Der Blick aufs Konto ist es jedenfalls nicht. Schon reichlich unerfreulich zurzeit. Die Ausgaben laufen weiter, die Einnahmen sind leider mehr als überschaubar. Ich will in dieser Hinsicht nicht jammern, aber die fehlenden Lesungen und Sendungen schmerzen schon. (Jetzt habe ich doch gejammert.)

Ich bin mit den kleinen Schritten der Lockerung genau wie du recht zufrieden. Immerhin.

Der Fünfzehnjährige hier war nach der Verkündung hingegen bedient. Schule für die Abschlussklassen in eineinhalb Wochen, hieß es erst und dann für Abschlussklassen und einen Teil der Grundschüler ab 4. Mai. »Was ist mit uns?«, hat er entsetzt gefragt. Den mittleren Klassenstufen ergeht es im Moment wie den mittleren Kindern, den sogenannten Sandwichkindern: Sie sitzen zwischen allen Stühlen – fliegen unter dem Aufmerksamkeitsradar. »Ihr werdet so lange zu Hause bleiben, dass ihr euch nach Corona untereinander nur noch am Geruch erkennt!«, flachse ich. Er findet die Bemerkung nur semiwitzig. Dass Schule je ein solcher Sehnsuchtsort werden könnte, wer hätte das noch vor zwei Monaten für möglich gehalten?

Immerhin: Datenanalysten sehen Deutschland als Vorbild im Kampf gegen Corona. Weltweit landet Deutschland auf Rang zwei hinter Israel, wenn es um die Sicherheit der Bevölkerung im Kampf gegen Corona geht. Europaweit liegen wir auf Platz eins. Wir sind, das kann man mit Fug und Recht behaupten: Corona-Streber. Spüre eine Form von Trittbrettfahrerstolz in mir. So als hätte das eigene Kind völlig überraschend eine Zwei plus geschrieben. Ja, ich weiß – bekloppt. Aber es ist ein gutes Gefühl, oben dabei zu sein und von allen Seiten mit Lob und Anerkennung überhäuft zu werden. Wenn man das sagt, wird man inzwischen oft verbal abgewatscht und als obrigkeitshöriges doofes Ding abgestempelt. Trotz internationalen Lobs mehren sich die Stimmen im Land, die sagen, wir wären Marionetten und ließen uns wie willenloses Vieh von der Regierung lenken. Einige gehen sogar noch erheblich weiter: Das alles sei eine gezielte Aktion, um unsere Freiheitsrechte massiv einzuschränken. Mit der Regierung halbwegs zufrieden zu sein, gibt einem in gewissen Kreisen den Status eines dummen Schafs. Einem, das brav hinter der Herde hertrottet, egal, wohin es geht. Klar weiß niemand, was das Virus angerichtet hätte, hätten wir nichts getan und einfach so weiter vor uns hin gelebt. Mit all den herrlichen Freizeitaktivitäten. Vieles an und um diese Krise ist nun mal sehr spekulativ. In einem Jahr werden wir mehr wissen, und dann kommen sicherlich viele um die Ecke, die sagen: Ich habe es ja gleich gewusst! Siehste.

Aber so lange finde ich unsere vergleichsweise geringen Todeszahlen sehr beruhigend. Immer, wenn ich einen Blick auf die Statistik werfe, bin ich ein bisschen froh.