Streichkonzert

Tag 42

Constanze

Und schon hast du mir ein Lächeln hingezaubert – bei der Aussicht auf Schampus im Park. Wie romantisch das klingt! Und es ist wunderbar, Pläne zu haben. Corona ist ja vor allem auch ein einziges Streichkonzert. Nicht so sehr bei mir, die ich ohnehin nie allzu viel und allzu lange im Voraus Urlaube plane und bislang nur auf eine Woche Griechenland verzichten musste (streng genommen würde ich gerade heute an einen der schönsten griechischen Strände überhaupt reisen …), aber bei meiner Schwester. Sie ist mittlerweile schon im dritten Urlaub, den sie nicht antreten konnte. Sie war also nicht in Rom. Nicht auf den Kanaren, und aktuell ist sie nicht in Kopenhagen. Statt uns zu fragen: »Wo bist du gerade?«, fragen wir uns jetzt: »Wo bist du gerade nicht?«

Dazu passt, was ich vorhin gesehen habe – und zwar das erste Mal überhaupt, weil es einfach so noch nie vorkam: Die Anzeigentafel an der Frankfurter Messe war leer. Dort, wo gewöhnlich die kommenden Veranstaltungen ganz groß angekündigt werden, stand NICHTS. Sah aus wie mein Terminkalender. Außer Geburtstagen gibt es so gut wie keine Eintragungen mehr. Das verführt dazu, gar nicht mehr reinzuschauen. Was aber auch tückisch ist. So hätte ich vorletzte Woche fast meinen MRT-Termin verpasst.

Geht vielen ähnlich. Meine Freundin schrieb mir gerade, dass sie aus dem Taunus in die Stadt gefahren war, weil sie einen Termin zur Zahnreinigung hatte. Der war aber gar nicht am Freitag. Und er ist auch nicht morgen, wie es in ihrem Terminkalender steht. Er war am Donnerstag. Ich sagte ihr, ich hätte fast den Eindruck, sie wolle einfach das Maximale aus dem bisschen Programm rausholen, das einem Corona noch gelassen hat.

Das Nichts-Vorhaben macht mich erstaunlicherweise fast so müde wie das ganze hektische Herumgerödel vor Corona. Zur Erschöpfung trägt definitiv das Hin und Her bei den Verhaltensmaßregeln bei. Dass man wochenlang erst angeblich gar keine Masken brauchte, jetzt aber ab morgen Maskenpflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln und Geschäften gilt, ist an sich schon erstaunlich. Gerade kam die Meldung, dass man diese Masken nicht – wie sonst immer vorgeschlagen – im Ofen bei 70 Grad desinfizieren kann. Würde gar nix bringen. Auch beim Waschen scheiden sich die Geister. Die einen sagen, 60 Grad killt das Böse – die anderen meinen, dass man dafür schon mindestens 90 Grad braucht. Und das sind nicht etwa Hausfrauentipps, sondern solche von Hygieneexperten mit einem »Prof.« vor dem Namen.

Ich meine: Wenn die sich nicht mal einig sind, wie sollen wir dann durchblicken? Die meisten, die ich im Bus sehe, versuchen es erst gar nicht und haben sich das Denken ganz erspart – sie tragen nämlich gar keine Maske. Ich tippe mal, dass da wenigstens die Hirnzellen ordentlich Abstand halten. Dürfte kein Problem sein, wenn man diesbezüglich einstellig sortiert ist. Wirklich: Die Leute tun so, als würde man von ihnen erwarten, sich einen Arm zu amputieren, bevor sie rausgehen.

Aber gut, ich wollte ja nicht mehr dauernd nur im Corona-Frust baden, sondern immer auch etwas Positives beitragen: Meine jüngste Nichte hat heute Geburtstag. Sie wird einundzwanzig Jahre alt. Mein Vater und ich haben sie in Finnland angerufen, wo sie und ihre Eltern ja leben, und ihr gratuliert. Sie war ganz fröhlich. Nicht nur wegen des Geburtstags, sondern auch, weil sie wieder in dem Café arbeiten kann, in dem sie jobbt. Es war schön, meinen Vater zu sehen, wie er sich über das Gespräch gefreut hat. Er hat mir auch ganz stolz die Karte gezeigt, die ihm seine älteste Enkelin, die in Göteborg lebt, einfach mal so zwischendurch geschickt hat. Es ist toll zu sehen, wie die Enkel ihren Opa lieben. Das rührt mich sehr.