Am Montag, dem 9. November, war die verwitwete Anna Scholz von ihrem Sohn Bruno gegen 9:00 Uhr morgens tot in ihrer Wohnung aufgefunden worden. Sehr schnell war klar, dass sie keines natürlichen Todes gestorben, sondern dass ihrem Ableben nachgeholfen worden war. Jemand hatte sie mit einer schweren Vase aus Bleikristall niedergeschlagen und dann erwürgt. Klarheit bestand auch dahingehend, dass es sich nicht um einen Raubmord handelte.
Makaber an der ganzen Sache war, dass Anna Scholz an diesem Tag ihren fünfundsiebzigsten Geburtstag feierte. Ihr Geburtstag war also auch ihr Sterbetag.
Hauptkommissar Walter Degenhart und Oberkommissar Karl Kutzer aus dem Kommissariat 1 bei der Kriminalpolizei Weiden wurden mit den Ermittlungen beauftragt. Zunächst einmal machten sich die beiden Beamten daran, die Ergebnisse der Spurensicherung in der Wohnung der Getöteten auszuwerten. Es gab natürlich eine Reihe von Fingerabdrücken sowie DNA-Resultate, aber keine dieser Spuren ließ einen Hinweis auf den Täter zu, denn sie stammten von der Getöteten selbst oder ihren nächsten Angehörigen, die regelmäßig in der Wohnung verkehrt waren.
Die Kommissare hatten auch mit einigen Nachbarn der Getöteten gesprochen, aber auch aus diesen Aussagen ergaben sich keine verwertbaren Hinweise. Fakt war, dass laut Gerichtsmedizin der Tod gegen 8:00 Uhr morgens eingetreten und dass Anna Scholz erwürgt worden war.
Degenhart und Kutzer standen im Moment also noch vor einem Rätsel. Sie befanden sich in Degenharts Büro, es war Freitag früh und gegen das Fenster prasselte Regen. Es war viel zu warm für die Jahreszeit, und wenn man den Meteorologen glauben durfte, dann war der Winter noch lange nicht in Sicht. Für die kommende Woche waren schon wieder Temperaturen im zweistelligen Bereich angesagt, der 20-Grad-Marke näher als der 10-Grad-Marke.
„Was wir wissen, ist gar nichts“, gab Hauptkommissar Degenhart zu verstehen und schaute etwas frustriert drein, vielleicht war es auch nur Ratlosigkeit, die seinen Blick beherrschte.
„Außer, dass die Getötete bei ihren Mitmenschen nicht gerade beliebt war“, wandte Oberkommissar Kutzer ein. „Den Bekundungen einiger Hausbewohner entsprechend war sie ziemlich rechthaberisch und unduldsam, aber auch missgünstig und neidisch. Sie hat sich selbst und ihre Familie für weitaus besser als den Rest der Welt gehalten.“
„Von dieser Spezies gibt es eine ganze Menge“, knurrte Degenhart. „Wenn man die alle wegen ihres Charakters umbringen würde, dann wären wir von der Polizei ganz schön gefordert. Aber es ist wohl so, dass das Motiv für die Gewalttat, der Anna Scholz zum Opfer fiel, in ihrem Verhalten ihren Mitmenschen gegenüber gesucht werden muss. Zu ihren Kindern scheint sie ja ein ganz passables Verhältnis gehabt zu haben. Ich schlage vor, dass wir uns mit ihrem Sohn Bruno unterhalten, der sie tot aufgefunden hat. Was meinst du?“
„Warum nicht? Irgendwo müssen wir ja versuchen, einen Ansatz zu finden. Also sprechen wir mit Bruno Scholz. Ich ruf ihn an, um zu sehen, ob wir ihn in seiner Wohnung erreichen.“
Karl Kutzer holte einen kleinformatigen Notizblock aus der Innentasche seiner Jacke, klappte ihn auf, fand die Telefonnummer von Bruno Scholz und griff nach Degenharts Telefon. Nachdem er die Nummer getippt hatte, musste er kurze Zeit warten, dann erklang eine Frauenstimme: „Hier bei Scholz. Sie sprechen mit Waltraud Scholz.“
„Oberkommissar Kutzer, Kripo Weiden“, stellte sich Karl Kutzer vor, hörte seine Gesprächspartnerin scharf die Luft durch die Nase ausstoßen und fügte hinzu: „Ist Ihr Mann zu Hause, Frau Scholz? Wir hätten gerne noch einmal mit ihm gesprochen.“
„Bruno ist noch nicht in der Lage, arbeiten zu gehen“, erklärte Waltraud Scholz. „Der Mord an seiner Mutter hat ihn ziemlich mitgenommen, er ist regelrecht traumatisiert. Ich weiß nicht, ob es gut ist, wenn Sie mit ihm über das Verbrechen sprechen.“
„Ihr Mann ist also zu Hause“, konstatierte Oberkommissar Kutzer, ohne zunächst ihren hintergründigen Einwand zu beachten. „Es wird sich nicht vermeiden lassen, dass wir ihm noch einige Fragen stellen, Frau Scholz. Natürlich werden wir dabei den schlechten Gesundheitszustand Ihres Gatten berücksichtigen. – Wir sind in ungefähr zwanzig Minuten bei Ihnen.“
Tatsächlich standen die beiden Kriminalbeamten nach einer guten Viertelstunde vor der Tür des Ehepaares Bruno und Waltraud Scholz. Bruno Scholz war ein mittelgroßer Mann von einundvierzig Jahren, etwas übergewichtig und mit lichten Haaren. Seine Frau war mindestens zehn Jahre älter, ihr Gesicht war bleich und sah ungesund teigig aus, ihre blassblauen Augen waren wässrig und der erste Eindruck Degenharts war der, dass diese Frau wahrscheinlich zu sehr dem Alkohol zusprach.
Während sich Bruno Scholz als die Unruhe in Person zeigte, schien seine Gattin den Besuch der beiden Kriminalpolizisten mit aller Gelassenheit hinzunehmen. Sie nahmen in dem etwas heruntergekommen wirkenden Wohnzimmer Platz und Degenhart heftete seinen Blick auf Bruno Scholz, der neben seiner Frau auf der Couch saß und nervös seine Hände knetete. „Sie haben Ihre Mutter tot in ihrer Wohnung aufgefunden, Herr Scholz“, begann Bruno Scholz. Er war Lagerarbeiter in einem hiesigen Baumarkt.
„Ja, ja, das ist richtig.“ Scholz schluckte würgend und wich dem Blick des Hauptkommissars aus. „Aber ich hab das doch alles schon Ihren Kollegen erzählt.“
„Das stimmt. Aber da mein Kollege Kutzer und ich mit den Ermittlungen beauftragt wurden, müssen wir sozusagen noch einmal bei Null beginnen. Darum bitte ich Sie, unsere Fragen umfassend zu beantworten.“
„Das sehe ich ein. Glauben Sie mir, es fällt mir schwer, darüber zu sprechen. Aber gut - ich hab meine Mutter gegen 8:00 Uhr angerufen, weil ich ihr zum Geburtstag gratulieren wollte, aber sie ging nicht ans Telefon. Mir war sofort klar, dass irgendetwas nicht stimmte, dachte aber gewiss nicht an Mord und Totschlag, mehr an einen Schwächeanfall oder eine Herzattacke. Wegen ihres Geburtstags hatte ich an diesem Tag Urlaub genommen, denn ich wollte den Nachmittag meiner Mutter widmen. Beunruhigt fuhr ich zu ihrer Wohnung. Auf mein Läuten hin öffnet niemand, sodass ich mich entschloss, in die Wohnung zu gehen. Sie müssen wissen, dass ich einen Schlüssel besitze. – Meine Mutter lag in der Küche auf dem Fußboden, unter ihrem Kopf hatte sich eine Blutlache gebildet. Ich verständigte sofort den Rettungsdienst und die Polizei, und dann versuchte ich, erste Hilfe zu leisten. Leider war meiner Mutter nicht mehr zu helfen. Sie war tot.“
Bruno Scholz hatte den Kopf gesenkt und starrte wie geistesabwesend auf die Tischplatte. Seine Mundwinkel zuckten, es war deutlich, dass ihn die Erinnerung zu übermannen drohte und dass er gegen die Tränen ankämpfte. Seine Frau saß mit unbewegtem Gesicht daneben und musterte ihn von der Seite. Degenhart konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass eine Art Geringschätzung, vielleicht sogar Verachtung in ihrem Blick zum Ausdruck kam.
„Ich kann verstehen, dass Sie der gewaltsame Tod Ihrer Mutter sehr getroffen hat“, murmelte der Hauptkommissar. „Ihr Verhältnis zu Ihrer Mutter war nicht schlecht. Das wissen wir von den Nachbarn Ihrer Mutter.“ Nun richtete Degenhart seinen Blick auf Waltraud Scholz, die ihn trotzig erwiderte. „Bei Ihnen sah das schon etwas anders aus, Frau Scholz“, gab der Hauptkommissar wider, was die bisherigen Ermittlungen ergeben hatten. „Ihre Schwiegermutter und Sie sollen sich nicht gerade geliebt haben.“
Jetzt verschloss sich das Gesicht von Waltraud Scholz geradezu, und in ihre Augen trat ein Glitzern, das der Hauptkommissar als gehässig einstufte. Sie stieß hervor: „Ich bin die zweite Frau von Bruno. Mit seiner ersten hat er drei Kinder, die meiner Schwiegermutter ziemlich ans Herz gewachsen waren. Seine geschiedene Frau verließ mit den Kindern Weiden und meine Schwiegermutter bekam ihre Enkel nur noch ganz selten zu sehen. Sie hat mir die Schuld daran gegeben. Auch hat sie es nie akzeptiert, dass Bruno mich, die ich elf Jahre älter bin als er, geheiratet hat. Aber als er damals aus dem Gefängnis entlassen wurde ...“
Geradezu erschreckt brach Waltraud Scholz ab, schaute ihren Mann an und zog den Kopf zwischen die Schultern, als duckte sie sich vor seinem wütenden Blick.
Hauptkommissar Degenhart entging keine dieser Reaktionen, und ihm blieb auch nicht verborgen, dass sich Bruno Scholz‘ Gesicht verfinstert hatte und er seine Frau mit einem Blick bedachte, der geradezu vernichtend war.
„Weswegen waren Sie inhaftiert?“, fragte Degenhardt an Bruno Scholz gewandt.
„Eine Dummheit, die ich zutiefst bereue, die meiner Jugend und meinem Leichtsinn aber auch dem schlechten Umgang, den ich pflegte, zuzuschreiben war. Wir haben einen Mann in seiner Wohnung überfallen, ihn niedergeschlagen und beraubt. Ich hab dafür fünf Jahre gesessen. Gleich nach meiner Verhaftung verließ mich meine erste Frau, Waltraud hingegen hielt in all den Jahren zu mir.“
„Sie beide kannten sich also schon vor Ihrer Inhaftierung“, mischte sich nun Oberkommissar Kutzer in die Befragung ein, und es war keine Frage sondern eine Feststellung.
„Ja“, antwortete Bruno Scholz. „Ihr damaliger Mann und ihr Bruder haben zusammen mit mir den Raubüberfall begangen. Ihr Mann, der noch unter Bewährung stand, wurde zu einer Gesamtstrafe von zehn Jahren verurteilt. Waltraud hat sich von ihm scheiden lassen. In der Zwischenzeit ist er an Lungenkrebs gestorben.“
„Wann wurden Sie aus dem Gefängnis entlassen?“, fragte Kutzer.
„Das ist über fünf Jahre her. Wie ich schon sagte, es war eine große Dummheit, ich bin vorher nie straffällig geworden und auch hinterher nicht mehr. - Es ist richtig, dass meine Mutter die Waltraud nie als ihre Schwiegertochter akzeptiert hat. Die beiden sprachen kein Wort miteinander, zu irgendwelchen familiären Festivitäten wurde Waltraud nie eingeladen.“
„Das heißt, dass Sie gewissermaßen zwischen zwei Feuern standen, Herr Scholz“, resümierte der Hauptkommissar. „Hat Ihre Mutter versucht, Sie gegen Ihre Frau einzunehmen?“
„Ich verstehe nicht ...“
„Ich meine, ob Ihre Mutter gegen Ihre Frau gehetzt hat“, präzisierte Degenhart seine Frage.
„Sie hat sich schon des Öfteren darüber ausgelassen, dass Waltraud nicht die richtige Frau für mich sei“, gab Bruno Schulz nach anfänglichem Zögern zu. „Ich habe derartige Gespräche immer versucht abzuwürgen, denn sie endeten meistens mit Streit und meine Mutter warf mich entweder aus der Wohnung oder ich verließ diese wutentbrannt von mir aus.“
„Ihre Mutter starb am Montag gegen 8:00 Uhr morgens. Waren Sie um diese Zeit zu Hause?“
„Natürlich! Das kann meine Frau bezeugen. Ich rief meine Mutter gegen 8:30 Uhr an, um ihr zum Geburtstag zu gratulieren. Als sie nicht abnahm, entschloss ich mich, zu ihr zu fahren.“
„Das heißt im Umkehrschluss, dass auch Sie sich am Montagmorgen um 8:00 Uhr hier in ihrer Wohnung befanden, Frau Scholz“, schloss Degenhart.
„Falls Sie mich oder meinen Mann in Verdacht haben, etwas mit dem Tod meiner Schwiegermutter zu tun zu haben, dann können Sie dies jetzt knicken, Herr Kommissar“, kam es mit ironischem Unterton über die Lippen von Waltraud Scholz. „Ich mochte meine Schwiegermutter nicht. Aber sie deswegen umzubringen – auf eine solche Idee wäre ich nie im Leben gekommen.“
Degenhart konzentrierte sich wieder auf Bruno Scholz und sagte: „Ihre Mutter war allgemein nicht recht beliebt. Zumindest ihre unmittelbaren Nachbarn wollten mir ihr nichts zu tun haben – weder im Guten noch im Bösen. Man hat uns erzählt, dass sie der Meinung war, über diesen Leuten zu stehen, außerdem soll sie missgünstig und neidisch gewesen sein.“
Es gab für den Hauptkommissar keinen Grund, damit hinter dem Berg zu halten. Er hatte einen Job zu erledigen und auf die Gefühle Einzelner konnte er nicht allzu viel Rücksicht nehmen. Immerhin galt es, ein Tötungsdelikt aufzuklären, wobei Degenhart auf keinen Fall von Mord sprechen wollte. Das Gesetz kannte im Hinblick darauf eine Reihe von Unterscheidungen.
Bruno Scholz ließ kurze Zeit verstreichen, in der er scheinbar seine Antwort formulierte. „Der gängige Spruch meiner Mutter war: ‚Wo ich scho hing’schiss’n hab, da hat der oder die noch niad amal hing’schmeckt‘“, murmelte er dann und fügte sogleich versonnen hinzu: „Es stimmt schon: Leicht war der Umgang mit meiner Mutter nicht. Die hat den anderen Leuten nix gegönnt, alles was andere gehabt haben hat sie schlecht g‘macht. Sie hat immer nur gedacht, wir sind wer. Vor allem auf den Erich war sie so stolz, weil es der zum Finanzobersekretär g‘bracht hat. Wenn ich bloß dran denk, wie meine Mutter über den Matheis her’zog’n ist. An dem hat’s ja kein gutes Haar g’lass’n.“
„Wer ist das?“, hakte Degenhart sofort nach.
„Martin Matheis. Der ist früher – da war er sechzehn oder siebzehn – mit meiner Schwester rumgezogen. Der Martin ist aufs Gymnasium gegangen und meiner Mutter wär er als Schwiegersohn schon recht gewesen. Als der Martin meine Schwester sausen ließ, war er bei meiner Mutter unten durch.“
„Es gibt einen Dr. Martin Matheis in Weiden“, warf Oberkommissar Kutzer ein. „Urologe ...“
„Ja, dös is er. Meine Schwester hat Jahre nach der Sache mit Martin den Ringer Franz g’heiratet, einen g‘lernten Schlosser, der als Handwerker natürlich nicht dem Niveau entsprach, das meine Mutter von ihrem Schwiegersohn erwartet hat. Der Martin wär’s aus ihrer Sicht schon gewesen – aber der hat ihr was gepfiffen. Sie hat einen regelrechten Hass auf ihn entwickelt, und wo’s a Möglichkeit g’funden hat, hat’s ihn schlecht g’macht.“
„Hat das der Doktor Matheis gewusst?“, erkundigte sich Degenhart.
„Ja, freilich, soweit ich weiß, hat der Martin meine Mutter sogar vor drei oder vier Wochen angerufen und sie aufgefordert, es zu unterlassen, seinen Ruf zu schädigen.“
„War das alles?“, fragte der Hauptkommissar.
„Wie meinen Sie denn das?“
„Hat Doktor Matheis Ihrer Mutter irgendwelche Konsequenzen angedroht?“
„Konsequenzen – nicht direkt. Meine Schwester hat mir lediglich erzählt, dass der Martin g‘sagt hat, dass er sich das nicht länger g‘fallen lässt und dass es gewaltig raucht, wenn sie damit nicht aufhört.“
„Wie hat Ihre Mutter darauf reagiert?“
„Sie soll getobt haben. Und da meine Mutter über ein ziemliches Repertoire an Kraftausdrücken verfügte, kann ich mir schon vorstellen, dass der Martin von ihr alle Namen erhielt nur nicht seinen eigenen.“
„Wenn Ihre Mutter sich für jemand Besseren hielt“, stieß Oberkommissar Kutzer hervor, „dann passt aber das Vokabular, das sie sich zugelegt zu haben schien, nicht – ganz und gar nicht zu dieser Selbsteinschätzung.“
„Meine Schwiegermutter war früher Arbeiterin in einer Porzellanfabrik hier in Weiden“, mischte sich Waltraud Scholz ein. „In dieser Umgebung ist der Umgangston oft nicht gerade gepflegt. Meine Schwiegermutter konnte ausgesprochen unverschämt und ordinär werden.“
„Ihr Vater ist vor über dreißig Jahren gestorben“, brachte sich wieder der Hauptkommissar ins Gespräch ein, und er hatte sich dabei Bruno Scholz zugewandt. „Wir wissen, dass Ihre Mutter die Wohnung in der Humboldtstraße gekauft und längst abbezahlt hat. Hat Ihr Vater ihr so viel Geld hinterlassen, oder wie sonst konnte sie sich eine Dreizimmer-Eigentumswohnung leisten?“
„Meine Mutter hatte einen Hausfreund. Der ist dreizehn Jahre jünger als sie, war aber Berufssoldat, und zwar Offizier, und – ich weiß das zwar nicht genau –, er hat wahrscheinlich meiner Mutter Geld zugesteckt.“
Die Kommissare wechselten einen schnellen, vielsagenden Blick, und Degenhart sagte: „Ach, wie interessant. Von diesem Hausfreund hatten wir bisher nicht die Spur einer Ahnung.“
„Aus diesem Verhältnis sind wir nie so richtig schlau geworden“, gab Waltraud Scholz zu verstehen. „Keiner in der ganzen Familie kann sich vorstellen, dass da auf sexuellem Gebiet irgendetwas lief. Jeder war davon überzeugt, dass der Trummer einen Mutterersatz suchte. Vielleicht leidet er auch an einem Ödipuskomplex. Wer weiß ...“
„Trummer ist wohl sein Name?“, hakte Degenhardt nach.
„Ja, Jakob Trummer. Er ist zweiundsechzig Jahre alt und war Major bei der Bundeswehr. Ich glaube, der hat vor meiner Schwiegermutter nie eine Frau gehabt. Irgendetwas stimmt mit dem nicht.“
„Mach jetzt den Jakob nicht schlecht!“, fuhr Bruno Scholz seine Frau an, und in seinen Augen blitzte es ärgerlich.
„Darf man die Anschrift von Herrn Trummer erfahren?“, fragte der Hauptkommissar.
Erich Scholz nannte sie ihm. Jakob Trummer wohnte nicht weit von der ermordeten Anna Scholz entfernt.
Für den Moment hatten die beiden Kommissare keine weiteren Fragen, sodass sie sich verabschiedeten. Sie beschlossen, zuerst Jakob Trummer und danach Dr. Martin Matheis einen Besuch abzustatten.