Ein greller Blitz zerfetzte die dunkle Nacht, und der Donner, der gleich darauf folgte, war so ohrenbetäubend laut, dass Bärbel Linner heftig zusammenzuckte und sich Schutz suchend an ihren Liebsten schmiegte.
"Hast du Angst?", fragte Hubert Finkbach. Der große, starke, hübsche Polizist befand sich in ihrer Kammer. Sie lagen im Bett, zugedeckt mit einer dicken Daunenbettdecke.
"Nicht, wenn du bei mir bist", flüsterte die junge Magd.
Hubert gab ihr einen Kuss. Seine Lippen waren warm und weich. "Ich hab dich ganz schrecklich gern, Bärbel", sagte er.
Sie drückte ihn innig. "Ich dich auch."
"Auf dem Kirchweihfest werde ich nur mit dir tanzen", kündigte er an. "Kein anderes Madl werde ich anschauen."
Bärbel lachte leise. "Das möchte ich dir auch nicht raten. Ich bin nämlich ziemlich eifersüchtig, und ein Bursch, der's mit der Treue nicht genau nimmt, ist nix für mich."
Sie lauschten dem heftig rauschenden Regen. Schwer prasselten die Wassermassen auf das Dach des großen Bauernhauses.
"Wie das schüttet", sagte Hubert. Sein Arm lag um Bärbels nackte Schultern. Sie sollte sich bei ihm sicher und geborgen fühlen.
"Man könnte meinen, es ist die Sintflut", sagte sie gepresst.
Hubert schaute besorgt zum Fenster. "Hoffentlich geht der Lammerbach nicht über."
Wieder blitzte und donnerte es fast gleichzeitig.
"Das Gewitter befindet sich genau über unserm Dorf", stellte Bärbel heiser fest. Sie nagte an ihrer Unterlippe, konnte sich nicht erinnern, dass ein Gewitter jemals so heftig gewesen war.
"Es wird bald weiterziehen", beruhigte Hubert sie.
"Das hoffe ich." Bärbel zog die große Tuchent fröstelnd über ihre Schulter. "Wenn die Naturgewalten so wild toben, merkt man erst, wie klein und hilflos der Mensch eigentlich ist." Der nächste Blitz flammte auf. Taghell war es für Sekundenbruchteile in Bärbels kleiner Kammer. Ein Zischen und Fauchen war zu hören, und der gewaltige Donnerschlag ließ das alte Haus so sehr erbeben, dass Bärbel erschrocken "Heilige Muttergottes!" ausrief.
"Jetzt hat der Blitz irgendwo eingeschlagen", sagte Hubert, sprang aus dem Bett und eilte zum Fenster. Er konnte nichts sehen. Der Regen war zu dicht. Es schüttete wie aus riesigen Bottichen. Unruhe im Haus... Laute Stimmen... Trampelnde Schritte... Aufgeregte Rufe... Eine Faust schlug gegen Bärbels Tür. Die Magd hielt unwillkürlich den Atem an.
"Bärbel!" Das war der Liebherr-Bauer. Sie war bei ihm im Dienst.
"Ja?", antwortete sie mit belegter Stimme.
"Der Blitz hat die alte Linde vor der Kirche getroffen, hat ihr einen dicken Ast abgerissen!", rief Balthasar Liebherr. "Und der Lammerbach steigt und steigt... Er wird aus den Ufern treten... Das Vieh vom Horninger-Franz ist in Gefahr... Wir müssen helfen... Kommst du?"
"Ja! Sofort!"
Der reiche Liebherr-Bauer und sein Nachbar waren sich nicht immer grün. Manchmal stritten sie im Wirtshaus, dass die Fetzen flogen, aber in Notfällen waren sie füreinander da. Bärbel verließ hastig ihr Bett und zog sich an. Draußen polterten schwere Schuhe die Holztreppe hinunter.
Der Jungbauer klopfte an die Tür der Magd. "Bärbel?"
"Ich komme!" Sie zog Gummistiefel und Regenmantel an und wandte sich an Hubert. Da es dem Liebherr-Bauern nicht gefallen hätte, dass seine Magd in seinem Haus mit einem Mann zusammen war, sagte sie leise: "Ich gehe jetzt. Warte kurz, und pass auf, dass dich keiner aus meiner Kammer kommen sieht."
Hubert Finkbach zog unwillig die Augenbrauen zusammen. "Ich hasse es, mich zu verstecken."
"Bitte." Sie streichelte seine Wange. "Sei gescheit. Ich möchte keinen Ärger haben."
"Das ganze Dorf weiß, dass wir ein Paar sind."
"Dagegen hat der Liebherr-Bauer auch nichts", sagte Bärbel. "Er will nur nicht... Du weißt schon." Sie küsste ihn ganz schnell auf den Mund und lief dann zur Tür.