Horst Wollinger kam seit zehn Jahren nach Sonnleiten, um hier einen erholsamen Urlaub auf dem Bauernhof zu verbringen. Er kannte die Gegend wie seine Westentasche - den Bärengraben, den Gemsensteig, die Rosenklamm... -, machte ganz allein ausgedehnte Wanderungen und Klettertouren und genoss es, mit der Natur im Einklang zu sein.
Ihm gehörte eine profitable Boutiquenkette. Er hätte sich das teuerste Hotel im nobelsten Kurort leisten können, aber es zog ihn Jahr für Jahr ins kleine Sonnleiten, wo er zwei unbeschwerte Wochen beim Liebherr-Bauern verbrachte.
Bärbel mochte den drahtigen Mittvierziger nicht. Nicht, weil er eine Glatze hatte und eine dicke Brille trug, sondern weil er sie fortwährend mit schlüpfrigen Bemerkungen in Verlegenheit bringen wollte.
Nach dem Mittagessen hatte die Müdigkeit sie übermannt. Sie hatte sich hingelegt und war sofort eingeschlafen, und als sie nach zwei Stunden aufwachte, fuhr ihr ein eisiger Schock in die Glieder, denn Horst Wollinger stand mitten in ihrer Kammer.
"Herr Wollinger, was..."
Er grinste. "Du bist wunderschön, wenn du schläfst."
Sie zog die Daunendecke ans Kinn. "Wie lange sind Sie schon hier?"
Er zuckte mit den Achseln. "Ein paar Minuten."
"Wieso..."
"Die Tür war offen", behauptete er.
"Das glaube ich nicht."
"Hältst du mich für einen Lügner?"
Bärbels Herz klopfte heftig. Sie war wütend. Was fiel diesem unverschämten Kerl ein? Was erhoffte er sich von ihr? "Bitte gehen Sie", krächzte sie.
"Was hättest du getan, wenn ich dich wach geküsst hätte?", wollte er wissen. Er leckte sich die Lippen. Sie glänzten feucht.
"Bitte verlassen Sie meine Kammer, Herr Wollinger", sagte Bärbel mit Nachdruck.
"Du hast im Schlaf so selig gelächelt. Wovon hast du geträumt?", wollte er wissen. "Warst du im Traum etwa schlimm?" Er kam langsam näher. "Hast du etwas Unanständiges getan? Hm? Du kannst es mir ruhig anvertrauen." Er erreichte das Fußende ihres Bettes, ging weiter. "Ich werde dich ganz bestimmt nicht verraten. Ich bin dein Freund, Bärbel. Ich mag dich. Du gefällst mir. Bist ein hübsches Madl, bei dem ein Mann leicht den Kopf verlieren kann." Er stand jetzt direkt neben ihr, beugte sich vor. "Wenn du ein bisschen nett zu mir bist, kauf' ich dir nachher was Schönes. Na? Ist das ein Angebot?"
Er streckte die Hand aus, griff nach der Tuchent und deckte die Magd mit einem schnellen Ruck ab. Bärbel schrie auf, zog die Beine an und stieß sie gegen Wollingers Brust.
Er flog gegen die Wand. Bärbel sprang aus dem Bett. Sie wollte im Unterkleid aus der Kammer fliehen, doch Wollinger fing sie lachend ab.
"Kleine Wildkatze!" Seine Arme lagen wie Eisenklammern um ihren Körper. Bärbel setzte ihre ganze Kraft ein, um freizukommen. Wollinger lachte. "Das gefällt mir. Ja, das gefällt mir."
Er versuchte sie zu küssen. Sie presste die Lippen fest zusammen und drehte den Kopf wütend hin und her. Dem Mann aus der Stadt machte das großen Spaß.
Er lachte kehlig, lachte, lachte - bis sie ihr Knie hochriss und schmerzhaft traf. Dann lachte er nicht mehr. Er ließ sie los, krümmte sich, röchelte, torkelte zur Tür und verließ Bärbels Kammer - grün im Gesicht.