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„Es kann losgehen, Doktor Riedinger“, sagte Jochen und lächelte tapfer. „Das Schmerzmittel wirkt bereits.“ Er zeigte auf eine handbemalte Bauernkommode. „Bring mir die Obstler-Flasche.“

Marcel runzelte die Stirn. „Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist.“

„Habe ich dich um deine Meinung gefragt?“, blaffte Jochen.

Marcel wackelte bedenklich mit dem Kopf. „Alkohol und Tabletten... Das verträgt sich nicht.“

„Her mit der Pulle. Oder muss ich sie mir selbst holen?“

„Du bist sehr unvernünftig“, sagte Marcel vorwurfsvoll. Aber er holte die Flasche und Jochen nahm einen kräftigen Schluck vom hochprozentigen Klaren. „Trink auch was, damit beim Operieren deine Hand nicht zittert.“

Marcel machte einen kleinen Schluck. Sein Bruder legte sich bäuchlings auf den großen Tisch, umklammerte den Rand der Platte mit den Händen und forderte Marcel auf, ihm die verfluchte Kugel aus dem Fleisch zu schneiden.

Marcel desinfizierte eine spitze Pinzette und ein schlankes Messer mithilfe des Obstlers. Sein Herzschlag beschleunigte. In seinem Bauch rumorte es. Er hatte so etwas noch nie gemacht, durfte sich keinen Fehler erlauben. Er war sauer auf Jochen, weil er ihm das zumutete. Wenn das schiefging... Er wollte lieber nicht daran denken.

„Worauf wartest du?“, fragte Jochen ungeduldig. „Auf eine schriftliche Einladung?“

„Ich kann für nichts garantieren.“

„Verlangt ja auch keiner“, sagte Jochen mürrisch. „Nun mach schon. Wenn die Wirkung des Schmerzmittels nachlässt, muss die Kugel draußen sein.“

Marcel holte tief Luft und setzte das Messer an.