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Jochen Riedingers Fieber stieg und stieg, aber er blieb dabei: „Das wird schon wieder... Alles im grünen Bereich... Mach dir keinen Kopf, Marcel... Sieh nach, was der Notfallkasten hergibt. Vielleicht findest du irgendetwas Fieber senkendes.“

Marcel fand nichts, und von den schmerzstillenden Pillen war auch nichts mehr da. Langsam wird’s eng, dachte er. Aber mein irrer Bruder will es nicht wahrhaben. Der ist ja Superman persönlich. Dem kann nichts passieren. Ein bisschen mehr Realitätssinn würde dir mit Sicherheit nicht schaden, Jochen Riedinger.

„Wenn wir das hinter uns haben...“, begann der Fiebernde, dessen Augen wie Glaskugeln glänzten. „Weißt du, was ich dann mache, Marcel?“

„Was?“

„Ich rufe Beatrix an.“

„Beatrix?“

„Wieso wundert dich das?“, fragte Jochen.

„Sie hat dich abserviert, hat mit dir Schluss gemacht, will nichts mehr von dir wissen.“

Jochen schüttelte ernst den Kopf. „Es ist erst aus, wenn ich sage, dass es aus ist. Ich akzeptiere ihre Entscheidung nicht. Sie hat sie viel zu emotional getroffen.“

„Sie ist jetzt mit Alois Merzendorfer zusammen.“

„Nur aus Trotz. Alois ist ein Vollpfosten. Der passt doch überhaupt nicht zu ihr. Ich werde sie anrufen und ihr das klipp und klar sagen.“

„Ach, und du meinst, sie wird dir das glauben.“

Jochen nickte überzeugt. „Das wird sie, weil sie tief in ihrem Innern nämlich ganz genau weiß, dass wir füreinander bestimmt sind.“

„Das bildest du dir ein...“

„Es ist so. Da fährt die Eisenbahn drüber.“

Marcel winkte ab. „Ja, ja, schon gut. Träum weiter.“

„Ich hab ja jetzt Geld“, sagte Jochen. „Ich werde mit Beatrix einen wunderschönen Urlaub machen... Malediven... Seychellen... Mauritius... Hawaii... Sie darf es sich aussuchen. Und wenn wir zurückkommen, werden wir wieder ein Herz und eine Seele sein. Unzertrennlich. Beatrix ist die einzige Frau auf der Welt, mit der ich alt werden möchte.“

„Du bist noch nicht einmal zwanzig.“

„Na und? Dem einen begegnet seine Traumfrau früher, dem andern später – und vielen gar nicht.“

Marcel schloss den Mund und schwieg.