Den Riedinger-Brüdern stand zwar kein Fiebermesser zur Verfügung, aber Marcel wusste auch so, dass die Temperatur seines Bruders schon sehr, sehr hoch war. Wahrscheinlich weit über vierzig, einundvierzig Grad. Jochen glühte wie ein Ofen und sein Gesicht war schweißnass.
„Von wegen das wird schon wieder“, murmelte Marcel mit sorgenvoller Miene. „Nichts wird. Gar nichts. Schlimmer wird’s...“
„Mir ist kalt“, flüsterte Jochen.
Marcel breitete eine zweite Wolldecke über ihn.
„So kalt. So kalt. So kalt.“ Jochen hatte einen heftigen Schüttelfrost. Er klapperte mit den Zähnen. „Kalt...“
„Mehr kann ich nicht tun“, sagte Marcel hilflos.
„Kalt...“
Marcel wusch dem Bruder mit einem nassen Tuch den Schweiß vom Gesicht und gab ihm zu trinken. Wasser. Keinen Schnaps. Jochen verlangte auch gar keinen mehr.
„Lange schaue ich mir das nicht mehr an“, sagte Marcel beunruhigt. „Dann muss etwas geschehen.“
„Du darfst ohne mein Einverständnis nichts tun“, bibberte Jochen.
„Ich werde dich nicht fragen“, gab Marcel finster zurück. „Wenn es dir nicht bald besser geht, wenn das Fieber nicht zurückgeht, schwinge ich mich auf meine Honda, fahre nach Sonnleiten und komme mit dem Doktor wieder.“
„Denk an das Geld.“
Marcel machte eine wegwerfende Handbewegung. „Ach was...“
„Wir brauchen es.“
„Was für einen Wert hat es für dich noch, wenn du tot bist? Kannst du mir das erklären?“
„Ich komme wieder auf die Beine“, sagte Jochen mit störrischer Zuversicht. „Aber du musst mir versprechen, dass du nichts Unüberlegtes tust. Versprich es mir. Bitte.“
„Na schön, ich verspreche es“, sagte Marcel, aber er wusste, dass er sich nicht daran halten würde, wenn er sah, dass Jochen ohne ärztliche Hilfe nicht am Leben bleiben würde.