Zur selben Zeit sagte Florian Salmhofer zu der Witwe Muxenhuber: "Hast ein bissel Zeit für mich, Loni?" Er rieb sich fortwährend die feuchten Handflächen am Hosenboden trocken.
"Was gibt's denn, Florian?", fragte die Muxenhuber-Loni. Sie war gerade beim Kartoffelschälen. Der Salmhofer-Florian tänzelte, als müsse er aufs Klo. "Was bist denn so nervös?", fragte Loni belustigt. "Hast vielleicht was angestellt?"
Er lachte. "Was sollt' ich denn angestellt haben?"
"Ich weiß es nicht."
Er rieb seine Hände jetzt aneinander, als würde er sie waschen. "Sicher ist der Zeitpunkt nicht ideal gewählt...", meinte er gedehnt. "Besser wär's gewesen, damit bis zum Abend zu warten, aber so lange halte ich es nicht aus. Ich muss es jetzt loswerden. Jetzt gleich."
"So?" Loni legte den Kartoffelschäler beiseite und trocknete ihre Hände mit dem karierten Geschirrtuch ab. "Und was musst unbedingt so schnell loswerden, hm?"
Er räusperte sich und deutete auf die Küchenbank. "Magst dich nicht setzen?"
"Ist es so etwas Schlimmes, das du mir sagen möchtest?", erkundigte sich die Witwe.
"Gar nichts Schlimmes ist es", antwortete Florian kopfschüttelnd. "Aber - aber umhauen könnt's dich doch."
Loni setzte sich und sah ihn erwartungsvoll an. Er begann vor ihr hin und her zu gehen. Sie schmunzelte. "Wird das heute noch was?"
Er wischte sich mit einer fahrigen Handbewegung über die Augen. "Bitte dräng mich nicht. Es fällt mir so schon schwer genug, die richtigen Worte zu finden."
"Wenn du mir sagst, worum es geht, kann ich dir vielleicht helfen", bot die Witwe ihm an.
"Es geht um uns", weihte Florian sie ein.
"Aha."
"Um dich und mich."
"Aha", sagte Loni noch einmal.
"Loni..." Er blieb stehen. "Ich hab nachgedacht - über dich und mich..." Er steckte die Hände in die Hosentaschen. "Wir verstehen uns so gut..."
"Ja, das tun wir", bestätigte sie.
Er zog die Hände wieder aus den Taschen und faltete sie, als wollte er beten. "Du hast mich gern..."
"Ja, das hab ich", nickte sie.
"Und ich hab dich gern."
Sie lächelte. "Das hoffe ich."
"Wir leben unter einem Dach wie - wie Mann und Frau, sind glücklich miteinander. Ich mag mir ein Leben ohne dich nicht mehr vorstellen, und ich meine, dir geht es mit mir genauso. Ich bin ehrlich und arbeitsam, möchte in Sonnleiten bleiben, möchte ein echter Sonnleitener werden - einer, den alle mögen und als ihren Freund betrachten..."
"Das schaffst du bestimmt", sagte Loni überzeugt.
"Ich werd' mir Arbeit suchen - irgendetwas. Ich bin nicht wählerisch. Wo immer man mich hinstellt, pack' ich tüchtig zu. Ich bin kräftig, werd' nicht so schnell müde und bin mir für keine Arbeit zu gut."
"Und die Arbeit bei mir?"
"Die mach' ich nebenbei", sagte Florian. "Ich möchte Geld verdienen."
"Reicht dir nicht, was ich dir gebe? Mehr kann ich leider nicht entbehren."
"Ein Mann muss sein eigenes Geld haben - und es muss so viel sein, dass er eine Frau ernähren kann", erklärte Florian. "Verstehst, was ich sagen will, Loni? Ich will sagen..." Hände in die Hosentaschen. "Wenn zwei sich so gut verstehen wie wir... Wenn zwei so gut zusammenpassen wie wir, dann sollten sie - dann sollten sie..." Hände raus aus den Hosentaschen. "Herrgott, ich hätte nicht gedacht, dass es so schwierig ist, seiner Liebsten einen - einen Heiratsantrag zu machen."
Loni sah ihn verblüfft an. "Einen was?"
"Heiraten möcht' ich dich, Loni Muxenhuber!", platzte es aus ihm heraus. "Ich habe in diesen Dingen keine Übung - im Heiratsantrag machen, meine ich...", sagte er unbeholfen. "Aber ich verspreche dir, dich zu lieben - und zu ehren - und dir treu zu sein - und..."
Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Sie lächelte gerührt und klopfte mit der flachen Hand neben sich auf die Bank. "Komm, Florian", sagte sie sanft. "Setz dich zu mir."
Er nahm Platz.
"Dein Antrag ehrt mich", sagte Loni, "und er macht mir große Freude..."
Er betrachtete sie erwartungsvoll. "Nimmst ihn an?"
"Du bist ein guter Mensch, ein liebenswerter Mann..."
"Ich verspreche dir, dich glücklich zu machen, Loni."
"Ich bin glücklich mit dir, Florian", versicherte sie ihm. "Ich habe nicht damit gerechnet, dass mir noch einmal so großes Glück widerfahren würde, nachdem... Der Himmel meint es gut mit mir, und ich bin ihm unendlich dankbar dafür..."
Er griff nach ihren Händen. "Wann gehen wir zum Pfarrer?"
Sie entzog ihm ihre Hände ganz behutsam. "Florian, ich... Du bist so lieb, so nett, ich möchte dir nicht weh tun..."
"Weh tun?" Er sah sie irritiert an. "Was - was willst du damit sagen? Dass du nicht meine Frau werden möchtest?" Er hatte nicht damit gerechnet, dass sie ihm einen Korb geben würde, war völlig durcheinander. "Aber... Aber..." Er wusste nicht, was er sagen sollte.
Die Witwe streichelte liebevoll seine glattrasierte Wange. "Schau", sagte sie zärtlich, "wir brauchen doch keinen Trauschein, um glücklich zu sein."
"Anständige Menschen sollten anständige Beziehungen haben."
"Es ist nicht unanständig, nicht verheiratet zu sein", gab sie zurück.
"Ich hätte gern, dass du meinen Namen trägst", sagte Florian. "Loni Salmhofer." Er hob die Hand und tat so, als könne er den Namen als Leuchtschrift in der Küche schweben sehen.
Die Witwe seufzte, holte ein Taschentuch aus ihrer Schürze und putzte sich geräuschvoll die Nase. "Ach, Florian, Florian..."
"Warum magst mich nicht heiraten?", fragte er verständnislos. "Sag mir den Grund, Loni. Dein Mann ist seit zwei Jahren tot. Jeder vernünftige Mensch kann verstehen, dass du nicht für den Rest deines Lebens allein bleiben möchtest. Unser Herrgott hat dir einen Mann genommen und einen andern gegeben."
"Dafür danke ich ihm von ganzem Herzen", sagte die Witwe ernst, "aber ich möchte mit dir nicht vor den Traualtar treten."
Er schluckte. "Bin ich dir nicht gut genug?" Seine Stimme klang gedrückt.
Loni schüttelte den Kopf. "Darum geht es nicht."
"Worum geht es dann? Stört es dich, dass ich als Landstreicher nach Sonnleiten gekommen bin?"
"Nein." Sie küsste ihn. "Nein, Florian."
"Dann erklär mir doch, bitte..."
"Warum können wir nicht alles so lassen, wie es ist?", fragte Loni.
"Weil das so aussieht, als wollte ich mich vor der Verantwortung drücken."
"Ich weiß, dass du das nicht tust", sagte Loni Muxenhuber. "Ich weiß, dass du ein anständiger, verantwortungsbewusster Mensch bist. Du brauchst mich nicht zu heiraten, um es allen Sonnleitenern zu beweisen."
"Ich möchte es aber."
"Jeder im Dorf ist davon überzeugt, dass du ein charaktervoller, ehrlicher, rechtschaffener Mann bist, Florian Salmhofer", sagte die Witwe. "Ich habe noch niemanden schlecht über dich reden hören..."
Er fuhr sich mit dem Finger in den engen Hemdkragen. "Du hast mir noch keinen Grund für deine Ablehnung genannt. Bin ich dir als Ehemann zu jung?"
"Nein", antwortete Loni Muxenhuber aufrichtig, "aber ich fühle mich als Ehefrau für dich zu alt."
"Du bist wunderschön und begehrenswert."
"Ja, heute gefalle ich dir noch, aber die Zeit bleibt nicht stehen - und sie ist grausam. Wenn du so alt bist, wie ich heute bin, bin ich fünfundsechzig. Soll der Trauschein dich an eine alte, verwelkte Frau binden?"
Florian schüttelte trotzig den Kopf. "Für mich wirst du nicht altern. Für mich wirst du immer so aussehen wie heute."
Loni lächelte mild. "Das sagst du jetzt, und ich bin sicher, dass du das auch so meinst, aber in zehn, zwanzig Jahren... Leben ist Veränderung. Man ändert im Laufe der Zeit seine Ansichten und seine Meinung..."
"Ich nicht", behauptete Florian.
"Auch du wirst dann anders denken."
"Aber nicht über dich."
Loni küsste ihn wieder. Ihr Gesicht blieb dem seinen ganz nahe. Sie schaute ihm tief in die Augen und flüsterte: "Bleib bei mir, Florian Salmhofer. Liebe mich. Mach mich glücklich. Lass uns unsere Liebe genießen, solange sie dauert, und wenn es vorbei ist..."
"Es wird nie vor..."
Sie legte ihm die Hand auf den Mund. "Wenn es vorbei ist, werde ich dankbar auf die wunderbare Zeit zurückblicken, die ich mit dir verbringen durfte, und ich werde überhaupt nicht traurig sein."
Er umarmte sie, drückte sie ganz fest an sich und küsste sie mit der stürmischen Leidenschaft seiner Jugend.