Obwohl Jochen Riedingers Husten schlimmer wurde, behauptete er, es bestehe kein Grund zur Sorge. „Ich werde das in einer schönen, warmen Gegend auskurieren“, sagte er. „Hier oben herrscht offenbar ein Reizklima, das mir nicht gut tut.“
„Also ich wäre dafür, dass wir von hier verschwinden.“
„Morgen. Wir verlassen morgen unser Versteck, okay?“, meinte Jochen. „Mittlerweile ist dann auch schon genug Gras über die Sache gewachsen und die Bullen haben sich mit aktuelleren Verbrechen zu beschäftigen. Es passiert ja zum Glück jeden Tag irgendwas, um das sie sich kümmern müssen. Hier eine tödliche Auseinandersetzung im Homosexuellen-Milieu. Da eine Trinker-Tragödie. Dort ein Mord in der Drogen-Szene... All das drängt den Tod des Gustav Braunhuber immer weiter in den Hintergrund.“ Er sah seinen Bruder an. „Ist dir etwas aufgefallen?“
„Nein. Was?“
„Ich habe während der letzten Minuten kein einziges Mal gehustet.“
Marcel seufzte. „Wäre schön, wenn das so bliebe.“
Jochen schüttelte schmunzelnd den Kopf. „Bruderherz, Bruderherz... Wann wirst du endlich aufhören, dir um mich Sorgen zu machen?“
„Sobald du mir keinen Grund mehr dafür gibst.“
Jochen streckte den Zeigefinger hoch. „He, ich bin der Ältere von uns beiden. Mir steht es zu, auf dich aufzupassen, mich um dich zu kümmern, mich um dich zu sorgen. Und nicht umgekehrt.“
„Im Moment ist das mein Job, aber wenn du wieder voll auf dem Damm bist, kannst du ihn gerne wieder übernehmen“, sagte Marcel. „Früher, als wir klein waren, da habe ich es immer genossen, einen älteren Bruder zu haben.“
„Dieser Junge mit den rote Haaren – wie hieß der doch gleich?“
„Raffael Menningmann.“
„Ja, genau. Der hat dir immer irgendetwas angetan. Und wenn du dann heulend zu mir gekommen bist, habe ich ihn verdroschen – wie es sich für einen großen Bruder gehört.“
Die Hustenpause endete abrupt. Jochen legte wieder voll los, und sein Gesicht lief dabei puterrot an.