Vor dem Bahnhofseingang alleine zu rauchen, erschien Ella armselig. Doch die Zugfahrt war mental anstrengend gewesen, der Drang nach einer Zigarette groß. Am Aschenbecher standen zwei Frauen in Hörweite.
»Es ist Zeit«, sagte die im dunkelblauen Trenchcoat, der fast bis zu ihren weißen Sneakern reichte. »Ihr seid doch schon lange nicht mehr glücklich.«
»Ich weiß nicht, wie das gehen soll. Finanziell. Und mit Imara. Sie ist erst fünf. Das ist alles so kompliziert.« Mit schnellen Stößen drückte die Dunkelhaarige ihre Zigarette auf dem Metallrand des Aschenbechers aus. Sie sah auf ihr Handy, das in einer pinkfarbenen Hülle steckte. »Ich muss los. Die Bahn fährt gleich.«
Die beiden umarmten sich. Glitten zögernd auseinander, die Verbindung noch für einen Moment mit den Händen haltend.
»Ayanna.« Die Frau im Trenchcoat wirkte besorgt.
»Ja?«
»Abhängigkeit ist keine Basis für eine Beziehung.«
»Ich weiß. Ich weiß doch«, sagte die Dunkelhaarige, löste ihre Hände und machte ein paar Schritte rückwärts. »Bis bald.«
Mit angemessen höflichem Abstand ging Ella um die beiden herum, drückte ihre Zigarette auf dem dafür vorgesehenen Gitter am nächsten Mülleimer aus und machte sich auf den Weg zu ihrer Wohnung. Die Ampel an der Kreuzung vor ihr schaltete auf Rot. Das Paar auf der gegenüberliegenden Straßenseite wirkte auch nicht mehr glücklich.
Glück. Liebe. Abhängigkeit. War es wirklich noch Liebe gewesen? Oder hatte sie sich mit Nick nur sicherer gefühlt? Das vibrierende Handy in ihrer Hosentasche ignorierte sie, bis sie in ihrer Wohnung am Küchentisch saß.
Ein verpasster Anruf von Mareike, drei Mitteilungen von Maschenka. Ella hatte keine Lust, Mareike zurückzurufen, und öffnete die Nachrichten von Maschenka. Wie es war, wollte diese wissen. Und ob sie sich morgen sehen würden. In der dritten Nachricht – Maschenka schickte ihre Mitteilungen nach spätestens drei Halbsätzen los, um dann im nächsten Feld weiterzuschreiben, was ihrer Meinung nach die Kommunikation beschleunigte – fragte sie, ob Ella vor ihrem Abendtermin noch Lust auf einen Kaffee habe.
»Fuck!« Ella bekam Herzrasen. Was für ein Abendtermin? Vielleicht sollte sie, wie von Maschenka hundertfach vorgeschlagen, doch einen digitalen Kalender mit Erinnerungsfunktion einrichten. Papierfetischistin nannte Maschenka sie wegen ihrer Vorliebe für Notizbücher und den gebundenen Kalender in Hosentaschengröße, den Ella jetzt aus ihrem Rucksack hervorkramte. Die Eröffnung der Pop-up-Galerie war mit drei Ausrufungszeichen versehen und neongelbem Textmarker umrandet.