S ie gab etwas Desinfektionsgel auf ein Papierhandtuch und wischte die Hefter ab, die sie soeben auf Julias Schreibtisch abgelegt hatte.
»Was kann ich jetzt noch tun?«, fragte sie.
»Geh nach Hause, Mina.« Julia griff nach einem Hefter.
»Das geht nicht«, antwortete sie. »Wir stecken doch mitten im Fall. Und der Vormittag mit Nova war reine Zeitverschwendung. Wasser und die Zahl Drei. Und sie will die hochrangigste Expertin Schwedens auf diesem Gebiet sein? Ich habe gleich gesagt, wir sollten lieber Vincent anrufen. Denn selbst wenn sich Nova mit Sekten auskennt, hat sie von Zusammenhängen keine Ahnung. Und genau die sind Vincents Stärke. Nova stellt nur wilde Spekulationen an.«
Julia klappte den Hefter zu und sah sie an.
»Ich fand es interessant«, entgegnete Julia. »Und die Hypothese, dass unsere Entführer sich kennen, ist nicht schlechter als jede andere. Ich werde die Gruppentheorie noch nicht ad acta legen.«
Mina schwieg resigniert. Menschen wie Nova waren ihr immer suspekt gewesen, und das Meeting hatte sie in ihren Vorbehalten bestätigt. Dass Nova vielen geholfen hatte, änderte nichts daran.
»Aber du siehst genauso müde aus, wie ich mich fühle«, sagte Julia. »Wenn nicht noch müder. Das liegt an dieser verdammten Bruchbude hier. Und an der Hitze. Wir tun, was wir können. Wenn ich dir jetzt noch mehr abverlange, besteht die Gefahr, dass du Fehler machst. Und das wäre noch schlimmer, als gar nichts zu tun. Hattest du nicht ohnehin schon Pläne für heute Nachmittag?«
Während des Mittagessens hatte Mina beiläufig erwähnt, dass sie später eventuell noch etwas vorhätte. Was, hatte sie nicht gesagt. Aber es war typisch für Julia, sich so etwas zu merken.
Schon im gestrigen Gespräch mit Vincent war es ihr nahezu undenkbar erschienen, es tatsächlich zu tun. Und jetzt kam es ihr vollkommen unmöglich vor. Sollte Ruben doch über sie sagen, was er wollte. Julia brauchte sie hier vor Ort. Es gab bestimmt noch irgendetwas zu tun. Etwas, das ihre Anwesenheit erforderte.
Eigentlich müsste sie Vincent anrufen, das hatte sie angekündigt, aber sie war noch immer nicht dazu gekommen. Sie wollte ihn jedoch nicht vom Präsidium aus anrufen.
»Ich kann die Straftäter noch mal durchgehen, die sich Christer angesehen hat«, begann sie.
»Mina.« Julia fixierte sie. »Geh nach Hause. Schau einen Film. Iss ein Eis. Trink eine Flasche Wein. Tu, was du dir vorgenommen hattest. Oder schlaf einfach. Mir ist das völlig egal, aber hier will ich dich mindestens sieben Stunden lang nicht mehr sehen. Wenn ihr rund um die Uhr arbeitet, kann ich nichts mit euch anfangen. Nimm dir ein paar Stunden frei und komm ausgeruht und mit neuem Elan zurück.«
Mina seufzte. Es wäre alles so viel einfacher gewesen, wenn sie bei Tinder nicht nach rechts gewischt hätte. Und Amir nicht umgehend geantwortet hätte. Nun blieb ihr nichts anderes übrig. Noch eine Stunde bis zum Date. Scheiße.