D ie Polizeimütze schützte zwar vor der sengenden Sonne, aber andererseits wurde es darunter unerträglich heiß. Julia hatte heute alle aufgefordert, Uniform zu tragen. Sie mussten öffentlich sichtbar sein und der Bevölkerung demonstrieren, dass sie arbeiteten. Mina bereute jedoch, dass sie sich darauf eingelassen hatte. Sie ging in den Schatten unter einen Baum, nahm die Mütze ab und fühlte sich sofort besser.
Vincent gesellte sich zu ihr.
»Wie hat Julia so schnell die Genehmigung bekommen?«, fragte er.
Julia stand neben den Technikern, die mit größter Vorsicht Schicht für Schicht den Boden aushoben.
Die Bodenradar-Experten hatten mithilfe von Funkwellen etwas im Untergrund entdeckt, das möglicherweise eine Leiche war. Bald würden sie es mit Sicherheit wissen.
Vor der Grabung hatten sie Stangen in den Boden gesteckt, um die Konturen und die Tiefe des Objekts zumindest ungefähr zu ermitteln. Die Leiche, falls es wirklich eine war, lag vermutlich ungeschützt im Erdreich. Milda hatte Mina erklärt, dass der Stickstoff nicht in den Boden gelangt wäre, wenn die Leiche zum Beispiel in einem Plastiksack eingepackt gewesen wäre.
»Ich habe Julia übrigens gleich am Dienstag, als du den Park erwähntest, gebeten, die entsprechenden Schritte einzuleiten«, sagte Mina. »Als Milda heute Vormittag anrief und von ihrem Verdacht erzählte, standen alle schon bereit, und das Team konnte innerhalb weniger Stunden mobilisiert werden.«
»Heißt das, Julia hatte die Genehmigung für die Grabung schon beantragt, als wir beide gestern hier waren? Und du hast nichts gesagt?«
»Du hast mir ja auch nicht verraten, dass ich von der Sitzunterlage einen Fleck auf der Hose hatte.«
»Das kann man doch nicht vergleichen. Erstens käme ich nicht auf die Idee, dir auf den Po zu schauen. Und zweitens würde ein Gentleman so etwas selbst dann verschweigen, wenn er es gesehen hätte.«
»Du hast den Fleck also doch gesehen? Und mir auf den Hintern geguckt?«
Er lief puterrot an und musste husten.
»Körpersprache interessiert mich immer. Und übrigens, das da drüben dauert jetzt schon ganz schön lange, oder?«, fragte er. »Ich glaube, ich sollte mal rübergehen.«
Es war vielleicht gemein von ihr, aber Vincent aufzuziehen, hatte sich zu einer ihrer Lieblingsbeschäftigungen entwickelt. Die Rache würde vermutlich fürchterlich sein, aber das war der Spaß wert.
»Ich glaube, die sind auf deine Unterstützung so wenig angewiesen wie ein Architekt auf einen Schwimmlehrer.« Sie grinste. »Du hast natürlich recht. Es ist nicht vergleichbar. Ich habe nichts gesagt, weil ich gehofft habe, dass du dich irrst. Normalerweise wartet man auf so eine Genehmigung Wochen. Aber die Stadt Stockholm ist wahrscheinlich nicht besonders scharf darauf, dass irgendwelche Touristen im Park auf eine Kinderleiche stoßen. Wenn Julia darum gebeten hätte, wären wir sicher alle mit Spaten ausgestattet worden. Ich hoffe übrigens immer noch, dass du dich irrst. Ich hoffe es von ganzem Herzen. Denn die Konsequenzen, wenn du recht hättest …«
»Ich weiß«, sagte er. »Ich will gar nicht daran denken.«
Plötzlich winkte einer der Techniker.
»Hier!«, rief er. »Ich habe was gefunden.«
Vincent starrte zu dem Techniker hinüber und fasste Mina genauso am Arm, wie er es auch bei ihrem letzten Besuch im Park getan hatte. Und genau wie beim letzten Mal schien er gar nicht zu merken, was er tat. Sie spürte seine Haut auf ihrer. Es störte sie nicht.
Julia, die neben den Technikern stand, beugte sich vor. Ein stechender Ammoniakgeruch breitete sich aus.
Julia schien den Fund zu studieren. Offenbar dauerte es eine Weile, bis sie begriffen hatte, was sie sah. Vielleicht wollte sie es auch nicht verstehen. Dann ging sie zu Mina und Vincent hinüber.
»Das hier wird unliebsame Folgen haben«, sagte sie zu Mina. »Es wirkt vielleicht makaber, unter solchen Umständen über Politik zu sprechen, aber ich muss es tun. Denn die Politik im Präsidium hat Einfluss auf die Existenz unserer Gruppe. Und dieser Fund ist das genaue Gegenteil von dem, was sich die Leitung erhofft hat.«
Sie drehte sich zu dem Mentalisten um.
»Du scheinst recht gehabt zu haben, Vincent. Gratuliere.«