U nter dem hohen Hut lief Peder der Schweiß in Strömen hinunter. Caspers Geburtstagsfeier war an diesem Sonntagnachmittag in vollem Gange, und zehn Kinder, unter denen seine zweieinhalbjährigen Drillinge die jüngsten waren, sahen ihn skeptisch an.
Nachdem die Kinder Kuchen gegessen hatten, war er mit Zauberhut und blau gefärbtem Bart hereingekommen. Er hatte steif und fest behauptet, nicht Peder, sondern dessen geheimer Bruder Pedro zu sein. Die Kinder fanden das wahnsinnig witzig. Je lauter sie schrien, er sei Peder, desto hartnäckiger behauptete er, es nicht zu sein, und über seinen blauen Bart lachten die Drillinge, bis sie Schluckauf bekamen.
Ihre laute Fröhlichkeit erfüllte ihn mit so viel Liebe, dass er glaubte, sein Herz müsse zerspringen. Gleichzeitig erfüllte sie ihn mit Angst. Seit dem Meeting in der vergangenen Woche ging ihm Vincents Vermutung, dass es zu einer weiteren Entführung kommen würde, nicht aus dem Kopf. Dass er die Identität des Kindes aus dem Fatbursparken festgestellt hatte, war ein wichtiger Schritt gewesen. Die Listen der vermissten Kinder waren sie auch noch ein drittes Mal durchgegangen, um ganz sicherzugehen, dass sie nichts übersehen hatten. Adam hatte alle Informationen, die ihnen vom Leichenfund auf Skeppsholmen vorlagen, mit der Lupe untersucht. Sie hatten die gesamte Woche genutzt, um sich vorzubereiten.
Und dennoch hatten sie keine Ahnung, was sie am Mittwoch erwartete. Oder wo sie vorher suchen sollten. Die Polizei hatte natürlich nicht genug Ressourcen, um jede Kita in der Stadt zu überwachen. Eine generelle Warnung auszusprechen, stand auch nicht zur Debatte. Das hätte die ohnehin panischen Eltern in Stockholm noch verrückter gemacht.
Die Beamten hatten nicht die geringste Bewegungsfreiheit. Aber wenn sie nichts unternahmen, würde in drei Tagen ein Kind verschwinden.
Es könnte Casper sein. Oder eins seiner drei kleinen Mädchen. Oder ein anderer junger Gast. Eins der Kinder auf dieser Geburtstagsfeier konnte es genauso gut treffen wie jedes andere Kind in der Stadt.
Und jetzt stand er hier.
Und zauberte.
Zuerst hatte er einen roten Ball weggezaubert. Die Begeisterung war mäßig gewesen. Dann hatte er für Casper einen Hut aus Papier gefaltet. Da hatten die Drillinge angefangen, den anderen Kindern von den Abenteuern der Feen aus dem Winx Club zu erzählen. Und der Papierhut war zu klein für Caspers Kopf gewesen.
Ihm blieben nur noch Sekunden, um den Super-GAU zu verhindern. Er wusste, dass sonst buchstäblich eine Kuchenschlacht ausbrechen würde. Es wurde Zeit für seine Geheimwaffe. Den Zaubertrick, den Vincent ihm verraten hatte. Da er keine Zeit gehabt hatte, ihn zu üben, musste er ihn strikt nach Anleitung ausführen. Das war nicht zu ändern.
»Und nun mein letzter und gefährlichster Trick«, sagte er laut, um die Winx-Club-Diskussion zu übertönen. »Als ich diesen Trick zum ersten Mal ausprobiert habe, ist mein Bart blau geworden.«
Die Kinder waren schon beim Wort »gefährlichster« verstummt. Er hatte sie. Für einen Moment. Er schielte auf die Anleitung, holte zwei große gelbe Taschentücher hervor und knotete sie zusammen.
»Zwei große Tücher«, verkündete er feierlich. »Und die verknotet Peder, ich meine natürlich Pedro, mit einem ganz festen Knoten. Diese Tücher müssen jetzt an einen Platz gelegt werden, wo ganz sicher niemand irgendeinen Blödsinn damit anstellen kann. Zum Glück kenne ich das beste Versteck.«
Er knüllte den zusammengeknoteten Teil zusammen und steckte ihn schnell in seinen Hosenbund, sodass die losen Teile heraushingen.
»Igitt, er hat sich das Tuch in die Hose gesteckt«, schrie eins der Kinder, die anderen kreischten vor Lachen.
Er merkte, wie viel Spaß er auf einmal hatte. Das hatte Vincent also gemeint, als er sagte, er solle nicht zaubern, sondern unterhalten. Er warf noch einen Blick auf die Anleitung und holte ein drittes Taschentuch hervor, diesmal ein rotes, und wedelte dramatisch damit. Dann legte er das rote Taschentuch in den Zauberhut und setzte ihn auf.
»Wenn ihr jetzt alle schreit ›simsala-bim-abra-kadabra-schnabel‹, dann verschwindet das rote Tuch aus dem Hut. Und ratet mal, wo es wieder auftaucht? In meiner Hose!« Die Kinder schütteten sich aus vor Lachen. »Verknotet mit den beiden gelben.«
Wieder lachten die Kinder.
»Simsala-bim-abra-kadabra-schnabel! Alle auf einmal!«
»Simsaschnabel!«, brüllten die Kinder durcheinander.
Peder grinste so selbstbewusst und stolz, wie er konnte, umfasste die gelben Tuchenden und zog sie aus seinem Hosenbund und gleichzeitig auseinander.
»Ta-taaa!«, juchzte er.
Es war mucksmäuschenstill. Dann brach schallendes Gelächter aus. Casper brach fast zusammen. Tränen liefen ihm übers Gesicht.
»Meine Güte, Peder!«, sagte Anette erschrocken. Doch auch sie musste grinsen, und ihre Schwester strahlte wie ein Honigkuchenpferd.
Vincent hatte gewusst, wovon er redete. Mit gespielter Verwunderung betrachtete Peder die Taschentücher. Zwischen den beiden gelben Tüchern hing eine alte Männerunterhose.
Dass die Erzieher in der Kita seiner Drillinge eine Erklärung von ihm verlangen würden, weil die drei Mädchen dort garantiert erzählen würden, dass ihr Papa auf einem Kindergeburtstag die Unterhose ausgezogen hatte, nahm er in Kauf. Das war der Spaß wert gewesen. Jetzt war er der Held. Und in diesem Moment gab es nichts Böses mehr auf der Welt. Er, Peder, hatte es vertrieben.
Das Lachen der Kinder hatte er noch im Ohr, als die Geburtstagsfeier längst zu Ende war.