D u weißt, dass du sehr schnell fährst, oder?«, fragte Vincent mit Entsetzen in der Stimme. »Schon wieder.«

Mina hielt den Blick auf die Fahrbahn gerichtet. Sie waren fast da. Sie war geradewegs zum Auto marschiert, ohne den Rest der Gruppe zu informieren. Sie wollte sich erst ganz sicher sein. Auf dem Hof war ja niemand mehr, und außerdem begleitete Vincent sie. Wenn man sich ansah, wie fest er den Haltegriff umklammert hielt, schien er das allerdings zu bereuen.

Sie nahm die Abzweigung nach Spångbro, ohne vorher den Blinker zu setzen, und sah die gerade Strecke zum Pferdehof Wennhagen vor sich. Sie wappnete sich innerlich. Das schmutzige Gefühl überkam sie jetzt schon, kroch ihr unter die Kleidung und drang in jede Pore. Das Bedürfnis, zu erfahren, ob ihr Verdacht stimmte, war jedoch stärker.

»Vielleicht ist da auch gar nichts«, sagte er. »Aber einen Versuch ist es wert.«

»Ich weiß.« Mina trat das Gaspedal durch.

Ein Schottersteinchen flog gegen die Scheibe und sprengte einen Splitter heraus.

»Verfluchte Scheiße!«

»Sehr damenhaft«, sagte Vincent trocken, der sich immer noch festhielt.

»Und du übst wohl schon mal, damit du dich spätestens beim fünfzigsten Geburtstag wie ein Rentner ausdrückst.«

»Im Moment bin ich mir nicht sicher, ob ich den Tag überhaupt erlebe.«

Mina ignorierte seine Bemerkung, während sie an der Ruine des ehemaligen Wohnhauses vorbeiraste und schlingernd vor dem Stall hielt. Es war beängstigend still, als sie aus dem Auto stiegen. Nur ein Vogel krächzte auf einem Baum in der Nähe. Der Schotter staubte, als sie mit schnellen Schritten den Hof querten.

Sie eilten am heruntergebrannten Gebäude vorbei und weiter zum neuen Stall. Dort blieb sie stehen und betrachtete die Ruine. Sie wollte nichts übersehen.

»Furchtbar«, sagte sie mit Blick auf das eingestürzte Dach. »Ich kann die Schreie förmlich hören. Es muss entsetzlich gewesen sein. Das Feuer. Die herunterkrachenden Gebäudeteile. Und die Pferde. All die Pferde …«

»Ich kann sie auch hören«, sagte Vincent leise. »Deutlicher, als mir lieb ist.«

Eine Weile betrachteten sie die Verwüstung. Sie hatte von vollkommen überwucherten Ruinen gelesen, die friedlich und geheimnisvoll wirkten. Hier war es anders. Johns abgebrannter Stall war noch immer eine schwarze Wunde. Als ob selbst die Natur einen Bogen um den Schauplatz des Schreckens machen würde.

Mit schnellen Schritten ging sie um das kleine Gehölz herum und hinüber zum neuen Stall. Sie kniff die Augen zusammen, genau wie bei ihrem letzten Besuch, obwohl sie die Sonne diesmal im Rücken hatte.

»Da.« Sie deutete auf einen Punkt auf dem Boden.

Sie ging näher heran, und Vincent blieb dicht hinter ihr.

»Sieh mal.«

Sie hockte sich hin und zeigte auf ein Stück Metall. Vincent kniete sich neben sie.

»Ein Hufeisen.« Er nickte.

»An und für sich nicht verwunderlich«, sagte Mina. »Es war ja auch ein Reiterhof. Und auch wenn hier jetzt keine Pferde mehr gehalten werden, liegen bestimmt noch alte Hufeisen herum. Andererseits müssten die doch eigentlich verrostet und schmutzig sein. Dieses hier ist blitzeblank. Warum liegt es hier?«

Sie wollte das Hufeisen aufheben, um es sich genauer anzusehen, aber es ließ sich keinen Millimeter bewegen.

»Irgendwas klemmt hier«, sagte Mina verblüfft.

Vincent beugte sich darüber. Er kam ihr so nah, dass sie seinen Atem am Ohr spürte.

»Siehst du die Befestigung?«, fragte er. »Das ist nicht einfach nur ein Hufeisen. Das ist ein Griff.«

Mina sah ihn verwundert an. In der Ferne krächzte wieder der Vogel.