Kapitel 7
Mein Freund Skotti
Ich starre ihn eine Weile lang an.
Nichts bewegt sich.
Ich schüttele ihn.
Versuche ihn mit dem Finger anzustupsen.
Doch es hilft nichts. Er ist und bleibt eine Zeichnung.
Na ja. Eigentlich kein Wunder. Denn genau das ist er ja auch eigentlich – eine Zeichnung.
Wahrscheinlich werde ich ganz einfach nur langsam irre. Hatte immer schon das Gefühl, dass regelmäßige Aufenthalte in Schulgebäuden nicht gut für die geistige Gesundheit sind.
Zum zweiten Mal heute ist Flo echt eine Stütze:
Na prima. Wir sind Freaks und stolz darauf.
Irgendwie hat Flo natürlich recht. Und den Rest meines Lebens wegen des Kloschüssel-Dramas in meinem Zimmer zu bleiben, ist auch keine Lösung.
Ich weiß zwar nicht, warum der Zahnspangenhonk, der seine Augenlider nach außen klappen kann, plötzlich mein Karriereberater geworden ist, aber die Idee ist echt gut.
Und so entstehen in einem Mammutchat Skottis erste Abenteuer.
Flo hat sogar ein paar echt gute Ideen – saulustig.
Wow, das macht total Spaß! Und das ideale Mittel, um die Kloschüssel-Affäre aus der Welt zu schaffen. Wenn ich erst mal Lucas der Comic-Künstler bin, juckt das keine Socke mehr.
Abends geht’s mir schon viel besser.
Meine Zukunft ist auf einmal wieder rosig.
Zahnspangen-Flo ist echt ein super Berater.
Meine Zukunft liegt wie ein offenes Buch vor mir.
Aber vielleicht hab ich doch unterschätzt, wie schnell eine gute Story die Runde macht. Denn am nächsten Morgen …
Da kommt mir zum Glück Flo zu Hilfe und tut so, als wäre alles ganz easy und ich ein normaler Schulfreund.
Na ja, was in Flos Universum halt so als normal gilt.
Regel Nummer 6: In der Not schau dem geschenkten Kumpel nicht ins Maul.
Flo führt mich auch gleich in seine Abklatschtechnik ein. Bei der klatscht man eben gerade nicht ab, sondern macht was völlig Schräges und Unerwartetes.
Äh, Mann, Alter, zum Totlachen …
Dank Flos Rumgekaspere hören die andern auf, sich über mich lustig zu machen.
Das ist voll das geniale Ablenkungsmanöver.
Als wär er echt mein bester Kumpel. So wie Batman und Robin.
Als wir im Klassenzimmer ankommen, hat jemand meinen Stuhl in Klopapier eingewickelt. So wie Niko grinst, war es die Clique.
Doch Flo rockt wirklich. Er wickelt sich einfach in das Klopapier und spielt Die Mumie kehrt zurück.
Dann kommt Herr Schinder rein, und man muss kein Einstein sein, um zu sehen, dass er auf 180 ist.
Wegen dem Klopapierchaos gibt er uns echt die Peitsche und löchert alle mit abgefahren schwierigen Mathe-Folterfragen. Flo ist ja im Schachklub und total der Mathe-Profi.
Ich komm davon, weil ich gestern nicht da war.
Aber die Clique hat es nicht so mit der Primzahlzerlegung.
Herr Schinder fängt an rot anzulaufen. Wie bei einem Sonnenaufgang beginnt das Rot an den Ohren und kriecht dann über den Kopf. Wenn dann der ganze Kopf so richtig schön ampelmäßig leuchtet, sollte man in Deckung gehen.
Er macht uns die ganze Stunde lang saumäßig zur Schnecke. Die andern tun, als wären Flo und ich irgendwie schuld daran.
Bin froh, als endlich Pause ist.
Allerdings schubst mich mein Karriereberater dann gleich in Richtung Schülerzeitungsbüro. Der Typ ist echt zielstrebig.
Was man von den Machern unserer Schülerzeitung wirklich nicht behaupten kann. Die machen immer nur eine Ausgabe im Jahr und in der steht praktisch nichts drin. Davon sind sie dann so erschöpft, dass sie sich ein Jahr ausruhen müssen.
Die Redaktion ist immer von Oberstuflern besetzt, die einen auf oberschlau machen.
Dieses Jahr besteht die Penner-Redaktion aus Sven und Klaas. Sie tragen hippe Hornbrillen, Halstücher, Röhrenjeans und Mini-Pullis.
Sven malt selber auch einen Comic. Er heißt Ix und Be.
Ix und Be sind zwei Striche, die sich unterhalten.
Bloß dass kein Mensch versteht, worüber.
Es ergibt absolut keinen Sinn, was die Striche quatschen.
Das soll wohl der Witz daran sein.
Ich glaube, das haben die irgendwo abgeschrieben.
Nichts wie weg hier von den beiden Monks!
Den Rest der Pause sitzen wir in einer Ecke und malen uns aus, wie cool so ein Comic in einer echten Schülerzeitung wäre.
Ich zeichne dabei mit meinem Zauberstift vor mich hin. Auf einmal habe ich das Gefühl, Skotti hat sich wieder bewegt.
Schock! Ist es jetzt wieder so weit? Hüpft er gleich aus dem Buch und richtet Chaos hoch zehn an? Schnell schlag ich das Buch zu und zieh den Gürtel wieder fest.
»Hey, cool. Dein kleiner Freund ist wieder da. Lass ihn doch raus!«, sagt Flo.
»Nee, lieber nicht. Wer weiß, wo ich sonst heute meinen Arm reinstecken muss. Der hatte gestern genug Auslauf!«, sage ich.
»Frag mich bloß, warum er jetzt wieder lebendig ist? Was hast du gemacht?«, will Flo wissen.
»Keine Ahnung!«, antworte ich und fröstele ein bisschen, denn plötzlich sitzen wir im Schatten.
Es ist wohl eine Wolke aufgezogen …
Tja, falsch gedacht. Es ist der Dicke Lars, der wie Minas Morgul vor uns aufragt. Er will ein bisschen spielen.
»Na, du Kloknutscher? Willst du wieder knutschen?«
»Wortspiele kann der Typ also auch. Was für ein Genie!«
Verdammt, hab ich das etwa laut gesagt????????
Ich bin ein toter Mann.
Ich schnappe mein Skizzenbuch und renne um mein Leben, bevor Mäusehirn mich packen kann.
Aber rennen kann er wie ein Elefant. Der Dicke Lars jagt mich quer über den Hof.
Bis ich in einer Sackgasse lande.
Wenn ich keinen Ausweg finde, benutzt mich der Dicke Lars das ganze Jahr als Klobürste.
In Vollpanik fällt mir nur ein Retter ein …
Na klasse, von wegen Comic-Held. Danke, Skotti!
Doch gerade als Lars mich packen will …
… wird Skotti zum Ninja …
… und greift mit vollem Karacho an.
Nach dieser Nummer ist der Dicke Lars das Top-Thema des Tages.
Jetzt ist der Dicke Lars für alle Zeiten Lars, die Knalltüte. Sein Killer-Image ist echt im Arsch. Skotti ist mein Held.
Das bringt mich auf die Frage: Wo zum Teufel IST Skotti?