26

HARLOW

DREIZEHN TAGE BIS ZUM BLUTMOND

D ie ersten Sonnenstrahlen brachen durch die großen Buntglasfenster in den Flur des Ingram-Anwesens, während ich schlaftrunken meine Schuhe anzog. Fünf Uhr morgens war eine unwürdige Zeit, das Bett zu verlassen, um mit einem Haufen Arschlöchern auf eine Jagd zu gehen und altehrwürdige, völlig überholte Traditionen zu zelebrieren. Die Hexenwelt brauchte dringend einen Umschwung.

»Entscheide dich, was du willst!« , flüsterte eine Stimme in meinem Unterbewusstsein. »Du willst Umschwung, sträubst dich aber, dein Schicksal als Hexenkönigin zu akzeptieren, obwohl du dann etwas ändern kannst! Worten müssen Taten folgen, sonst sind sie nur heiße Luft.«

Genervt schnaufte ich und richtete mich auf. Selbst mein dämliches Unterbewusstsein verstand nicht, dass logische Diskussionen mit mir erst nach meinem ersten Kaffee zu führen waren.

Eine Hand mit einer Tasse kam von hinten in mein Blickfeld. Dampfschwaden lösten sich aus der braunen Flüssigkeit und der Geruch von geröstetem Kaffee umspielte meine Nase. Schwer und aromatisch legte er sich auf meine Zunge und ließ mir das Wasser im Mund zusammenlaufen.

»Kaffee!« Meine Stimme war ein Mix aus Flehen und Freudenschrei.

»Ich weiß nicht, ob ich dich bemitleiden, küssen oder auslachen soll«, antwortete Jax und umarmte mich von hinten. Ich spürte seine Wärme selbst durch meine Kleidung. Für einen Moment vergaß ich die Müdigkeit sowie das Koffein und hatte definitiv andere Pläne, als auf die Jagd zu gehen. Doch mein Verlangen nach dem Getränk siegte und ich griff nach der Tasse. Jax’ tiefes Lachen kitzelte an meinem Hals, er drückte seinen Körper gegen meinen Rücken.

»Kaffee«, flüsterte ich heiser und nahm einen Schluck.

Jax küsste mich hinter dem rechten Ohr, woraufhin ich sehnsüchtig seufzte.

»Wieso befürchte ich, dass das Stöhnen nicht mir galt, sondern dem Kaffee?«

»Nicht reden, kraulen. Danke«, brummte ich und trank weiter.

Erneut lachte Jax, streichelte und massierte meinen Nacken. Was sich schnell als überaus dumme Idee herausstellte, denn sowohl seine als auch meine Atmung beschleunigten sich.

»Haben wir noch fünf Minuten?«, flüsterte er mir ins Ohr, während ich überlegte, wie ich schnellstmöglich meine Kleidung loswürde.

»Alles, was nicht länger als zehn Minuten dauert und Sex involviert, ist es nicht wert, durchgeführt zu werden«, hörte ich hinter mir und sprang auf. Leider schlug ich Jax dabei meine Schulter gegen das Kinn und er heulte laut auf, gefolgt von unverständlichem Gefluche. Etwas Kaffee landete auf dem Marmorboden zu unseren Füßen.

Hochrot drehte ich mich zu der Stimme um und erkannte Soo-Ri. Mühevoll schien er sich das Lachen zu verkneifen. Er stand etwa zehn Meter entfernt im Türrahmen seines Zimmers, links von der großen Eingangshalle, in der ich mich befand.

»Wie konntest du das von dahinten hören?«, fragte ich.

»Ich bin Animalist, sagte ich doch. Wir Yoon können nicht nur mit Tieren reden, wir binden auch deren Sinne an uns. Meine stammen von einem Wolf, einem Adler, einer Fledermaus und noch ein paar anderen Wesen.«

»Okay«, erwiderte ich verwirrt, dennoch fasziniert. Behutsam nahm ich einen weiteren Schluck Kaffee.

»Um deine Frage zu beantworten, ich habe Jax nur vage gehört, aber ich rieche eure Lust.«

Vor Schreck verschluckte ich mich an meinem Kaffee und hustete. Jax’ fassungsloser Gesichtsausdruck spiegelte meinen perfekt wider.

»So süß ihr zwei auch seid«, sagte Soo-Ri, »aber wir sollten los.«

»Ich finde es immer noch nicht gut, dass ich nicht mitkommen darf.« Jax verschränkte die Arme vor der Brust.

»Soo-Ri und ich passen auf Harlow auf«, sagte Teagan und kam die Treppe herab. »In dem unwahrscheinlichen Fall, dass die Rinaldis Harlow angreifen, sind wir beide bestens dafür ausgebildet. Wärst du dabei, müssten wir uns nur um eine zweite Person sorgen.«

Jax rümpfte lediglich die Nase.

»Teagan hat recht«, erwiderte Soo-Ri. »Du darfst auch nicht vergessen, dass du als Ingram der dritten Generation ebenso ein hohes Potenzial für Angriffe, Entführungen und Erpressungen bist. Deine Zeit als jemand Unbekanntes in den Schatten ist vorbei.«

Erstaunt sah Jax den Animalisten an.

»Habe deine Akte gelesen«, sagte dieser.

»Ich habe eine Akte?«

Teagan lachte laut. »Alle Personen von öffentlichem Interesse haben ein Sicherheits- und Risikoranking. Das von Harlow und dir geht quasi durch die Decke.« Sie verzog das Gesicht. »Und seitdem ihr eine Beziehung führt, haben sie sich erhöht, da ihr erpressbar seid. Aus Beschützersicht seid ihr ein absoluter Albtraum.«

»Na danke, ich mag dich auch«, gab ich ironisch zurück.

»Können wir?«, fragte Teagan und verließ das Anwesen durch die Flügeltüren.

Jax zog mich an sich, gab mir einen Kuss und fuhr mir mit dem Daumen über die Wange. »Sei vorsichtig!«

»Immer, ich habe doch nun Engelsflügel, was soll da schiefgehen?«

»Walküren.« Lachend gab er mir einen weiteren Kuss und schob mich zögerlich zum Ausgang. »Ernsthaft, sei vorsichtig. Wenn Teagan sagt, du sollst flüchten, dann tust du das, ja? Keine Heldentaten.«

Ich nickte, auch wenn ich vor den Rinaldis nicht klein beigeben würde, und trottete zum Ausgang. Kurz vor der Tür hielt mich Soo-Ri am Arm fest.

»Du beherrschst Fluch-Cantos, vermute ich?«

»Ein paar, ja. Meine Großmutter unterrichtet mich.«

»Der Canto Fluch der Stimmen ist dir bekannt?« Soo-Ri musterte mich.

»Ist er, ja.«

»Verfluch mich damit, so können wir unbemerkt miteinander reden.«

Vehement schüttelte ich den Kopf. »Du weißt, dass ich damit auch alle deine Erinnerungen und Emotionen sehen und spüren kann?«

»Das ist mir bewusst. Aber einen gewöhnlichen Kommunikations-Canto müssten wir durchgängig aufrechterhalten, und das würden die Rinaldis bemerken. Einen Fluch hingegen erkennen nur die Fluchbrecher und Leute wie Jax. Mach schon!«

Jemand näherte sich mir von hinten und ich spürte eine Hand auf meiner Schulter. Die Wärme und Vertrautheit ließ mich aufatmen. Jax. »Es ist okay. Deine Granny kann den Fluch später brechen.«

»Aber es ist falsch. Flüche sind …«

»Nützlich«, sagte Jax sanft. »Wir sind in der Lichtwelt mit dem Verbot groß geworden. Und ja, viele Flüche gehören verboten, aber es gibt auch nützliche. Und Soo-Ri hat zugestimmt, verflucht zu werden.«

Mit einem Kloß im Hals nickte ich, dennoch passte mir der Gedanke nicht. Ich räusperte mich, lockerte meine Stimmbänder und atmete tief ein. Zaghaft stimmte ich die passenden Töne an, ließ sie dann präzise durch meine Kehle gleiten und verwob sie mit meiner Magie. Goldene Partikel bildeten sich an Soo-Ris Stirn, malten das Muster des Fluchs: ein geöffneter, verzerrter Mund, drei klauenartige Wunden und ein gezackter Kreis drum herum. Meine goldenen Partikel vermischten sich mit dem Rot des Fluches und bildeten meine kupferfarbene Fluchsignatur. Während meine normalen Cantos nach Ozon, Meeresluft und Hibiskus rochen, offenbarte sich der Gestank des Fluches mit einer Mischung aus Algen, verfaulten Eiern und verwelkten Blüten.

»Sehr gut, wir sollten los«, sagte Soo-Ri und geleitete mich zur Tür hinaus.

Eine Hand an meinen Arm stoppte mich. Ich drehte mich und Jax stand direkt vor mir.

»Sei vorsichtig!« Er küsste mich und umarmte mich fest. »Ich vertraue den Rinaldis nicht.«

»So wenig, wie ich es tue«, erwiderte ich. »Aber es ist einen Versuch wert. Vielleicht helfen sie uns ja doch und fordern etwas anderes statt der Hochzeit.«

Jax verzog skeptisch das Gesicht.

»Ich muss das probieren«, flüsterte ich. »Es ist das Richtige.«

»Und du machst dir Sorgen, keine gute Königin zu werden?« Sanft streichelte er meine Wange. »Bis nachher!«

* * *

An einem Waldstück, das an den Wald von Salem grenzte, trafen Teagan, Soo-Ri und ich auf die Jagdgesellschaft. Nur vereinzelte Gäste anderer Blutlinien saßen auf ihren prächtigen Pferden, den Großteil jedoch bildeten die in Silber gekleideten Rinaldis.

Auch Soo-Ri und ich saßen auf die bereitgestellten Pferde auf.

»Soo-Ri, welche freudige Überraschung«, begrüßte uns Eduardo Rinaldi. Wieder lächelte er übertrieben, seine Augen funkelten mich jedoch für einen winzigen Moment mordlustig an, und unmittelbar danach fragte ich mich, ob die Teilnahme an der Jagd vielleicht doch unüberlegt gewesen war.

»Harlow, der gestrige Abend tut uns allen ungemein leid. Das war alles nur ein Missverständnis.« Eduardo grinste mich dabei an.

»Wenn das so ist, finden wir sicherlich einen Weg, wie ihr euch an der Mission beteiligen könnt.« Ich erwiderte das Grinsen ebenso unehrlich.

»Natürlich, natürlich«, stimmte Eduardo mir eilig zu. »Nach der Jagd besiegeln wir es.«

Das war zu leicht. Würde er wieder versuchen, mir seine Tochter anzudrehen? Oder würde er seinen schwulenfeindlichen Sohn dazu zwingen, mich zu heiraten? Auf beides würde ich mich nicht einlassen.

»Was jagen wir? Truthähne?«

Eduardo entblößte die Zähne zu einer gefährlichen Grimasse. »Mitnichten. Unsere Jagdhunde haben ein Kind des Waldes isoliert und treiben es momentan in diesem geschützten Teil des Waldes vor sich her. Wir werden gleich die Beute schießen wie bei einer klassischen Fuchsjagd im alten England.«

Er redete weiter, doch ich vernahm ihn kaum. Das Grün des Waldes verschwamm mit dem Rot des Himmels, vermischte sich zu einem farblosen Brei. Unwohlsein breitete sich in meinem Magen aus. Mir war bewusst, dass wir in der Schlacht gegen die Kinder des Waldes antreten würden, aber seit meinem Besuch im botanischen Garten wusste ich eben auch, dass sie zu Hexen zurückverwandelt werden konnten. Und heute würden wir eines der Kinder jagen, das uns keinen Grund zum Angreifen gab, außer die widerliche Freude am Töten und der Jagd selbst.

»Durchatmen, Harlow! Er will dich aus der Fassung bringen« , sagte Soo-Ri über unsere mentale Verbindung.

»Aber die Kinder des Waldes sind immer noch Hexen. Sie können gerettet werden!«

»Ich weiß. Allerdings gibt es Blutlinien, die das anders sehen. Die Jagd auf Kinder des Waldes ist für die Rinaldis und auch für die englische Blutlinie eine alte Tradition. Die McQueens und Ingrams haben sich am Anfang auch beteiligt, bevor sie wussten, dass man die Kinder retten kann.«

»Das ist ekelhaft! Wir gehen!« , beschloss ich.

»Lass mich das regeln. Ich spreche mit den Tieren, dass sie das Kind des Waldes vorwarnen, wo wir uns aufhalten. Und sobald wir dicht genug an den Jagdhunden sind, versuche ich sie zu überzeugen, einer falschen Fährte zu folgen.«

»Bist du dir sicher, dass es klappt?«

»Ganz sicher. Tiere hören auf uns Yoon, glaub mir.«

»Gentlemen?«, fragte Eduardo und betrachtete uns aus zusammengekniffenen Augen. Für einen Moment wich sein Lächeln, doch einen Wimpernschlag später legte es sich wieder auf seine Lippen.

»Entschuldigung«, presste ich hervor, bemüht, freundlich zu klingen. »Ich bin eine Weile nicht mehr geritten und genieße das Gefühl, wieder auf einem Pferd zu sitzen.«

Langsam nickte Eduardo zwar, doch er glaubte mir kein Wort. Sein Gesicht verriet ihn – das leichte Zucken seiner Lider, die angespannten Mundwinkel und die Röte, die sich auf seine Stirn legte. »Verstehe. Wollen wir?« Er deutete zu den anderen Teilnehmenden – unter anderem Gianno und seine Mutter, die mir flüchtig winkten, als hätte es den Vorfall auf dem Ball nie gegeben.

»Nach dir, Eduardo«, sagte Soo-Ri fröhlich.

»Was zur Urmutter ist mit denen? Gestern hat Gianno mir noch ins Gesicht gespuckt und seine Mutter mich beschimpft« , fragte ich fassungslos. »Und jetzt tun sie so, als sei nichts passiert?«

»Irgendwas stimmt hier nicht. Willst du weiterhin nicht abbrechen?«

»Nein, wenn du das Kind rettest, ist alles gut. Mit den Rinaldis werde ich fertig.«

»Nimm dich in Acht und lass dich nicht von mir oder Teagan trennen, verstanden?«

»Okay.«

Soo-Ri, Teagan und ich ritten Eduardo hinterher, und nach einigen Minuten der Einführung in die Jagd begann diese. Das Rinaldi-Trio führte die Spitze an, hinein in den Wald, der deutlich heller und freundlicher anmutete als sein finsterer Nachbar aus Salem.

Nach wenigen Minuten hallte das erste Gebell eines Hundes zwischen den Bäumen umher. Ein zweites folgte, dann ein drittes, und schon bald schallte es von allen Seiten. Angestrengt versuchte ich das Gekläffe zu orten, nur verlor ich es wieder und wieder, weil es aus zu vielen Richtungen kam.

Selbst die Rinaldis an der Spitze der Gruppe verlangsamten das Tempo, sichtlich irritiert über ihre Jagdhunde – alle außer Eduardo. Gianno deutete nach links, dichter an die Grenze zum Wald von Salem, während seine Mutter nach rechts deutete. Eduardo schüttelte den Kopf, wies mit dem Kinn weiter geradeaus und stieß seinem Pferd in die Flanken, worauf es in den Galopp wechselte. Alle Gäste der Jagdgesellschaft folgten seinem Beispiel.

Während ich ebenso mithielt, warf ich einen fragenden Blick zu Teagan und Soo-Ri. Meine Leibwächterin zuckte nur flüchtig mit den Schultern.

»Die Hunde sind verwirrt und streiten. Keiner von ihnen findet eine Spur von dem angeblich isolierten Kind des Waldes« , informierte mich Soo-Ri.

»Wie ist das möglich? Hat Eduardo sich geirrt?«

»Das gefällt mir nicht, Harlow. Er sieht nicht aus, als würde ihn das allzu sehr verwundern.«

Ich schielte zu Eduardo. Er saß majestätisch auf seinem Pferd und deutete freudig in Richtung einer Lichtung. Soo-Ri hatte recht. Der Oberste der Rinaldis wirkte nicht irritiert, das Gegenteil war der Fall. Er wirkte motiviert, obwohl das Gebell der Hunde zunehmend fanatischer und verwirrter erklang. Eduardo Rinaldi war nichts davon. Da vorn ritt ein Mann mit einer Mission. Nur welche, war mir schleierhaft.

Bäume flogen an uns vorbei, Büsche mischten sich mit Stämmen zu verschiedensten Grüntönen. Der Geruch von frisch aufgewühlter Erde und Pferd stieg mir in die Nase. Eine weitere Note lag schwach darunter, nur konnte ich sie nicht greifen. War das Fingerhut?

»Kannst du Magie riechen?« , fragte ich Soo-Ri.

»Nein, wieso?«

»Ich rieche Fingerhut, und der wächst hier nicht. Gibt es eine Blutlinie, deren Magie danach riecht?«

»Rinaldi.«

Also wirkte jemand von ihnen Magie. Nur wer von ihnen sang, und vor allem, was sang die Person? Wieso sah ich keine Partikel, die umherschwebten wie bei jedem anderen Canto auch?

Wir durchbrachen den Wald, hinaus auf eine große Lichtung. Etwa hundert Meter vor uns saßen schweigend zwei Hunde. Erst als sie uns erblickten, kläfften die Hunde zur Begrüßung. Vor ihnen lag etwas Rundes, in der Größe eines Menschen in der Fötushaltung.

Eduardo hob die Hand, die Gruppe stoppte unverzüglich.

War es wirklich ein Wesen, das dort lag? Oder war das ein Baumstamm vor den Hunden? Ein mit Moos bewachsener Stein?

Der Duft nach Fingerhut verdeutlichte sich, woraufhin ich mich umsah. Doch keiner der Rinaldis wirkte gerade Magie.

»Die Hunde sind verwirrt. Sie sagen, das Kind verhalte sich komisch.«

Also war es wirklich ein Kind des Waldes und kein Baumstamm. Reflexartig sprang ich aus dem Sattel und rannte zu den Hunden.

»Da ist jemand aber erpicht darauf, der Beute den Rest zu geben!«, jubelte Eduardo. Sein Jagdgefolge stimmte in sein Gelächter ein.

»Harlow, bleib stehen, verdammt!«, rief Teagan.

Doch meine Füße trugen mich über die von der australischen Sonne ausgetrocknete Wiese. Nur noch dreißig Meter trennten mich von dem geschundenen Wesen.

Seit ich im Sanatorium gesehen hatte, dass wir die Kinder des Waldes retten konnten, weigerte sich alles in mir, sie als Feinde zu betrachten. Oli war nun auch eines von ihnen. Vielleicht sogar das Wesen direkt vor mir.

Zwanzig Meter.

Keines von ihnen bekämpfte uns freiwillig, sie waren dem Wald hörig, der sie als Geiseln hielt und gegen uns nutzte.

Zehn Meter.

Nur über meine Leiche würde ich die Rinaldis eines dieser Wesen töten lassen, solange es uns nicht von sich aus attackierte und ein Kampf unnötig war.

Fünf.

»Harlow, nicht! Das ist eine –«

Der Rest des Satzes ging in einem Knall unter.

Feuer fraß sich an meinem Körper empor, Flammen leckten über meine Kleidung und meine Haut, sie ließen nichts zurück als Verbrennungen. Eine ewige Sekunde später spürte ich, wie die Druckwelle der Explosion meinen Körper in seine Einzelteile zerriss.

Irritiert, wieso ich das alles fühlte, aber keine Schmerzen verspürte, obwohl ich gerade starb, blickte ich auf meinen zersprengten Körper hinab. Meine Seele schwebte strahlend als Kugel über meiner Leiche, nur um dann von einem noch helleren Licht durchfahren zu werden. Unerträglicher Schmerz wallte in mir auf, zog mich zurück in meinen Körper, ehe eine weitere Explosion über die Lichtung hallte.

Alles einnehmende Helligkeit flutete die Umgebung. Die Jagdgesellschaft schrie auf und alle hielten sich die Augen zu.

Licht legte sich um mich, linderte meinen Schmerz und fügte meinen Körper zusammen. Frieden und Liebe erfüllten mich, und ich sah Teagan in Dämonenform, die Gianno Rinaldis Hals umschlang – und ihm dann mit ihren Flügeln den Arm abtrennte.

Soo-Ri sang eine tiefe Melodie, grüne Funken stoben aus seinem Mund, wodurch eine Vielzahl an Tieren aus dem Wald strömte.

Die Jagdhunde bauten sich als schützender Kreis um mich auf und knurrten bösartig, während die Rinaldis von Schlangen, Känguru-Männchen und einer Schar Vögeln umzingelt wurden.

Ich glaubte sogar, einen Tiger zu sehen, doch schon fielen meine Augen zu und alles versank in Frieden und Dunkelheit.