I ch öffnete die Augen, und im ersten Augenblick wirkte alles unfassbar dunkel. Nach dem Licht, der Wärme und der Gelassenheit von Vallhö fühlte sich dieser Ort trist und finster an.
Wo war ich?
Meine Augen gewöhnten sich langsam an die Dunkelheit, und ich sah mehrere kleine Lichtpunkte an einer Maschine neben mir. Durch das Fenster drang ein Hauch von Pink. Neonreklame. Ich war zurück in Sydney, auf der Erde, in meiner Welt.
Mühsam versuchte ich aufzustehen, doch dieser Körper wirkte, als wären alle Muskeln eingeschlafen. »Scheiße, wacht auf!«, befahl ich meinen Armen und Beinen.
Plötzlich ging eine Lampe an und strahlte mir direkt ins Gesicht. Für einen Moment dachte ich, die Walküren hatten mich zurückgeholt – so hell wirkte es. Gerade als sich meine Augen daran gewöhnten, wurde ich von einem Berg harter Muskeln fast erschlagen und bekam Dutzende Küsse auf mein Gesicht gedrückt. Jax, er hatte offenbar neben meinem Bett geschlafen.
»Zur Urmutter, du bist wach. Ich … Shit! Ich liebe dich!« Weitere Küsse folgten, und er hielt mich so fest, dass Hrist neidisch geworden wäre. Dennoch lächelte ich und atmete den Duft seiner Magie ein. Das hier war zu Hause, Jax war zu Hause, ich war zurück. »Teagan, er ist wach!«
Die Tür flog auf, und sofort erdrückte mich eine weitere Person – zu meiner großen Überraschung küsste auch sie mich. Zwar nur einmal auf die Stirn, aber dennoch hatten wir diese Grenze bisher nur selten überschritten. Tränen der Freude bildeten sich in meinen Augen, und ich drückte sie zurück.
Teagan löste sich von mir und schlug dann leicht gegen meinen Kopf.
»Aua! Was sollte das jetzt?« Ich sah sie verwirrt an. »Der Kuss hat mir besser gefallen!«
Jax lachte an meine Brust gepresst, offenbar nicht gewillt, mich loszulassen. War mir nur recht.
Teagan hingegen schmunzelte und versuchte dabei böse zu schauen. »Mach das nie wieder! Verstanden? Wir dachten, dass wir dich nie wiedersehen.«
»Wie viel Tage sind vergangen? Sechs?«, fragte ich, um sicherzugehen.
Jax und Teagan sahen mich verwundert an. »Woher weißt du das?«, stellte er dann die Frage.
»Können wir zuerst …«
Meine Großmutter, Phoebe und Declan stürmten ins Zimmer, als hätten sie meine Gedanken gelesen, und erneut wurde ich Empfänger von Umarmungen und Küssen. Also nicht von Declan – wobei es sicher interessant gewesen wäre, was Jax ihm dann angetan hätte. Bei dem Gedanken kicherte ich. Ganz offensichtlich wirkte die Aura aus Vallhö nach.
»O nein, ist er wieder auf Medikamenten?«, fragten alle Anwesenden unisono.
»Nein, nur … Puh, setzt euch.«
Sie suchten sich alle einen Platz und sahen mich erwartungsvoll an. Jax hielt mich weiterhin umklammert und meine Großmutter legte ihre Hand auf meine.
»Kannst du den Raum abhörsicher machen?«, fragte ich an Granny gewandt, die als Antwort den Canto sang und mir danach zunickte.
»Also«, setzte ich an und erzählte ihnen von meinen sechs Monaten in Vallhö. Ihre Gesichter durchliefen unzählige Emotionen, während ich redete. Von Unglaube über Staunen bis hin zu Freude war alles dabei.
»Dann war es Zeit zurückzukehren, und ich bin hier aufgewacht«, beendete ich die Erklärungen.
»Wir sollten deinen Plan morgen in Ruhe besprechen, heute lassen wir dir und Jax erst einmal Zeit, mein Liebling.« Meine Großmutter strich mir eine Strähne aus dem Gesicht.
»Ich bring euch aufs Ingram-Anwesen«, sagte Declan. »Seid ihr bereit?«
Gleich.
Gleich war ich bereit.
Eine Sache musste ich noch beichten.
»Ach so, ich bin übrigens eine Halbwalküre. Überraschung!« Ich wedelte wie ein Zirkusclown mit den Fingern. »So, jetzt können wir fahren.«
Alle Besucher starrten mich mit öffnen Mündern und geweiteten Augen an. Niemand schien Worte zu finden. Einen Moment später japste meine Granny nach Luft.
Jax stammelte vor sich hin.
Teagan musterte mich, als wäre ich besoffen.
Phoebe grinste breit.
Declan stöhnte und sagte, dass er kündigen würde.
Und ich? Ich war zu Hause, bei den Menschen, die mich liebten.
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* * *
Wenn ich gewusst hätte, dass mir sterben und wiederauferstehen den besten Sex meines Lebens einbringen würde, hätte ich das schon deutlich eher gemacht.
Zufrieden lag ich im Bett, die Augen weiterhin geschlossen, und summte leise vor mich hin. Nachdem ich gestern erwacht war, hatten Jax und ich eine gemütliche Nacht im Anwesen der Ingrams verbracht.
Erst hatten wir gelacht, dann geweint, dann hatten wir Sex, nur um dann erneut gemeinsam zu lachen, weil das Leben trotz drohender Schlacht in diesem Moment perfekt wirkte. Nach dem Aufstehen hatten wir ein weiteres Mal miteinander geschlafen, und jetzt kuschelte ich mich gerade an ihn, weshalb ich glücklich und zufrieden hier lag und seinen Geruch einatmete.
»Du strahlst«, flüsterte Jax ehrfürchtig.
»Danke, könnte daran liegen, dass wir gerade …«
»Ähm, nein. Ich meine das wörtlich. Du strahlst . Dein Körper sieht aus wie eine verdammte Sternkarte.«
Ich öffnete die Augen und zur Urmutter, er hatte recht. Dünne goldene Linien und strahlend helle Punkte überzogen meine nackte Haut. Überall auf meinen Körper fand sich dieses Muster, das an Sternbilder erinnerte, Freyas und Hrists Haut gleich, die das gleiche Muster zierte. Offenbar zeigte sich ein Teil meiner Walkürengestalt auch auf der Erde, sobald ich ehrlich glücklich und zufrieden war, ohne dass ich eine der Hymnen dafür brauchte.
Vorsichtig schielte ich zu Jax und verzog unschuldig den Mund. Kurz überlegte ich zu pfeifen, um den Eindruck der Unschuld zu verstärken. Mein Aufenthalt in Vallhö hatte einiges verändert, ebenfalls einen großen Teil meiner Ernsthaftigkeit durch Verspieltheit ersetzt.
»Guck mich nicht so an, Harlow!«, sagte Jax, richtete sich auf und warf mir einen Kein-Bullshit-Blick zu. »Wieso leuchtest du wie eine Glühbirne?«
»Ich mochte den Sternbildervergleich lieber«, brummte ich.
»Harlow!« Jax zog beide Brauen in die Höhe.
»Du erinnerst dich, dass ich eine Halbwalküre bin?«
»Als ob ich das jemals wieder vergessen könnte.« Er lachte leise.
»So sehen sie … wir … aus. Das ist meine Walkürenform. Na ja, jedenfalls ein Teil davon. Wenn ich die Hymne singe, die sie gänzlich enthüllt, habe ich noch Flügel aus Licht am Rücken.«
»Verstehe.« Er räusperte sich. »Ist es komisch, dass es mich heiß macht, wie wunderschön du in der Form aussiehst?«
»Ist gespeichert. Immer wenn du sauer auf mich wirst, wechsel ich in diese Form, damit du mich nur voller Staunen ansiehst und vergisst, dass wir streiten.«
»Ach, sei ruhig.« Er fuhr gedankenverloren mit seinen Fingern über die goldenen Linien auf meiner Brust. Er zeichnete sie nach bis zu meinem Bauchnabel, kehrte wieder um und verfolgte sie bis zum Hals. Es kitzelte, erfüllte mich aber mit Wärme.
»Wir sollten heiraten, nachdem du Casiopaia besiegt hast«, sagte er. Mein Körper verkrampfte sich.
»Bitte was?«
»Entspann dich!« Er hob seinen Kopf von meiner Brust und küsste erst mein Kinn, dann meine Unterlippe, um mir daraufhin einen langen Kuss zu geben. »Wir beide sind keine Menschen und wissen, dass Hexenhochzeiten aus Vernunft eingegangen werden und nicht aus Liebe.«
Er hatte recht. Und doch stach der Zusatz »und nicht aus Liebe« wie ein Messer in meiner Brust und ließ mich zittern. Liebte er mich nicht? War ich nur eine Ablenkung für ihn? Hatte ich meine Gefühle, die ich für Liebe hielt und auch in Jax’ Verhalten gelesen hatte, nur falsch gedeutet?
»Hey«, hauchte er sanft, vermutlich weil er mein Zittern bemerkte. »Harlow Jammison Cassidy McQueen, ich liebe dich.« Er küsste meine Nase. »Und das vermutlich schon viel länger, als ich es mir eingestehen will.«
Ich lachte leise. »Ja, ich liebe dich auch – ebenso länger, als ich mir eingestehen will.«
»Gerade deswegen sollten wir heiraten«, fügte Jax hinzu. »Wir beide wissen doch ohnehin, welcher Name als dreizehnter auf der Ahnentafel stehen wird. Hast du heute Nacht nicht davon geträumt?«
Mehrfach blinzelte ich. Doch, das hatte ich. Nur hatte ich es als Wunschdenken abgetan. Als einen Nachhall meiner Zeit bei den Walküren. Aber wenn Jax denselben Traum gehabt hatte, war es dann mehr? Ein Omen? Eine Vision?
»Vallhö«, flüsterte ich. »Kurz bevor ich erwacht bin, bat mich Freya im Fall einer Hochzeit, dass wir unseren Namen in Ingram-McQueen von Vallhö ändern, um allen Hexen zu verdeutlichen, dass die Walküren über uns wachen.«
»Das ergibt Sinn, ebenso wie eine Hochzeit«, stimmte Jax zu. »Es ist zum einen die vernünftigste Entscheidung. Wir sind über den Foedus Fidei verbunden, unsere Magie giert nacheinander und … na komm … wir sind ein gutes Team.«
Ich schmunzelte und stimmte mit einem »Mhm« zu.
»Und zum anderen haben wir etwas, was die meisten Hexenehen nicht haben: Gefühle füreinander. Liebe. Mein Vorschlag ist mehr als vernünftig. Er ist das, was ich für unsere Zukunft sehe. Es fühlt sich richtig an. Unsere Magie bestätigt das. Sie weiß, dass wir zusammengehören. Mir ist egal, ob wir jung sind und es übereilt ist. Ich habe keine Zweifel an uns. Wieso also warten, wenn es zudem unsere Magie stärkt und somit deine Position als Hexenkönigin?« Jax atmete einmal tief ein und sagte beim Ausatmen: »Und falls es mit der Liebe doch nicht klappt, sind wir immerhin das berühmteste Power Couple der Hexenwelt.« Er knuffte mich in die Seite, woraufhin ich ehrlich lachte.
»Das war ein äußerst lahmer Antrag«, sagte ich. »Ich hatte ja mindestens mit Tauben oder einem Kniefall gerechnet.«
Jax strahlte über das ganze Gesicht. »Ist das ein Ja?«
»Ja!«
Wir besiegelten mein Wort mit einem Kuss und kuschelten uns aneinander.
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* * *
Am nächsten Tag trafen wir uns in dem Lager der Herzen, die in meiner Abwesenheit angefertigt worden waren. Vor Jax, Declan, Granny und mir standen Dutzende Regale, in deren Fächern Hunderte magische Herzen lagen, aus Edelsteinen, Ästen und Pflanzen erschaffen. Sie glitzerten im Licht der Deckenbeleuchtung. Ein jedes Herz glich einem Kunstwerk. Jax hatte sein Handwerk mit absoluter Perfektion ausgeführt.
Declan und Granny hatten mich in die Herzkammer geführt, nachdem ich ausführlich von Vallhö, meinem Halbwalküren-Dasein und von Hrists Plan berichtet hatte. Dieser umfasste, dass ich die Hexenkönigin durch eine Demonstration meiner Walkürenmacht hervorlocken würde, der sie nicht widerstehen könnte, um dadurch ihren zeitsensiblen Plan ins Wanken zu bringen.
Die magischen Herzen zum Schlagen zu bringen stellte den letzten Schritt dar, bevor wir morgen zum Blutmond in den Wald aufbrechen würden.
»Sie sehen umwerfend aus«, sagte ich.
»Danke«, antwortete Jax und seine Wangen färbten sich rot.
»Wie viele sind es?«
»Mehrere Hundert«, gab mir Declan die Antwort. »Und wenn wir angeblich morgen Abend in die Schlacht ziehen, weiß ich nicht, ob du genug Zeit hast, sie alle zu erwecken, Harlow.« Er drehte sich zu meiner Großmutter. »Soll ich eine Liste erstellen, wen wir dringend brauchen und auf wen wir zähneknirschend verzichten können?«
»Das wäre –«, setzte Granny an.
»Nicht nötig«, beendete ich ihren Satz.
Alle Anwesenden blickten verwirrt zu mir. Teagan sah mich sogar mitleidig an, so als hätte ich meinen Verstand in Vallhö gelassen.
»Ähm … Das könnte nun komisch werden«, sagte ich unsicher. »Aber … ich muss euch sagen, dass ich mich … verändert habe.«
»Ist mir schon aufgefallen«, murmelte Teagan. »Happy Harlow 2.0.«
Ich grinste. »Das auch, aber das meinte ich nicht. Erschreckt euch bitte nicht.«
Ich stimmte eine Hymne an, stellte mir im Geiste vor, mein Hexenblut von dem der Walküren zu trennen, und sang den letzten Ton. Unmittelbar darauf veränderte sich mein Körper und Lichtflügel erschienen an meinem Rücken. Goldene Linien erstrahlten auf meiner Haut, verbanden die leuchtenden Punkte miteinander, und die Gelassenheit der Walküren durchspülte jeder meiner Zellen.
»O Shit«, entfuhr es Declan und Phoebe gleichzeitig.
»Beeindruckend«, sagte meine Großmutter.
»Er sieht aus wie eine Lichterkette«, sagte Teagan.
»Ja, stellt euch das mal direkt nach dem Aufwachen vor.« Jax rollte mit den Augen, lächelte mich aber verschwörerisch an.
»Okay, das ist ein cooler Trick«, ergriff Declan das Wort. »Nur ändert der Sternbild-Harlow nichts an dem Problem, dass du zu viele Herzen in zu kurzer Zeit zum Schlagen bringen musst.«
Ohne große Erklärung holte ich Luft, formte die nötigen Töne und verstärkte meine Blutgabe des Erweckens mit der Macht der Walküren, bevor ich sie erklingen ließ. Laut, hell und glasklar. Meine Melodie schwebte durch den Raum, vervielfachte sich zu einem Chorgesang.
Meine Großmutter zog scharf die Luft ein und legte sich ihre Hände über den Mund. Sie verstand direkt, was ich tat, und ihre Augen glühten voller Bewunderung und Liebe.
Lichtstrahlen stoben wellenartig von meinem Körper aus. Sie legten sich über die Regale, über alle Herzen und erhellten den gesamten Raum. Wärme, Zufriedenheit und Einklang, die hoffentlich auch die anderen erreichten, lagen in diesem Licht. Liebe und Hoffnung durchfluteten mich in einer derartigen Wucht, die mir Tränen in die Augen trieb.
Rechts von mir hörte ich das erste Schlagen eines der Herzen. Ein zweites folgte, dann ein drittes. Nach nur wenigen Augenblicken schlugen Hunderte Herzen so laut, dass der Raum wie der Motor eines Rennwagens zu schnurren schien. Das Geräusch wurde immer lauter und lauter, sodass es nach wenigen Augenblicke den ganzen Raum einnahm.
Die Münder der anderen bewegten sich, doch ich verstand kein Wort. Zu laut schlugen die Herzen und kündigten die kommende Schlacht an.
Declan deutete auf die Tür, und wir folgten ihm auf den Gang. Ich wechselte zurück in meine normale Hexenform, da ich nicht vorhatte, direkt wieder eine Hymne zu singen. Nachdem die schwere Sicherheitstür ins Schloss gefallen war, umgab uns Stille. In meinen Ohren rauschte es so laut, als hätte ich Stunden in einer Disco verbracht, und mein Gehör musste sich wieder an die Ruhe gewöhnen.
»Was zur Urmutter war das?«, fragte Declan.
»Jedenfalls kein Belcanto«, antwortete Phoebe.
»War ja klar. Ich sitze ewig an den Herzen, um sie zu erschaffen, und Harlow McQueen trällert ein Liedchen und alle fangen an zu schlagen. Herzlichen Dank auch.« Vor wenigen Wochen hätte Jax’ Aussage vermutlich giftig geklungen, jetzt grinste er und ergriff meine Hand.
»Die Walküren nennen ihre magischen Gesänge Hymnen . Ich habe eine davon mit meiner Blutgabe gemischt, um damit alle Herzen zeitgleich zu erwecken.«
»Kannst du die Hexenkönigin damit töten?«, fragte Declan schlicht. Keine Emotionen schwangen in der Frage mit. In diesem Moment war Declan kein Freund, sondern der Ausbilder der Reaper und Teil der Leitung dieses Einsatzes. Neutrale Professionalität durch und durch.
»Wenn wir uns an den Plan halten, den ich erklärt habe … Ja.« Ich nickte. »Die Hymne, die Hrist mich gelehrt hat, entreißt Casiopaia den Fluch und brennt ihn auf meine Stirn ein. Sie stirbt an Altersschwäche und ich werde zur neuen Hexenkönigin.« Ein langes Seufzen entfuhr meiner Kehle.
»Du hast Zweifel.«
»Declan, das ist kompliziert.« Schwerfällig atmete ich durch und sah ihn an. »Ich zweifle nicht an dem Plan, denn ich glaube wirklich, dass er funktioniert.« Dennoch krochen andere Zweifel hervor und stießen ihre Klauen in mich. »Ich habe Angst, ob ich bereit bin, zur Hexenkönigin zu werden. Ob ich bereit bin, jemanden dafür wissentlich zu töten.«
»Und das ist gut so«, antwortete Declan.
Seine Worte erstaunten mich so sehr, dass ich einen Schritt zurückwich. »Wie bitte?«
»Dieses Zögern, die Zweifel, der Unwille zu töten – all das sind Eigenschaften, die wir bei der neuen Hexenkönigin brauchen.« Er kam zu mir und legte seine rechte Hand auf meine Schulter. »Würde es dir leichtfallen zu morden und sich alles in dir nach der Macht der Krone sehnen, dann wärst du wie Casiopaia. So aber«, er atmete ein und tief wieder aus, »besteht Hoffnung. Außerdem hast du Jax, der dich liebt, deine Großmutter, die dich anbetet, und meine Schwester, die dich mächtig cool findet und kurz davor ist, einen Harlow-Fanclub zu gründen. Wusstest du, dass sie sogar einen Ship-name für euch hat? Jaxlow .« Er lachte.
Phoebe schnappte nach Luft und ihr Hals färbte sich rot. Offensichtlich war dieser Name etwas, was Declan nicht hätte verraten sollen. Jax grunzte amüsiert und formte mit den Lippen ein stilles Jaxlow zu seiner Partnerin, die es mit einem Mittelfinger quittierte.
Declan schenkte mir ein Lächeln. »Und in mir hast einen angehenden Freund und treuen Untergebenen, der hofft, dass du zu der Hexenkönigin wirst, die ich jetzt schon in dir sehe.«
All das beruhigte mich, baute meine Zweifel Stein für Stein ab. Er hatte recht, ich besaß etwas, was Casiopaia fehlte: Liebe, eine Familie, Angelina als meine wahre Mutter, Freunde. Sie würden mich erden und mein Anker sein, wenn ich sie bräuchte.
Also nickte ich ihm zu und atmete tief durch. »Na, dann los. Wir sollten die Herzen verteilen. Morgen Abend um acht betreten wir den Wald von Salem.«
»Ach, eins noch«, sagte Jax. Bei seinem Lächeln voller Liebe und Vorfreude ahnte ich direkt, was kommen würde, konnte ihm aber nicht rechtzeitig den Mund zuhalten. Natürlich war es in unserer Welt kein großes Ding – aber irgendwie war es das dann doch. Jedenfalls für mich. »Wir heiraten nach dem Sieg.«
Stille.
»O nein, jetzt bin ich aber überrascht«, sagte Teagan, lächelte mich aber liebevoll an.
Phoebe sprang freudig in die Luft und streckte die rechte, zur Faust geballte Hand gen Decke. Die linke hielt sie Declan mit geöffneter Handfläche hin. »Zahltag, Loser! Hundertfünfzig Dollar bitte!«
»Hättet ihr nicht drei Monate warten können, dann hätte ich die Wette gewonnen«, grummelte Declan.
»Hat die Tafel zu euch gesprochen??«, fragte Granny an Jax und mich gerichtet.
»Ingram-McQueen von Vallhö«, antwortete ich.
»Ingram-McQueen von Vallhö wird eure und somit die dreizehnte Blutlinie sein – mit dem stärksten Hexenblut aller«, bestätigte sie mir.
»Glaub ja nicht, dass du dann mein Boss wirst, du Knirps«, knurrte Declan Jax an.
»Warte mal. Bin ich dann wirklich sein Boss?« Mit einem breiten Grinsen sah Jax zu Phoebe.
»Nein!«, entfuhr es Declan.
»Ja, als Königspaar untersteht euch dann die gesamte Hexenwelt. Auch der Reapers Den «, antwortete Phoebe schmunzelnd. »Na ja, besser gesagt: vor allem der Reapers Den . Da wir seit jeher die persönliche Armee der Krone sind – ausgenommen unter Casiopaias Schreckensherrschaft.«
»Ich kündige übrigens nach der Schlacht«, sagte Declan und polterte schweren Schrittes davon.