Ich hatte sie lange nicht gesehen. Ich vermisste sie. Mein Herz sehnte sich nach ihr. Mein Körper verlangte nach ihr. Ich wusste, dass sie an diesem Tag von ihrer Reise zurückkommen würde, und erwartete ihren Anruf.
Sie rief an. Sie sagte mir, dass sie zurück sei. Sie habe viel zu tun. Sie könne mich erst morgen treffen.
Am nächsten Tag kam sie. Sie war wunderschön. Wir umarmten uns und weinten. Wir hielten uns lange in den Armen. Wir legten uns hin, sie massierte mich wundervoll und ich streichelte sie sanft. Dann sagte sie mir ganz abrupt, dass sie etwas zu erledigen habe und deshalb gehen müsse.
Es zerriss mir das Herz. Wir waren so offen, so liebevoll – warum nun dieser plötzliche Wandel? Sie sagte mir, dass sie einfach auf die Uhr geschaut und gesehen habe, wie spät es war, und jetzt müsse sie wirklich einige wichtige Sachen erledigen.
Ich wusste, dass bei ihr wie bei jedem Menschen gelegentlich der Kopf plötzlich Oberhand über ihre Gefühle gewann und sie sich unnötigerweise mit angespannten und oberflächlichen Gedanken und Aufgaben beschäftigte. Aber dieses Mal konnte ich meine eigene Bedürftigkeit spüren. Ich erwartete tatsächlich, dass sie mir Erfüllung schenkte. Aber das würde sie nicht tun. Könnte sie nicht. Wahrscheinlich würde sie es nie tun.
Am nächsten Tag rief sie an und sagte mir, wie sehr sie mich liebe. Dann sagte sie mir, dass sie den Abend mit Freunden verbringen werde. Hatte sie denn keine Ahnung, dass ich sie sehen wollte? Wusste sie denn nicht, wie sehr ich sie vermisste?
Ich beschloss, auf nichts zu bestehen. Auch wenn sie vielleicht die Liebe und Intimität mit mir vermied, so verspürte ich doch am stärksten meine eigene Bedürftigkeit nach ihrer Liebe. Ich spürte mein eigenes Bedürfnis nach einer „Mutter“, einer Partnerin, die immer für mich da war und auf die ich mich in der Liebe verlassen konnte.
Mein Herz schmerzte. Als ich sie schließlich traf, gab ich mir alle Mühe, ihr Liebe zu geben, anstatt zuzulassen, dass mich meine Bedürftigkeit nach ihrer Liebe zu Fall brachte. Sie spürte mein verwundetes Herz und mein Verharren in der Liebe. Sie öffnete sich in meine Verwundung. Tränen stiegen uns in die Augen, während sie zu mir hinschmolz. Wir waren völlig schutzlos, unsere beiden Körper verschmolzen zu einem und unsere Herzen vereinten sich ohne Trennung. Unsere Liebe war die ursprüngliche Freude.
Natürlich stand sie nach ein paar Stunden auf und sagte mir, dass sie abends andere Pläne hätte. Und erneut spürte ich, wie ein Gefühl des Verrats in mir emporstieg. Wie konnte sie nur so kalt sein, wenn wir doch gerade so liebevoll miteinander gewesen waren?
Dieser Kreislauf setzte sich fort. Schließlich lief ich mit ungeschütztem und empfindlichem Herzen umher und erwartete keinerlei Erfüllung. Für mich war es nun offensichtlich, dass mein unerwidertes Bedürfnis nach Liebe ein Bedürfnis war, das von keiner Frau gestillt werden konnte. Die einzige „Frau“, die mein Bedürfnis nach Liebe erfüllen konnte, war diejenige, die ständig auftauchte. Die Gestalt dieser „Dame“ formt der gegenwärtige Moment. Diese „Sie“ ist das Erleben in diesem Augenblick. „Sie“ tanzt immer als das, was an Bildern, Tönen, Texturen, Gedanken und Emotionen im Bewusstseinsfeld flimmert. Und die Liebe ist die Musik, die sie zum Tanzen bringt.
Mein unangebrachtes Verlangen nach der perfekten Einheit und der Verwirklichung des völligen Nichtgetrenntseins hatte mich glauben lassen, dass mich die Vereinigung mit meiner Geliebten erfüllen könne. Aber egal wie tief ich mit ihr oder einer anderen Frau verschmolz, gab es andere Momente, in denen wir getrennt sein würden. Zwangsläufig würde es Augenblicke geben, in denen wir uns verletzten oder voreinander verschlossen und schließlich einander verlassen würden, und wenn es auch nur im Tode wäre.
Ihre augenblickliche Liebe für mich, ob sie diese nun kraftvoll oder nur geringfügig zum Ausdruck bringt, reicht nicht aus, um mein tiefstes Bedürfnis zu stillen. Meine einzige Alternative besteht darin, die Liebe selbst zu praktizieren: mich als Liebe zu öffnen, Liebe zu sein, Liebe zu geben, ohne der Illusion ihres Versprechens hinterherzujagen. Ich empfange diesen Augenblick als meine Geliebte und spüre bei unserer Vereinigung durch „sie“ hindurch, transparent im Raum der einen Liebe verweilend. Mein Herz dehnt sich Richtung Heimat und erwartet keine zukünftige Linderung mehr.
Eine der grundlegenden Lektionen des spirituellen Wachstums vollzieht sich, wenn du erkennst, dass dich nichts im Leben besonders lange oder tiefgreifend erfüllen kann. Selbst Dinge, für die du sehr hart gearbeitet hast, stellen einfach nur einen weiteren Augenblick dar, sobald du sie erreicht hast. Es gibt einige unglaubliche Glücksmomente im Leben, die aber wieder vergehen. Und auch wenn sie anhalten, ist immer die Anspannung und Angst vorhanden, dass sie vielleicht nicht länger dauern könnten.
Dein Geliebter oder deine Geliebte stellen diese Lektion in konzentrierter Form dar. Er oder sie werden dir nie die wahrhaftige Erfüllung schenken – nicht für alle Zeiten und noch nicht einmal besonders eindringlich in den besten Zeiten. Die Tiefe der Liebe, die ihr möglicherweise miteinander teilt, ist wahrscheinlich recht anfällig, sodass ein falsches Wort oder nur eine falsch verstandene Geste den großartigsten Augenblick in einen gierigen Schlund von Schmerz und Bedürftigkeit verwandeln kann.
Anfangs mag das wie eine schlechte Botschaft klingen – eine gute Ausrede, um sich ein paar hinter die Binde zu gießen oder eine Packung Kekse zu verspeisen. Aber es ist äußerst wichtig, diese Botschaft zu empfangen. Du musst nämlich keine Zeit mehr verschwenden in der Hoffnung, dass du die Erfüllung ein für alle Mal durch die Liebe in einer Beziehung findest. Stattdessen kannst du deine Beziehung – und dein gesamtes Leben – der Erkenntnis der Wahrheit dieses und eines jeden Augenblicks widmen: Dieser Moment besitzt Raum, er ist erfüllt, bewusst und strahlend, egal ob du nun das Gefühl hast, Liebe zu bekommen oder nicht.
In jedem Augenblick, selbst wenn du nicht so behandelt wirst, wie du dir das wünschst, kannst du Liebe verwirklichen und geben, weil du Liebe bist. Du bist Bewusstsein, das als Liebe lebendig ist und als die Fülle dieses Augenblicks tanzt. Du bist mit der von dir gesuchten Liebe bereits eins. Wenn du Atem, Körper und Geist auf diese Wahrheit der Liebe ausrichtest, dann wird dein Leben zu einem Medium, durch das die Liebe die Welt und deine Beziehung betreten kann.
Wenn du dich weiter verschließt, sobald du verletzt wirst, hat die Liebe keine Chance. Aber selbst wenn du verletzt wirst, stellt deine Praxis der Offenheit der Liebe einen Kanal zur Verfügung, über den du den Augenblick einströmen lassen kannst, und dazu gehören auch schwierige Beziehungsmomente.
Wie praktizierst du Liebe, wenn du verletzt, ängstlich oder wütend bist? Entspanne zunächst einmal deinen ganzen Körper. Lass den ganzen Stress los, vor allem jegliche Anspannung auf der Vorderseite deines Körpers. Entspanne Bauch, Brust, Hals und Gesicht, während du voll und sanft atmest. Es ist in Ordnung, wenn du weinst oder schreist, kehre einfach zu einem vollen, offenen Atem und einem entspannten Körper zurück – vor allem zu einem weichen Bauch und einer weichen Brust –, sobald du dazu in der Lage bist.
Schaue wenn möglich direkt in die Augen deines Geliebten. Während du weiter tief und voller Leichtigkeit atmest, entwickle das Gefühl, deinen Geliebten zu atmen. So als würdest du seinen Atem atmen. Dann habe das Gefühl, als würdest du durch deinen Geliebten atmen. Sei bereit, Schmerz, Wut, Verletzung, Angst und Anspannung deines Geliebten wahrzunehmen. Atme alles in deinen Körper ein und lasse dann alles los, atme Liebe in deinen Partner hinein und durch ihn hindurch.
Es ist in Ordnung, wenn du schreist oder zitterst, aber bemühe dich nach Kräften, nicht in dich zusammenzufallen. Halte deinen Körper offen und sanft entspannt. Übe, deinen Atem und deinen Körper auf diese Weise in der Fülle zu belassen, selbst wenn du aufgrund deines emotionalen Schmerzes dein Herz verschließen und in den Brustraum zurückziehen möchtest. Halte dein Herz und deinen Körper durch die Offenheit deines Atems weiter geöffnet.
Spüre mit jedem Atemzug den gesamten Raum – vor und hinter dir, rechts und links, über und unter dir –, und setze deinen Atem ein, um Liebe von deinem Herzen nach außen zu „tragen“, wobei du dich in alle Richtungen ausdehnst und den gesamten Raum und deinen Geliebten durchdringst und umschließt.
Übe dich darin, deinen Geliebten auf diese Art und Weise zu empfangen: Atme Liebe, gib Liebe und verstärke die Liebe, vor allem inmitten deines Schmerzes. Wenn dich dein Geliebter abweisen und es dir das Herz zerreißt, dann verwirkliche Liebe, indem du Liebe atmest. Realisiere Liebe durch jede deiner Handlungen – durch jedes Wort, durch deine Tränen und dein Lächeln. Und wenn die Gelegenheit geeignet sein sollte, dann vollziehe auf diese Art und Weise die sexuelle Liebe, durch offenes Atmen und Fühlen.
Diese Praxis kann qualvoll sein. Sie lässt es nicht zu, dass du dich zusammenrollst und hängen lässt. Sie sorgt dafür, dass dein kindliches Schmollen keinen Halt findet. Wenn dein Herz wirklich zerrissen und zerfetzt ist, dann fühlt sich dieses Offenbleiben und Liebegeben so an, als ob du sterben würdest. Dennoch besteht die Praxis eigentlich darin, über deinen Atem, Körper und dein Gefühl Liebe zu geben, auch wenn du dich einfach nur verschließen und Liebe, Behaglichkeit und Verehrung empfangen möchtest.
Man wird dir nie so viel Liebe geben, dass du keine mehr haben möchtest. Du verlangst nach Liebe, weil du deine Aufmerksamkeit falsch ausgerichtet hast und verhungerst. Du wirkst an Ereignissen und Beziehungen mit in der Hoffnung, dass sie dich letztendlich ein für alle Mal erfüllen. Das wird aber nicht passieren. Wirke stattdessen durch Ereignisse und Beziehungen mit, bis du das erkennst, was immer wahr ist. Nimm durch sie hindurch teil, bis du die ständig präsente Offenheit wahrnehmen kannst, in der sie stattfinden. Spüre dich durch deinen Schmerz und deine Freude hindurch, spüre durch deine(n) wütende(n) Geliebte(n) und deinen Arbeitstag hindurch, bis du die Offenheit des Fühlens selbst intensiver wahrnimmst als die Dinge, durch die du hindurchfühlst.
Welche Natur besitzt deine ursprüngliche Offenheit? Wie weiträumig fühlt sie sich im Vergleich zu der Befreiung an, die du bei der Arbeit herbeiwünschst? Wie vollständig fühlt sie sich an verglichen mit der Liebe, die du dir von deiner oder deinem Geliebten erhoffst? Wie intim ist diese Offenheit im Vergleich zum Körper deiner oder deines Geliebten?
Sämtliche Ersatzbefriedigungen lösen sich auf, wenn du als Liebe offen bleibst. Sie erscheinen zwar erneut, aber ohne dass sie erfüllt werden müssen. Vielmehr verkörpern deine Arbeit und deine Geliebte dann entweder die Freuden der Offenheit oder testen deine Fähigkeit, Liebe zu atmen und Liebe zu sein, selbst wenn deine persönlichen Bedürfnisse nicht befriedigt werden. Deine Arbeit und dein Geliebte(r) sind dein eigener Körper, die Form deines Lebens, die Form, die dir gegeben wurde, um so lange in die Liebe einzutauchen, wie sie existiert. Schließlich wird alles verrotten und selbst jetzt stinkt es schon ein bisschen. Es ist albern zu erwarten, dass es dich erfüllt.
Wenn dein Geliebte(r) deine Bedürfnisse verleugnet, dann verleugne nicht die Liebe. Öffne deinen Körper. Atme Liebe, strahle Liebe aus, durchdringe sämtlichen Raum mit Liebe. Dabei lebst du die Wahrheit, dass du Liebe bist, und du lässt zu, dass die Liebe deine Beziehung ständig durchdringt, selbst wenn Schmerz den jetzigen Augenblick prägt. Es braucht Zeit, das ganze Zeug zu verarbeiten, das zwischen dir und deiner bzw. deinem Geliebten hochkommt. Wenn sich das Drama deiner Beziehung (oder deiner Karriere) im Laufe der Zeit entfaltet, dann erinnere dich daran, dass diese Praxis der Liebe immer zur Verfügung steht und deine tiefste Wahrheit zum Ausdruck bringt – und zwar genau jetzt.
Stell dir vor, dass deine Frau auf dich lauert, weil sie Sex haben möchte. Sie starrt dich mit diesem Blick an, der sagt, dass sie dich wirklich dringend haben will. Ihr Verlangen macht dich an. Ihre sexuelle Offenheit erregt dich. Ihr umarmt euch und sie reibt sich an dir. Sie fällt auf die Knie, greift deinen Penis und nimmt ihn in den Mund. Du ejakulierst fast augenblicklich. Sie regt sich auf, dass du so schnell gekommen bist. Du fühlst dich ebenfalls schlecht. Was tun?
Praktiziere die Fülle, selbst wenn du dich erschöpft fühlst oder schämst. Was deine Frau beim Sex wirklich von dir will, ist, an einen anderen Ort getragen zu werden, damit sie deine Präsenz spürt und von deiner Liebe erfüllt wird, sodass sie dir vertrauen und sich vollkommen in ganzer körperlicher Glückseligkeit hingeben kann. Du brauchst dafür keinen erigierten Penis, auch wenn es – zusätzlich zu deinem Bewusstsein und deiner Leidenschaft – ein genüsslicher Weg ist, sie in Liebe zu überwältigen, wenn du sie mit deinem Penis erfüllst.
Mit oder ohne Erektion kannst du die Fülle spüren, die du bereits bist, und sie durch deinen gesamten Körper übertragen. Es ist eine Sache, sich zu verstellen und so zu tun, als seiest du stark, während du dich innerlich schwach fühlst. Es ist eine andere, die Tiefe deines Seins zu lokalisieren und dich als diese zu entspannen. Lass zu, dass sich ihre tiefe Energie über deinen Atem und deinen Körper manifestiert. Durchdringe dann deine Frau mit dieser Liebesenergie. Eine solche Praxis ist immer möglich, selbst wenn du dich körperlich besiegt fühlst oder ein emotionales Tief hast.
Lokalisiere deinen Herzschlag. Spüre deutlich, wie jeder Schlag beginnt und endet. Stelle fest, dass „du“ mit deinem Herzschlag überhaupt nichts zu tun hast, denn er setzt sich fort, ob du nun schläfst oder wach bist, ob du ein Experte oder ein Versager auf dem Gebiet der Sexualität bist.
Nimm wahr, was du über diese vorzeitige Ejakulation denkst. Spüre, dass deine Gedanken wie Blätter im Wind durch deinen Geist ziehen. Anstatt dich in Gedanken zu verstricken, bemerke einfach ihr Kommen und Gehen.
An welcher Stelle nimmst du dein Gefühl des Versagens wahr? Sitzt es in deinem Bauch? In deiner Brust? Besitzt es die fließende amorphe Energie einer Emotion oder die lineare konzeptuelle Klarheit eines Gedankens?
Wie reagiert deine Frau? Wirkt sie in ihrer Liebe offen oder verschlossen und wütend? An welchen Stellen ihres Körpers ist sie angespannt?
Achte auf deinen Herzschlag, das Kommen und Gehen deiner Gedanken und Emotionen, die Anspannung in deinem Körper und in dem deiner Frau. Du brauchst keine absolute Kontrolle darüber zu haben. Wer weiß, warum du so früh ejakuliert hast? Vielleicht hast du zu viel Fleisch oder Salz gegessen. Vielleicht warst du nervös oder musstest Druck ablassen. Vielleicht musst du noch viel über sexuelle Liebe lernen. Aber im gegenwärtigen Moment spielt das keine Rolle. Wichtig ist, dass du voll präsent bist.
Deine Präsenz wird dadurch bestimmt, wie entspannt du in der Fülle deines Seins bist. Schrumpfst du, rollst du dich zusammen, ziehst du dich in deine Brust zurück, verkürzt du deine Atemzüge, wendest du die Augen ab? All diese Handlungen sorgen dafür, dass sich das Ausmaß der Fülle deines Seins, die deinen Körper durchströmen kann, verringert – und das ist die Erektion, die sich deine Frau am meisten wünscht.
Männer wissen, dass sie „stark sein sollen“. Es ist ein inneres Gefühl, an dem sie oft ihren männlichen Wert messen. Es gibt drei Stufen dieses Wachstums der männlichen Kraft.
Auf der ersten Stufe möchte ein Mann in den Augen anderer stark erscheinen. Er versucht, auf eine Art zu laufen, zu reden und zu agieren, von der er denkt, dass andere sie für kraftvoll halten.
Auf der zweiten Stufe sucht ein Mann nach innerer Stärke. Er versucht häufig, „die Dinge auf seine Art und Weise zu erledigen“, denn wenn er auf andere hörte, müsste er zugeben, dass er von ihnen abhängig ist. Er erkennt, dass er seinen eigenen Gedanken und Emotionen treu sein muss, egal ob die anderen das anerkennen oder nicht. Er entwickelt ein inneres Vertrauen, das ihm Stärke verleiht, unabhängig davon, was ihm andere erzählen. Es ist ihm nicht mehr so wichtig, wie er aussieht. Er agiert nicht mit machohaftem Posieren und stoischer Entschlossenheit wie auf der ersten Stufe. Vielmehr verhält er sich ruhig und unparteiisch. Diese Art von innerer Stärke basiert auf Selbsterkenntnis: Er kennt seine Grenzen und Gaben, und er ist seinen eigenen Glaubenssätzen so treu wie möglich, ungeachtet dessen, wie er von anderen gesehen wird.
Auf der dritten Stufe öffnet sich ein Mann der Kraft, die im tiefen Sein wohnt. Dafür öffnet er sich über das hinaus, was die anderen von ihm denken – und was er selbst von sich denkt. Sogar das Selbstvertrauen wirkt als Hindernis, wenn er sich als Kraft des offenen Bewusstseins entspannt. Seine eigenen Überzeugungen und Meinungen, die sein Leben auf der zweite Stufe gelenkt haben, werden in der Fülle des tiefen Seins regelrecht transparent.
Diese mühelose Kraft ist so offensichtlich und unverkennbar wie das machohafte Posieren auf der ersten Stufe sowie die Integrität und das Selbstvertrauen auf der zweiten. Ein Mann, der die Stärke der dritten Stufe praktiziert, ist vertrauenswürdig, denn seine Handlungen sind weder von außen noch von innen beeinflussbar. Selbst seine eigene Wahrnehmung in Bezug auf das Gelingen oder Versagen kann ihn nicht davon abhalten, spontan zu leben, während die Liebeskraft aus den Tiefen seines Seins emporströmt.
Beim Sex geht es für einen Mann auf der ersten Stufe darum, „wie ein Mann zu handeln“. Daher ist eine frühzeitige Ejakulation äußerst peinlich – und nichts, über das er reden möchte.
Für einen Mann auf der zweiten Stufe geht es beim Sex um das gemeinsame Teilen und Austauschen sowie um Ehrlichkeit. Wenn er zu früh ejakuliert, hat er keine Angst, darüber zu sprechen. Er kann andere Wege finden, um seine Frau sexuell zu befriedigen, durch Oralsex, Streicheln, Massieren und sogar mit Hilfe von Sexspielzeugen. Sein Selbstvertrauen leidet nicht, weil er weiß, dass er seiner Frau neben seinem erigierten Penis noch andere Dinge bieten kann. Sie schätzt seinen emotionalen Austausch, seine Fürsorge, seine Sinnlichkeit, seinen Humor und seine Begleitung genauso wie seine sexuellen Fähigkeiten. Abgesehen davon genießt sie heimlich die ganze Aufmerksamkeit, die er ihr schenkt, wenn er zu früh ejakuliert.
Für einen Mann auf der dritten Stufe geht es beim Sex darum, den ganzen Körper der Bewusstseinskraft hinzugeben und der Tiefe des Seins zu gestatten, seinen Körper, seinen Atem und seine Frau als Liebe zu durchdringen und darüber hinauszugehen. Falls er zu früh ejakuliert, nehmen er und seine Frau das vielleicht nicht einmal wahr. Die Tiefe seiner Präsenz und die Kraft seiner Liebes erschöpfen sich nicht, denn sie wurzeln im Bewusstsein und nicht in physiologischer Erregung. Seine Aufmerksamkeit bleibt frei von Besorgnis – sowohl seiner eigenen als auch der seiner Frau. Er kann seine Frau weiter verzücken und mit seiner leidenschaftlichen Liebeskraft in ihr Herz und ihren Körper eindringen. Ihr Orgasmus ist vielleicht so intensiv, als würde sich sein erigierter Penis in ihrem Körper befinden.
Wenn das Ganze auf der ersten Stufe passiert wäre, wäre seine Energie vor lauter Scham kollabiert und seine Aufmerksamkeit wäre von der Angst besetzt gewesen, dass seine Frau ihn für unzulänglich hielte. Hätte sich das Ganze auf der zweiten Stufe ereignet, dann wäre seine Energie darauf ausgerichtet gewesen, sich seiner Frau sinnlich und emotional mitzuteilen, während seine Aufmerksamkeit bereits damit beschäftigt gewesen wäre, wie er seine sexuelle Kraft in Zukunft verbessern könnte.
Ein Mann, der auf der dritten Stufe praktiziert, erlebt manchmal ein Schamgefühl und befasst sich ebenfalls damit, wie er seine sexuellen Fähigkeiten verbessern kann, um die Liebe mit seiner Frau zu teilen. Aber seine Energie wird dadurch nicht vermindert und seine Aufmerksamkeit von diesen Themen nicht in Anspruch genommen.
Bei seiner unerschütterlichen Präsenz geht es weder um machohafte Starrheit – ein Bedürfnis, seine Frau zu beeindrucken – noch um das eigene Selbstvertrauen. Sie wurzelt in der Tiefe des Seins und nicht in einem Selbstbild oder dem Verlangen, sich mit seiner Frau zu verbinden. Dieser Mann kann sehr wohl ein Bild von sich oder den Wunsch haben, sich mit seiner Frau zu verbinden, aber diese Dinge halten ihn nicht davon ab, das Bewusstsein oder die Liebe, die tiefes Sein sind, zu lokalisieren, sich als diese zu entspannen, sie zu atmen und zu übertragen.
Selbst wenn deine Praxis wächst, wird es dir immer noch wehtun, wenn dich deine Frau ignoriert, sich dir gegenüber verschließt oder über deine Schwäche lacht. Aber der Schmerz wird zum Bestandteil deiner Praxis. Spüre durch sie hindurch, entspanne dich als die Tiefe des Seins und erlaube deinem Atem und deinem Körper, von der Tiefe und nicht vom Schmerz bewegt zu werden.
Du wirst nicht immer dazu in der Lage sein. Manchmal bist du einfach zu verletzt. Deine Energie bricht zusammen, und deine Aufmerksamkeit ist gefangen in deinem Kummer. Übe dich weiter darin, durch alles hindurchzuspüren. Gib dir alle Mühe, Bauch und Brust zu entspannen. Lass zu, dass dein Atem sich vertieft. Löse dich selbst als der Raum auf, der den Schmerz umgibt, anstatt zuzulassen, dass dein Bewusstsein vom Schmerz eingeschlossen wird. Spüre deine Frau und atme mit ihr zusammen in eine größere Offenheit hinein.
Selbst wenn du weiter zusammenbrichst und dich aus Scham oder Angst in den eigenen Schmollwinkel zurückziehst, verfolge diese Praxis. Auch wenn es nur ein bisschen ist. Entspanne dich eine Winzigkeit mehr. Atme nur ein klein wenig tiefer. Lausche auf die Geräusche, die am weitesten entfernt sind, um deiner Aufmerksamkeit zu helfen, sich aus deinem eigenen Kampf zu befreien. Spüre die Emotionen und die Energie deiner Frau einfach nur ein klitzekleines bisschen intensiver als noch einen Augenblick zuvor. Viele winzige Momente der Praxis summieren sich im Laufe der Zeit zu enormen Transformationen.
Um als Mann stark zu sein, musst du auch dann Liebe geben, wenn du dich verletzt fühlst. Nicht weil du gut dastehen willst und nicht weil du spürst, dass du bei dieser Praxis wächst, sondern weil nicht zu lieben schmerzhafter ist als die Praxis, sich als Liebe zu entspannen. Wenn du wächst, dann will die Liebe, die den Tiefen deines Wesens entspringt, ungehemmt fließen, egal ob ihr – du oder deine Frau – vielleicht lieber einen Durchhänger und eine Auszeit hättet oder ihr euch lieber hinsetzen und ein zivilisiertes Gespräch führen würdet. Die Flutwelle dieser Liebe ist bedrohlich, solange du an der Sicherheit der Liebe eines anderen Menschen oder an deiner Selbstliebe festhältst. Wenn du jedoch dazu bereit bist, über die falsche Sicherheit von Abhängigkeit oder Unabhängigkeit hinauszuwachsen, dann ist die freie Kraft der grenzenlosen Liebe der Fluss, der dich bewegt.
Die meisten Männer fühlen sich in ihren Körpern oder Emotionen nicht zu Hause. Sie müssen ins Leben und in eine Beziehung hineingezogen werden. Und du bist vermutlich die vorrangige Quelle der Anziehung für deinen Mann. Er wird in die Offenheit deiner Liebe und in das Strahlen deiner weiblichen Energie hineingezogen. Zu seinen Lieblingsformen von weiblicher Energie gehören wahrscheinlich die nährende Energie der „Mutter“ und die erotisierende Energie der „Hure“. Er fühlt sich noch von vielen weiteren Aspekten von dir angezogen, aber diese gehören zu den Energien, an denen es den meisten Männern im Leben fehlt. Sie wollen gestützt und erregt, verjüngt und verführt werden.
Aber wenn dein Mann etwas tut, dem es an Integrität fehlt, wenn er beispielsweise etwas nicht wie versprochen durchzieht, dann fühlst du dich verletzt, wütend und frustriert. Wenn er nicht tut, was er sagt, dann kannst du ihm nicht voll vertrauen. Du kannst deinen Schutzschild nicht fallen lassen. Du kannst es dir nicht erlauben, dich mit ihm sexuell vollkommen hinzugeben. Zudem wirst du dich nicht geneigt fühlen, ihn mit deiner Mutterenergie zu nähren oder ihn wie eine hungrige Furie mitzureißen. Wahrscheinlich möchtest du ihm eher den Kopf abhacken.
Dies ist ebenfalls eine der natürlichen Energien des göttlichen Weiblichen. Tatsächlich sagt diese Energie zu deinem Mann: „Ich weiß, dass du zu Großem fähig bist. Ich weiß, wie tiefgründig und stark du bist. Ich werde deinen Mangel an Engagement und deine Lügen nicht tolerieren. Ich werde nicht tolerieren, dass du einen Rückzieher machst. Werde deiner eigenen Fülle gerecht oder ich habe keine andere Möglichkeit, als dich und deine falsche Schwäche zu zerstören!“
Wenn dich dein Mann verletzt, weil es ihm an Zielgerichtetheit, Integrität oder Klarheit mangelt, dann kannst du ihn lieben, ohne seine Schwächen zu unterstützen. Deinen Partner zu lieben, wenn er dich verletzt, impliziert, dass du seinen ganzen Schwachsinn nicht tolerierst. Gib dich seinen Verletzungen nicht hin, sondern ergib dich der Liebe, die als du und er lebt. Und während du als Liebe fließt, kannst du auch richtig wütend sein und von deinem Mann das Beste fordern.
Du reagierst höchst sensibel darauf, ob dein Mann seiner eigenen Wahrheit folgt. Du weißt, wann er sich betrügt – und dich –, und zwar bevor er es weiß. Du fühlst das Geschmeidige in seiner Körperhaltung. Du hörst die Doppeldeutigkeit in seiner Stimme. Du weißt, dass er sich betrügt, bevor er irgendetwas merkt. Deine Rückmeldung kann für ihn ein großes Geschenk sein.
Er wird deiner Rückmeldung nur vertrauen, wenn er deine Offenheit als Liebe spürt. Du kannst dich nicht von der Liebe tief in deinem Herzen abschneiden, deinen Körper in Angst und Wut verkrampfen und dann erwarten, dass er dir glaubt, was du sagst. Er wird meinen, dass du ein gewisses Problem hast. Entweder wird er dich kritisieren oder versuchen, es in Ordnung zu bringen, anstatt die Realität in deiner Kommunikation zu vernehmen. Deine Unliebe wird ihn verletzen, und er wird sich noch mehr verschließen.
Um deinem Mann dabei zu helfen, zu spüren, wenn er etwas vermasselt hat oder im Irrtum ist, musst du voll in der Liebe verweilen, oder er wird deine Rückmeldung deinen eigenen Problemen zuordnen. Wenn dich dein Mann verletzt hat, dann atme voll und tief weiter, so als ob du im Garten spazieren gehen und den Duft der Blumen genießen würdest. Entspanne deinen Körper so weit wie möglich, vor allem deinen Bauch und deine Brust, so als ob du gegen die nackte Brust deines Liebhabers gedrückt würdest. Spüre in deinen Mann hinein und finde den tiefen Ort in ihm, dem du wirklich vertraust, und diese Hoffnung wird kraftvoller werden. Erzähle ihm von seinem inneren Ort, dem du vertraust. Zeige ihm die Liebe über deinen offenen Körper und deinen Atem. Sage ihm, dass du etwas von deinem Vertrauen verlierst, wenn er sich auf bestimmte Art und Weise verhält.
Denke daran, dass er wahrscheinlich nicht weiß, wovon du redest. Er kann seine eigenen Schwächen wahrscheinlich nicht so einfach wahrnehmen wie du. Sicherlich hat er das Gefühl, dass er in der gegebenen Situation sein Bestes tut. Aber du meinst eher die Art und Weise, wie er etwas tut, und nicht unbedingt das, was er tut. Du kannst es spüren, wenn seine Handlungen nicht länger mit seiner Wahrheit in Einklang sind. Du kannst es spüren, wenn er seine Schwäche vor sich selbst verbirgt, und das macht dir Angst. Du kannst ihm nicht vertrauen. Und das solltest du auch nicht tun.
Toleriere den Schwachsinn deines Mannes nicht, sondern praktiziere stets Liebe, indem du die Fülle der Liebe in deinem Körper kultivierst. Es ist äußerst schwierig, deinen Körper und Atem weiter offen und stark zu halten, wenn dein Mann dein Vertrauen gebrochen hat. Genauso schwierig ist es für ihn, offen zu bleiben und deine Kritik zu empfangen – vor allem wenn er sehen kann, dass du aus einer Warte der Verschlossenheit und nicht aus der Liebe heraus agierst. Übe daher die Kommunikation von einem Standpunkt der Liebe, selbst wenn du gleichzeitig wild vor Zorn schreist. Wenn du offen bist, dann kann deine Liebe als mitfühlende Wut zum Ausdruck kommen, eine Wut ohne Hass.
Mit Übung strömt die Liebe frei durch deinen Körper und Atem hindurch, auch wenn du wütend, frustriert, glücklich, aufgeregt und verschlossen bist oder dich betrogen fühlst. Die Liebe umfasst alle Emotionen und leuchtet durch sie hindurch, wobei sie das volle Spektrum emotionaler Energie zum Ausdruck bringt.
Du und dein Mann könnt euch beide darin üben, als Liebe zu leben, während du verletzt bist. Dabei lernst du, wie du atmest und als Liebe entspannst, auch wenn du dich betrogen fühlst. Während deine Fähigkeit wächst, Liebe über den Körper zu leben, wirst du letztendlich nicht mehr abhängig von deinem Mann sein. Er muss nicht mehr „für dich da sein“. Er wird nicht länger davon abhängig sein, dass du ihm Geborgenheit und Verjüngung schenkst. Dies sind wahre Gaben, wenn sie frei gegeben und empfangen werden, aber wenn deine Fähigkeit, in der Glückseligkeit der Liebe zu entspannen, davon abhängt, dann werden sie zu Erwartungen, die das Wachstum behindern.
Wenn dein Mann möchte, dass die energetischen Farben der „Mutter“ und der „Sexgöttin“ frei durch deinen Körper strömen, dann muss er lernen, auch mit all deinen anderen freien Energien umzugehen. Dazu gehört auch deine Energie der „wilden Frau“, die sich nicht mit weniger zufrieden gibt als mit der Bereitschaft des Mannes, seinen Makeln und Fehlern auf den Grund zu gehen, den ihnen innewohnenden Humor aufzuspüren, die notwendigen Veränderungen vorzunehmen und ein Leben zu leben, das sich der Praxis der tiefen Liebe und der beständigen Präsenz verpflichtet – ohne zusammenzufallen, wenn du dich nicht bewogen fühlst, ihn mit einem Abendessen zu päppeln oder seine Genitalien zu verwöhnen.