Sexuell gesehen symbolisiert das Männliche die Kraft der Richtung und das Weibliche die Kraft der Energie. Das bedeutet, dass das Männliche die Form bietet, in der das Weibliche frei fließen kann, so wie die Struktur der Uferböschung den energetischen Fluss des Wassers lenkt. Weniger offensichtlich ist die Tatsache, dass die Kraft des Flusswassers das Ufer formt, von dem es gelenkt wird.
Weder das Männliche noch das Weibliche sind über- oder unterlegen. Beide sind Teile des gleichen Prozesses, in dem Männer und Frauen lernen, ihr Einssein anzuerkennen und ihre Zweiheit zu lieben. Das Männliche und das Weibliche sind beide für die volle sexuelle Dynamik der beiden Gegensätze notwendig. Ob homosexuell, heterosexuell oder bisexuell – in jedem Augenblick muss ein Partner mehr zum Wasser und der andere Partner mehr zum Ufer werden, weil der Fluss der sexuellen Energie sonst entweder seicht wird oder völlig austrocknet.
Wenn beispielsweise keiner der Partner bereit ist, die männliche Führung zu übernehmen, um den Augenblick zu lenken, dann wird sich die immense weibliche Kraft der sexuellen Energie überallhin ausbreiten und sich nie in den tiefsten Schluchten der Liebe stabilisieren. Dieser Sex mag Spaß machen, intensiv, lustvoll und wild sein, aber er wird eher an der Oberfläche bleiben und die gleichen Lustmuster ständig wiederholen, ohne in die Tiefe zu wachsen.
Wenn hingegen beide Partner darauf bestehen, die Führung zu übernehmen, dann wird es keinen Wasserfluss geben, keine Kraft der sexuellen Energie und keine Fülle von flüssiger Ekstase, in die man eintauchen und über die man sich vereinigen kann. Die Starrheit der Kontrolle wird überhandnehmen, wenn beide Partner das Flussufer sein wollen, aber niemand dazu bereit ist, loszulassen und frei in der Liebeslust dahinzufließen.
Jeder Mann und jede Frau sollte in der Lage sein, beide Aspekte der Sexualität zu genießen: sowohl das Männliche als auch das Weibliche, den Sex vertiefen genauso wie die Energie der Ekstase verstärken, den Fluss lenken genauso wie für den Energiefluss sorgen. Auch wenn beide Aspekte der Sexualität jedem Mann und jeder Frau zugänglich sind, zieht der Einzelne je nach sexueller Essenz doch das eine oder andere vor.
Jeder Mann und jede Frau, ob heterosexuell oder homosexuell, wird seine bzw. ihre sexuelle Ergänzung in einem Partner finden, der es am meisten genießt, die entgegengesetzte sexuelle Kraft zu spielen, ob männlich oder weiblich. Daher ist es wichtig, dass jeder Mensch das Verständnis und die Bereitschaft dafür aufbringt, die Fülle der männlichen und weiblichen Kräfte zugleich anzunehmen, ohne sie herabzusetzen oder davor zurückzuscheuen.
Sexuell gesehen kann das Männliche als Kraft des zielgerichteten Eindringens und das Weibliche als Kraft des energetischen Empfangens wahrgenommen werden. Beide Partner sollten in der Lage sein, die Launen und Widerstände des anderen sensibel zu durchdringen und ihn oder sie von innen heraus in Liebe erblühen zu lassen. Und beide Partner sollten ebenso in der Lage sein, die Liebe des anderen zu empfangen, sich lustvoll zu öffnen, zu vertrauen, sich hinzugeben und damit eine größere Energie und Liebe aktiv zu erwecken. Eindringen und Empfangen sind beides aktive Rollen. Keine davon ist passiv. Und keine funktioniert ohne die andere.
Auf der körperlichen Ebene sollten Mann und Frau beide in der Lage sein, die aktive weibliche Kraft zu übernehmen, indem sie sich öffnen, um die tief gehende Liebe ihres Partners zu empfangen (oral, anal, genital, über Zunge, Finger, Penis oder Sexspielzeug). Jeder hat bei den unterschiedlichen sexuellen Spielarten seine Vorlieben, und es sollte niemandem etwas aufgezwungen werden. Aber um weiter zu wachsen, ist es wichtig, zwischen einer gesunden Vorliebe und schädlicher Angst zu unterscheiden.
Es ist natürlich in Ordnung, wenn du es einfach nicht genießen kannst, wenn ein Finger sanft und liebevoll in deinen Anus eindringt. Aber wenn du dich ganz automatisch dem liebevollen Eindringen deines Partners emotional und körperlich vollkommen verschließt, dann besteht bei dir wahrscheinlich einen Widerstand, dich auch auf andere Weise für die männliche Liebe zu öffnen und sie zu empfangen, ob nun sexuell oder spirituell. Vielleicht wurdest du als Kind von einer eindringenden männlichen Kraft emotional oder sexuell missbraucht und hast daher Widerstände entwickelt, dich den maskulinen Aspekten deines Liebhabers oder deiner Liebhaberin zu öffnen – selbst als Erwachsene. Oder es gibt möglicherweise andere Gründe, weshalb du einfach kein Vertrauen verspürst, dich zu entspannen, hinzugeben oder dein Herz und deinen Körper so uneingeschränkt zu öffnen, das du es dir selbst gestattest, dich von der männlichen spirituellen Kraft verzücken zu lassen, die in dein Wesen eindringt und deine Tiefen bis hin zum absoluten Einssein der Liebe öffnet.
Die tiefe Liebe, die deine eigene wahre Natur ist, umfängt das Männliche und das Weibliche gleichermaßen, in dir selbst sowie in jedem Mann und in jeder Frau. Daher schränkst du deine Fähigkeit ein, als die Tiefe deiner natürlichen Offenheit zu verweilen, wenn du dich sträubst, die männliche Kraft des spirituellen Eindringens anzunehmen, oder wenn du dich der weiblichen Kraft der spirituellen Hingabe widersetzt, egal ob du Mann oder Frau bist.
Ein weiterer Weg, um die sexuellen Kräfte des Geistes zu charakterisieren, besteht darin, das Männliche als die Kraft der durchdringenden Präsenz und das Weibliche als die Kraft der anziehenden Ausstrahlung zu beschreiben. Sexuell übt sich der maskuline Part darin, zuzulassen, dass er oder sie jenseits des Getrenntseins von der strahlenden Liebe und reichen Energie des femininen Parts angezogen wird. Der weibliche Part übt sich darin, jede Körperzelle von der Präsenzkraft des männlichen Parts durchdringen und öffnen zu lassen. Die kraftvolle männliche Präsenz und das kraftvolle weibliche Strahlen lassen eine sexuelle Polarität entstehen, die von Bewusstsein und Liebe erfüllt ist.
Wenn du den männlichen sexuellen Pol spielst (egal ob du Mann oder Frau bist), besteht eine deiner Gaben darin, dass du das Herz deiner oder deines Geliebten im Sturm erobern, sie verzücken und in Liebe auslöschen kannst, sodass alle Schichten des Widerstands von deiner Bewusstseinspräsenz durchdrungen und in tiefer Liebe aufgelöst werden. Beide Partner sollten die Fähigkeit besitzen, dies gelegentlich zu tun, obwohl der Part mit der stärkeren männlichen Essenz es häufiger genießen wird, seine Geliebte oder seinen Geliebten „zu nehmen“ oder „mitzureißen“, sodass sie oder er sich in völliger Liebe hingibt.
Wenn du den weiblichen sexuellen Pol spielst (egal ob du Mann oder Frau bist), besteht eine deiner Gaben darin, dass du so strahlend lebendig bist und so viel Lust und Liebe durch deinen offenen Körper fließen lässt, dass du unwiderstehliche Attraktivität ausstrahlst und die Aufmerksamkeit deines oder deiner Geliebten in das Reich der überwältigenden weiblichen Lust lenkst, damit sich dein Geliebter oder deine Geliebte nicht länger zurückhalten kann, sondern sich körperlich in der Einheit der Liebe ergeben muss. Beide Partner sollten dazu in der Lage sein, aber der Part mit der stärkeren weiblichen sexuellen Essenz wird häufiger seine Freude daran haben, diese Kraft der attraktiven Strahlung zu inkarnieren und seinen Partner oder seine Partnerin so „zu verzaubern“ oder „zu verführen“, dass er oder sie sich vollkommen in der Liebe hingibt.
Wenn du nicht die Gelegenheit hast, dieses tiefe Spiel von Lust und Verzückung zu genießen, dann wird das Bedürfnis danach in deiner Psyche untertauchen. Dann fängst du an, „verworrene“ Versionen dieses gesunden maskulinen und femininen Spiels zu entwickeln. Das gesunde männliche Verlangen, den emotionalen Widerstand deiner Geliebten zu durchdringen und sie in die Liebe zu öffnen, wird zur Vergewaltigungsfantasie bzw. zu Fantasien, bei denen der sexuelle Partner kontrolliert oder dominiert wird. Das gesunde weibliche Bedürfnis, mit der Kraft der anziehenden Ekstase uneingeschränkt fließen zu können und sich als Wasser der Liebe den vertrauenswürdigen Flussufern deines Partners hinzugeben, entwickelt sich zu Fantasien, in denen du kontrolliert, vergewaltigt, gefesselt, unterdrückt und dazu gezwungen wirst, Lust zu geben und zu empfangen.
Dieses doppelte Verlangen danach, zu dominieren und dominiert zu werden, Unterwerfung zu befehlen und unterworfen zu werden, verkörpert die einfache Ausdrucksform des unbezähmbaren menschlichen Bedürfnisses, das volle Spektrum der männlichen und weiblichen sexuellen Kraft auszuagieren. Diese universellen Kräfte wohnen in jedem von uns, in Mann oder Frau, auch wenn sie am deutlichsten bei den Menschen in Erscheinung treten, die extremere männliche oder weibliche Essenzen besitzen. Es ist allerdings so, dass jeder von uns lernen kann, diese Kräfte mit unserem gewählten Intimpartner liebevoll zum Ausdruck zu bringen. Wenn wir diese natürlichen Kräfte unterdrücken, dann wird unser innerer Schaltkreis gestört. Unser Körper entwickelt Symptome der Anspannung und verschließt sich. Schließlich ertappen wir uns selbst dabei, dass wir ein Verlangen nach den extremen Versionen derselben Kräfte hegen, da sich innerhalb dieser Störungen Druck aufbaut.
Wenn es uns zu peinlich ist, unsere tatsächlichen Wünsche mit unserem oder unserer Liebsten auszuleben, dann können wir versuchen, sie aus sicherer Distanz zu erleben, ohne persönlich involviert zu sein. Vielleicht lesen wir romantische Romane oder pornografische Geschichten, in denen es um Dominanz und Unterwerfung geht. Oder wir schauen uns an, wie diese Spielarten in Film, Fernsehen oder Sexheften ausgelebt werden. Wenn wir nicht dazu bereit sind, unsere eigenen geheimen Wünsche anzunehmen und zu verarbeiten, dann wird sich unsere Faszination für erzwungenen Sex und erzwungene Lust schließlich im großen Rahmen in der Kultur manifestieren, wo sie von Menschen ausgelebt wird, die weniger unterdrückt und gestört sind als wir selbst.
Die vollständige Antwort auf die weit verbreitete Darstellung von Missbrauch, Selbstmissbrauch, Gewalt, Quälerei und Vergewaltigung in den Medien sowie die eigentliche Ausübung dieser Verhaltensweisen darf nicht nur in Betracht ziehen, ein solches Verhalten als gesetzeswidrig zu erklären. Dies ist zwar ein notwendiger erster Schritt, aber diese Wünsche und Verhaltensweisen werden sich in unserer Kultur weiter manifestieren, bis nicht nur unsere Wunden aus der Vergangenheit geheilt, sondern auch unsere tiefen spirituellen männlichen und weiblichen Sehnsüchte anerkannt und in Angriff genommen worden sind.
Letztendlich besteht ein notwendiger Teil der Lösung darin, zu lernen, unsere natürlichen Begierden gemeinsam mit einem vertrauensvollen und vertrauenswürdigen Partner in Liebe zu leben (bevor unser Verlangen krankhaft wird und sich in Form von inneren Symptomen oder äußeren Projektionen manifestiert). Dann enthüllt sich das tiefe und gesunde spirituelle Verlangen hinter dem Bedürfnis nach sexueller Dominanz und Unterwerfung: Der tiefste Wunsch des Herzens ist es, auf die Wahrheit (das Männliche) und die Hingabe in Liebe (das Weibliche) zuzusteuern, und zwar jenseits von Angst und Widerstand, hinein in das offene Vertrauen des grenzenlosen Seins.
Die folgenden Übungen können sowohl von Männern als auch von Frauen durchgeführt werden, in homosexuellen genauso wie in heterosexuellen Beziehungen. Da die meisten Leser/-innen dieses Buches heterosexuelle Männer mit einer maskulinen Essenz und heterosexuelle Frauen mit einer weiblichen Essenz sind, werde ich in den Beispielen diese geläufigere sexuelle Orientierung verwenden, um das Beschriebene zu vereinfachen. Die Übungen können jedoch von jedem wirkungsvoll praktiziert werden, egal ob Mann oder Frau, heterosexuell oder homosexuell, und zwar in Übereinstimmung mit den hier beschriebenen Prinzipien.
Wenn du ein Mann bist (oder den eher maskulinen Part übernimmst), dann versuche, mit deinem männlichen sexuellen Verlangen zu führen, zu durchdringen und deine Geliebte so tief zu verzücken, dass sie in der Liebe dahinschwindet. Falls du in deiner Fähigkeit, dies zu tun, geschwächt worden bist, ist es gut, es zu übertreiben, um mit diesem Teil von dir in Kontakt zu kommen. Übernimm für eine festgelegte Zeit die Rolle des Meisters für deine Geliebte, während sie deine Sklavin spielt. Befiehl ihr, sich auf eine Lust zuzubewegen, die größer ist als ihre und auch deine. Leite sie an, sich zu öffnen und immer mehr Liebe zu empfangen. Bestrafe sie, wenn sie nicht gehorcht. Belohne sie, wenn sie sich in deine Richtung unterwirft. Fessle sie und zwinge sie, so viel Lust zu erleben, dass ihr nur die Hingabe bleibt, da sie keine andere Wahl hat.
Natürlich ist das sowohl für sie als auch für dich eine Prüfung. Vertraut sie dir wirklich? Vertraut sie darauf, dass du sie zu größerer Lust und Liebe führst? Wenn nicht, was hat eure Beziehung dann für eine Grundlage? Bist du ihres Vertrauens würdig? Hast du auf deine eigene tiefe Wahrheit Kurs genommen, sodass du in der Lage bist, ihr Herz in seine eigene Tiefe zu führen? Achtest du auf ihre Bedürfnisse, wenn sie dir auf Gedeih und Verderb ausgeliefert ist? Kannst du ihren emotionalen und sexuellen Fluss spüren und sie daher in die tiefe Liebe und Ekstase führen? Oder bist du ein gefühlloser Trottel, ein Meister, der nicht in der Lage ist, seiner Sklavin zu dienen?
Vielleicht vertraut sie dir nicht, weil sie das nicht sollte. Vielleicht hast du in Bezug auf Liebe und Integrität noch nie die Führung übernommen und sie in eine Liebe und Offenheit gelotst, die größer ist, als sie es je erlebt hat. Jetzt ist die Zeit gekommen, um genau das zu lernen.
Wenn ihr beide dazu bereit seid, dann kehrt ihr das Spiel um, sodass die Frau die Meisterin ist und der Mann ihr Sklave. Diesmal wird dem Mann befohlen, sich auf größere Lust und Offenheit zuzubewegen. Er wird diszipliniert, bestraft und belohnt, wobei die Frau die volle Verantwortung übernimmt, damit ihr Spiel in die tiefstmögliche Ekstase und Liebe hineingelenkt wird.
Egal ob Mann oder Frau, wenn man den Sklaven spielt, bedeutet das nicht einfach, sich den Launen des Meisters zu unterwerfen. Vielmehr ist der Slave die aktive Kraft der Lust und der Verlockung. Das Stöhnen, das Sich-Winden und die verletzlichen Vertrauensbekundungen des Sklaven verleiten den Meister zu tieferer Liebe und tieferem Dienen. Der Punkt bei der Übung ist die Verstärkung und Vertiefung von Liebe, Vertrauen und Lust – wobei der verletzliche Gehorsam nur einer der Wege ist, um diese Offenheit hervorzurufen. Wenn du Sklave bist, dann erlaube deinem Körper, die Zeichen deiner Lust frei zu zeigen und dich in der ungezwungenen Ekstase zu bewegen. Lass zu, dass dein Vertrauen so vollkommen und deine Liebe so total ist, dass du im wahrsten Sinne des Wortes alles tun würdest, was deine Geliebte oder dein Geliebter will.
In vielerlei Hinsicht ist es der Sklave, der bei dieser Art von sexuellem Spiel die Souveränität innehat. Es ist die ständige Entscheidung des Sklaven, seine Kommandogewalt zu übertragen, die den Meister erst erschafft. Diese Entscheidung ist eine Entscheidung des Vertrauens und der Liebe, die im Laufe der Zeit wächst.
Wenn du als Meister oder Sklave deine Grenzen austestest, indem du dein natürliches Spiel übertreibst, dann wirst du kleine Schlupfwinkel entdecken, in denen sich dein Misstrauen und deine Unliebe verstecken. Es ist einfach, im Laufe eines normalen Tages deinen Widerstand gegen das Geben und Nehmen von Lust und Liebe zu verstecken. Aber inmitten dieses übertriebenen Spiels werden diese Begrenzungen offensichtlich. Warum vertraust du deinem Partner nicht? Welche Art von Lust fürchtest du zu erleben oder auszudrücken? Gibt es Teile deiner selbst oder deines Partners, die du nicht wirklich liebst? Vertraust du deiner eigenen Fähigkeit, deinen Partner in die äußersten Tiefen des offenen und uneingeschränkten Seins zu führen?
Wenn ihr das übt, dann könnt ihr euch durch eure Grenzen und Zweifel hindurcharbeiten. Wenn du deine Widerstände bewusst erlebst, kannst du lernen, Liebe durch sie zu atmen. Dann werden du und dein Partner in der Lage sein, Liebe, Vertrauen und Lust zum Ausdruck zu bringen – als Meister und als Sklave. Die Offenheit und der Humor eures Spiels werden nicht durch Angst behindert. Wenn der Punkt erreicht ist, an dem ihr beide frei liebt, wird die Praxis von Dominanz und Unterwerfung eurem Wachstum nicht mehr dienen. Es mag jedoch immer noch nützlich sein, gelegentlich diese Rollen einzunehmen, um der Energie eurer Partnerschaft Frische zu verleihen, wenn alte Rollen und sexuelle Spielarten zu festgelegt und mittelmäßig sind. Ein solches Spiel kann auch spontan als köstlicher Ausdruck der extremen männlichen und weiblichen Dynamik in jedem Augenblick der sexuellen Freuden entstehen.
Achte jedoch bewusst darauf, ob es zum Fetisch oder zur Besessenheit wird, egal ob du Mann oder Frau bist. Manche Männer sind beispielsweise von dem Gefühl besessen, von einer Frau sexuell dominiert zu werden. Wenn ihre Intimpartnerin für diese Art von Spiel nicht zur Verfügung steht, dann werden diese Männer sehr viel Geld dafür ausgeben, gefesselt, ausgepeitscht und gezwungen zu werden, einer sexuell dominanten Frau zu dienen. Dies ist eine übertriebene Form der gesunden Lust eine Mannes, mit seiner eigenen weiblichen Energie in Kontakt zu kommen, um zu lernen, wie man sich öffnet und der lustvollen Führung eines anderen Menschen vertraut, wie man sich frei in die Ekstase fallen lässt, ohne die Führung übernehmen zu müssen und von der Lust einer Frau gefesselt zu werden, wie man als Wasser frei innerhalb der Ufer fließt, die vom maskulinen Befehl einer dominanten Frau festgelegt wurden.
Für dieses Dominanzbedürfnis des Mannes gibt es viele Gründe: Vielleicht reagiert er auf einen spirituellen Wunsch, um einen höheren weiblichen Archetyp zu kontaktieren, dem er sich hingeben kann. Er kann die Wunden heilen, die durch kindlichem Missbrauch entstanden sind – oder aber sich darin suhlen. Er will vielleicht einfach nur seine Position verändern, weil er im Büro den ganzen Tag lang einseitig in seiner männlichen Rolle gefangen ist.
Was auch immer der Grund sein mag: Er hat ein starkes Bedürfnis entwickelt, sich auf Kommando eines anderen Menschen zu entspannen und zu öffnen. Er möchte spüren, dass er kontrolliert, beherrscht und von einer Partnerin genommen wird, der er vertrauen kann. Er möchte das Gefühl haben, dass er zur Hingabe an die Lust gezwungen wird. Er möchte es genießen, einer Liebeskraft zu gehorchen, die noch männlicher ist als er selbst. Anschließend möchte er seinen eigenen Willen entspannen, sich in Ekstase hingeben und dorthin fließen, wohin er gelenkt wird. Ist er homosexuell, dann wird er das Spiel mit einem anderen Mann spielen wollen. Wenn er heterosexuell ist, dann will er sich dem Kommando einer dominanten Frau unterwerfen.
Dieses Spiel kann natürlich und gut und gesund sein – wenn es gelegentlich stattfindet und von Humor, Vertrauen und Liebe geprägt ist. Aber wenn ein Mann (oder eine Frau) nach diesem Spiel süchtig wird, wenn er davon abhängig ist, um sexuell erregt zu werden, dann muss er seinen Spleens und absonderlichen Veranlagungen ins Auge sehen, die ihn sein übertriebenes Verlangen lebendig halten. Vielleicht besitzt er eine echte weibliche Essenz und dies ist die einzige Art und Weise, auf der er sich gestattet, sie auszudrücken. Vielleicht hat er vor seiner eigenen starken männlichen Kraft Angst und muss sie daher nach außen projizieren und sie von jemand anderem empfangen. Vielleicht ist er es leid, ständig selbst die Entscheidungen treffen zu müssen, und möchte es jetzt genießen, zur Abwechslung der Führung eines anderen Menschen zu folgen. In jedem Fall besteht ein großer Unterschied zwischen der Besessenheit, die einen süchtig macht, und einem Spiel, das eine erfrischende und verjüngende Wirkung hat.
Das Spiel von Dominanz und Unterwerfung besitzt nur dann eine wirklich erholsame und stärkende Wirkung, wenn es beide Liebende dazu bringt, ihre Liebe über ihre vorhandenen Begrenzungen hinaus auszudehnen. Mit Übung lernt der dominierende Part, die völlige Verantwortung dafür zu übernehmen, beide Teilnehmer in die andächtige Hingabe zu lenken: Erst geben sie sich einander hin und dann geben sie sich durch den anderen hindurch der offenen Liebe hin. Der dominierende Partner lernt, das sexuelle Spiel zur göttlichen Hingabe hinzulenken, und nicht einfach nur in die Richtung egoistischer Lustbefriedigung. Der Wunsch, einen Liebenden vertrauensvoll in ganzkörperlicher Ekstase zu seiner Herzenshingabe zu führen, ist das eine – aber das selbstherrliche Bedürfnis, jemanden zu kontrollieren, um sich stark zu fühlen, ist etwas ganz anderes.
So wie der dominierende Partner liebevolle oder selbstsüchtige Motive haben mag, kann es auch bei demjenigen sein, der sich unterwirft. Menschen, die sich schlichtweg selbst erniedrigen, erfüllen nicht die tiefste Verantwortung des Ergebenen. Sich in voller Liebe und Vertrauen zu ergeben, kann eine Geste des furchtlosen und ermächtigten Einvernehmens sein statt ein Ausdruck von Selbsthass oder Entsagung.
Die Kraft steckt im Fluss, selbst wenn sich dieser unterwirft und den Ufern folgt. Wenn du bewusst als Sklave agierst, verleiht deine ständige Entscheidung, deinem Partner die Befehlsgewalt zu übertragen, dem Spiel die Dynamik. Deine Bereitschaft, vollkommen ungeschützt zu sein, vertieft das Vertrauen zwischen euch. Wenn du verletzliche Lust zeigst, dann lockt das deinen Partner in eine größere Verantwortung und Sensibilität hinein. Den Sklaven auf eine gesunde und aufrichtige Weise zu spielen, bedeutet, dass man eine Dynamik tiefer Liebe entwickelt und sich dem Meister nicht unterlegen fühlt. Ja, im sexuellen Spiel gehorchst du einem Meister, dem du vertraust. Aber dies ist ein Akt der mächtigen Liebe und kein Akt der Schwäche. Die Rolle des Untergebenen einzunehmen, bedeutet, der Fluss zu sein, dessen Kraft der Offenheit und Strom der Liebe die Ufer formt, auch wenn der Fluss den Ufern folgt.
Ein schwacher Mensch hat Angst davor, Liebe zu verlieren, und wird daher einem Partner in der Hoffnung gehorchen, dass er Sicherheit in der Beziehung erlangt. Ein schwacher Mensch gehorcht in der Hoffnung, geliebt zu werden. Aber ein starker Mensch erkennt, dass die höchste Daseinsform auf Erden darin besteht, ein Diener zu sein. Wir sind hier, um einander zu dienen. Wir sind hier, um unserem oder unserer Geliebten zu dienen, was bedeutet, dass wir unseren Geliebten oder unsere Geliebte durch Lust heilen und ihn oder sie durch Liebe erleuchten. Ein solcher Diener ist ein Sklave der göttlichen Liebe, und er wird alles dafür tun, um einen Partner oder eine Partnerin in die entspannte Offenheit zu führen, in der er oder sie sich völlig in der Liebe verliert und in göttlicher Fülle kommuniziert. Das ist die wahre Unterwerfung: die Vereinigung in göttlicher Liebe und die Hingabe an die Offenheit des Seins selbst.
Das ungesunde Spiel von Meister und Sklave reduziert jeden Partner auf eine enge Rolle in der Hoffnung, das Selbstbild des Ego zu befriedigen, während man sich einen Partner sichert, der sich mit selbstsüchtigem Bedürfnis an einen bindet. Auf der anderen Seite stärkt das gesunde Spiel von Dominanz und Unterwerfung immer die gegenseitige Anerkennung der göttlichen Natur der Partner und erweitert ihre Fähigkeiten, sich auf die totale Kommunikation von Liebe, Respekt, Mitgefühl, Lust und Vertrauen einzulassen – ob nun sexuell oder in anderen Bereichen.
Dem Prozess der sexuellen Vertiefung dient alles, was das bewusste Spiel des Männlichen und Weiblichen vertieft, das Eindringen und das Empfangen, das Nehmen und das Sich-Hingeben, der Befehl zur Liebe und der Gehorsam der Liebe gegenüber. Alles, was es dir und deinem bzw. deiner Geliebten ermöglicht, euch in eine größere Seinstiefe hineinzubewegen, sich noch voller hinzugeben – vorbei an eurem gesellschaftlichen Gefühl der Selbstkontrolle und hingebungsvoll in den Wehen der rückhaltlosen Vereinigung und der liebevoller Offenheit ruhend –, alles, was eine solche Vertiefung ermöglicht, wird euch beiden dienen.
Warum dich verteidigen, wenn dein Wunsch nur darin besteht, Liebe zu geben und zu empfangen? Warum dich zurückhalten, wenn du nur die Freiheit haben möchtest, jemanden zu beglücken und in Liebe beglückt zu werden? Nutze gemeinsam mit deinem engagierten Intimpartner die Praxis der Dominanz und Unterwerfung auf humorvolle und sanfte Weise, um deine Bereiche der Angst auszuloten und in der bewussten Leidenschaft beim Rollenspiel des männlichen und weiblichen Liebeschenkens in eine noch größere Tiefe vorzudringen.