Welche Aspekte deiner „dunklen“ Energien du auch immer in dir selbst ignorierst – du wirst sie wahrscheinlich in die Welt projizieren. Ständig wirst du mit den Energien konfrontiert sein, die du am meisten fürchtest, ob in dir selbst oder in anderen, bis du gelernt hast, inmitten von ihnen zu lieben. Lerne deshalb, dein gesamtes Spektrum der menschlichen Energie liebevoll anzunehmen, ob dunkel und hell, aggressiv und sanft. Auf diese Art und Weise wirst du dein exzessives Bedürfnis stillen, die aggressiveren und zornigeren Aspekte des menschlichen Energiespektrums erleben zu müssen – bei anderen und in den Unterhaltungsmedien –, weil du tiefe Schlucke genommen und deine eigenen dunklen Energien in Liebe verdaut hast.
Wenn du mit deinem Partner beim sexuellen Spiel pseudogewalttätiger Situationen offen in der Liebe verweilen kannst, dann wirst du die Gewalt nicht mehr so faszinierend finden, wenn du sie aus Büchern, Kinofilmen oder dem Fernsehen kennst. Indem du mit diesen Erfahrungswerten in Liebe mit deinem Partner spielst, wirst du weder die Unterhaltungsmedien noch andere Menschen – die sogenannten „Bösen“ – dazu verpflichten, die Energien aufzuweisen, die du fürchtest, in dir selbst zu verkörpern und zu besitzen.
Indem wir die bewusst zornvollen und liebevoll aggressiven Aspekte unserer selbst genießen, reduziert sich unser Verlangen, ausbeuterische Fernsehshows über unnötiges menschliches Leiden und Aggression, Serienmörder und Gewalttragödien anzuschauen, um unser Bedürfnis nach dem vollen Spektrum menschlicher Energien zu befriedigen. Dann können das Fernsehen und andere Formen der Unterhaltung unsere tiefsten Wahrheiten und unsere Kreativität frei inspirieren, anstatt ausschließlich als verleugnete Erweiterungen unseres Nervensystems zu dienen, die auf Armeslänge die „aggressiveren“ und „als Opfer gestraften“ Eigenanteile an uns zurückschicken, die wir nicht anzunehmen und in unserem eigenen bewussten Herzen umzuwandeln bereit sind.
Unsere Faszination für und der Widerstand gegen dunkle, gewalttätige Geschichten von Missbrauchsopfern und -tätern verpuffen, wenn wir liebevoll beide Rollen, die des Opfers und des Täters, mit dem Humor der Liebe spielen können. Wenn ein plötzliches Verlangen, „genommen zu werden“ oder „zu nehmen“, in uns auftaucht, dann befriedigen einige Momente spielerischer Balgerei im Bett unsere natürliche Sehnsucht, diese dunkleren, beängstigenderen und faszinierenderen Aspekte der natürlichen menschlichen Energie zu erleben.
Die Tragödien von Missbraucher und Missbrauchtem oder Täter und Opfer sind niedere Versionen unseres spirituellen Verlangens, uns in die Offenheit hineinfallen zu lassen oder uns der Liebe hinzugeben. Die tragische Form der „Unterhaltung“ ist normalerweise ein dunkles Spiel mit unserer essenziellen Sehnsucht und unserer essenziellen Angst: der Tod, der sich anfühlt wie Loslassen oder Sich-Hingeben.
Du kannst deine dunklen Sehnsüchte als gelegentliche und extreme Ausdrücke deines tiefen Wunsches nach dem Tod des Ego oder spiritueller Hingabe erkennen, die auf zwei Arten, nämlich männlich und weiblich, praktiziert werden.
Auf die männliche Art praktizierst du den Tod des Ego, indem du alles loslässt, an dem du festhältst, und einfach dein Verlangen nach Trost und Komfort weiter wahrnimmst, während du entspannst und in das Unbekannte stirbst, in den freien Fall des ungesicherten offenen Seins, von Augenblick zu Augenblick. Auf die weibliche Art praktizierst du diese freiwillige Hingabe jenseits der Angst, indem du dich als uneingeschränkte Bereitschaft entspannst, von Liebe durchdrungen, übermannt und verzückt zu werden, und zwar in Liebe und als Liebe, sodass ein jegliches Gefühl von Selbst mit Ausnahme der Liebe in der Fülle der Liebe ausgelöscht wird.
Der Tod des Ego oder die spirituelle Hingabe kann erschreckend sein. Es erfordert, dass wir uns bis in unseren tiefsten Kern bewusst werden, dass jeder Augenblick des Lebens ein vorübereilendes Trugbild der Sicherheit ist. Alles, an dem wir festhalten – von unserer wertvollen Unabhängigkeit bis hin zu unserer zauberhaften Familie –, ist dem Wandel unterworfen und wird früher oder später für immer verschwinden. Alles und jeder stirbt, auch wenn wir gegen diese Tatsache ankämpfen. Wir leben im Stress, denn auch wenn wir gegen den Tod ankämpfen, so wissen wir doch, dass er uns erwartet, in Versuchung führt und uns in jedem Augenblick bedroht. Die Auflösung ist unser offenkundiger physischer Schrecken und unsere geheime spirituelle Hoffnung.
Wenn wir wirklich feinfühlig sind, können wir tatsächlich spüren, dass sich unser Erleben in diesem Augenblick wie in einem Traum ziemlich weiträumig oder transparent anfühlt, zugleich auch echt und unlogisch, völlig unnötig, selbst wenn es weitergeht. In gewisser Weise ist es so, als wären wir schon tot. Diese totale Offenheit ohne irgendeine Sache oder irgendeinen Körper, von der oder dem man letzten Endes abhängig ist, ist genau so, wie es ist. Gleichzeitig ist es das, was wir am meisten fürchten.
Die meisten Menschen erkennen intuitiv die Vergänglichkeit des Lebens und den letztendlich vergeblichen Versuch, an etwas festzuhalten, einschließlich am Leben selbst. Vielleicht versuchen sie es zu vermeiden, darüber nachzudenken, aber tief in ihrem Inneren wissen sie, dass letztendlich nichts anderes als die Liebe zählt. Liebe ist die offene Natur genau dieses Augenblicks. Sie ist die ausgedehnte Fülle, die als das essenzielle Wesen eines jeden Menschen fortbesteht. Die meisten Menschen erkennen intuitiv ihr spirituelles Bedürfnis, alles für diese Liebe hinzugeben, zu „sterben“, um als diese Bewusstseinsfülle und dieses offene Wesen „wiedergeboren“ zu werden. Wenn die Menschen ihren Alltag nicht auf der Grundlage dieses Hingabebedürfnisses leben und sich nicht in ihrem spirituellen Leben unmittelbar und bewusst in diesen „Tod“ entspannen, dann findet ihr natürliches Bedürfnis nach Hingabe oder „Tod“ in sexuellen Fantasien ihren Ausdruck.
Eine der am meisten verbreiteten weiblichen sexuellen Fantasien besteht darin, dazu „gezwungen“ zu werden, sich der Lust und Liebe hinzugeben, und das hoffentlich durch einen sensiblen und mitfühlenden Liebhaber. Eine der am meisten verbreiteten männlichen sexuellen Fantasien besteht darin, zu spüren, wie sich eine Geliebte hingibt und sich der Aufforderung hingeben will, sich in Lust und Liebe zu öffnen.
Des Weiteren ist das Männliche in uns allen vom „Tode“ besessen, und zwar in Form gewalttätiger oder lebensgefährlicher Situationen, ob im Kino oder beim Sport. Es ist unser tiefstes männliches Bedürfnis, das Gefühl der Selbst-Getrenntheit in eine glückselige Offenheit und Freiheit zu entlassen. Dies ist der „Tod“, nach dem sich das Männliche wahrhaft sehnt. Es will alle Begrenzungen „durchbrechen“ und in die Freiheit des Grenzenlosen eingehen.
Aber da die meisten von uns die Glückseligkeit der direkten spirituellen Hingabe nicht gewöhnt sind, finden wir uns mit ersatzweisen Durchbrüchen ab. Anstatt unsere Angst zu durchbrechen und in unser natürliches stressfreies Wesen „zu sterben“, finden wir es überaus spannend, wenn eine Verteidigungslinie durchbrochen und ein gegnerisches Fußballteam „gekillt“ wird. Vielleicht verbringen wir Jahre damit, unser Leben auf die Freiheit nach dem Höhepunkt auszurichten, wenn wir den finanziellen „Hauptgewinn“ oder den philosophischen „Durchbruch“ geschafft haben. Sex ist wahrscheinlich der Bereich, in dem das Männliche am häufigsten fälschlicherweise danach strebt, Widerstände zu durchbrechen, Stress aufzulösen und in die glückselige Offenheit zu sterben.
Gewalttätige Herausforderungen und Todesgefahr üben auf das Männliche in uns häufig einen sexuellen Reiz aus, statt uns an unser unvermeidliches Bedürfnis nach spiritueller Hingabe in das offene Sein zu erinnern. Wenn das Ganze keine spirituelle Unterstützung erfährt, dann wird dieses Bedürfnis häufig im Bett ausagiert: Das Männliche in uns will entweder unsere Anspannung durchbrechen und sich dem todesähnlichen Loslassen beim Orgasmus hingeben oder die Spannung unseres Partners durchbrechen und spüren, wie sie oder er sich sexuell hingibt. Oder wenn möglich beides.
Das Weibliche in jedem von uns wünscht sich ebenfalls, dass man es in die Liebe verschwinden lässt oder „ermordet“, aber dies soll über die Fülle statt über den Durchbruch und das Loslassen erfolgen. Das Weibliche in uns will sich in der Fülle der überwältigenden Liebe verlieren. Aber wenn wir uns nicht direkt hingeben und als die tiefe Fülle der Liebe öffnen wollen, die die Natur unseres ganzen Seins verkörpert, dann könnte unser weiblicher Anteil vielleicht versuchen, uns „bis zum Tod“ mit „Liebe“ abzufüllen, und zwar in Form von Schokolade, Shopping, Gesprächen und Kindern.
Schokolade ist lecker. Fußball ist spannend. Familie und Freunde sind etwas Wundervolles. Aber wenn wir sie als Ersatz für die Erfüllung verwenden, die nur stattfindet, wenn wir uns als die wahre Offenheit unseres ganzen Seins entspannen, dann werden wir sie nie wirklich erlangen. Es fühlt sich immer so an, als fehle etwas. Wir fühlen uns nicht von absoluter Liebe erfüllt. Wir fühlen uns nicht in die absolute Freiheit entlassen. Unerfüllt und angespannt beginnen wir, nach dunkleren, niederen Versionen von Liebe und Freiheit, von Fülle und Loslassen zu suchen.
Sex und Tod erinnern uns kraftvoll an das zentrale spirituelle Bedürfnis von Männern und Frauen, alles Festhalten loszulassen und einfach zu sein, ungebunden und ungeschützt in tiefer Liebe, frei in der natürlichen Offenheit dieses Augenblicks. Das Bedürfnis nach Liebe und Freiheit – Liebe zu sein, vollkommen frei und offen – treibt uns alle an. Das Weibliche in jedem von uns möchte bis an den Punkt der glückseligen Hingabe von Liebe erfüllt sein, und das Männliche in jedem von uns will bis an den Punkt der glückseligen Auflösung in die Freiheit entlassen werden.
Ob wir nun Schokolade oder Sport dazu nutzen, Shopping oder Glückspiel, heilige Tänze, Meditation oder Orgasmen, wir streben danach, uns hinzugeben und uns in der Freiheit der unbegrenzten Offenheit zu verlieren, völlig befreit von Stress. Über das Weibliche oder Männliche streben wir danach, die Auslöschung in der Fülle oder die Auflösung in der Leere zu erleben. Und beim Sex erlauben wir uns am häufigsten diesen lustvollen „Tod“ – oder wir haben Angst, es selber zu tun, und befriedigen daher unsere Begierden, indem wir nach deren niederen und manchmal verzerrten Versionen im Fernsehen, im Kino und in Büchern verlangen.
Was kannst du tun, um zu lernen, inmitten dunkler Energie frei als Liebe zu verweilen? Wie kannst du die Tiefe sexueller Fülle oder das Loslassen erleben, das du dir wirklich wünschst? Als Sexualpraktik kannst du mit einem vertrauenswürdigen Partner deine verschiedenen dunklen Energien ausspielen. Verwendet abscheulich schmutzige Ausdrücke. Tragt ein Lederdress und Ketten. Reißt euch gegenseitig die Kleider vom Leib. Tauscht die Rollen und tut spielerisch so, als würdet ihr euch gegenseitig erwürgen. Aber tut das alles im Fluss der Liebe.
Während du mit diesen dunklen Energien spielst, atmest du voll und tief (und lässt die Energie entlang deiner Wirbelsäule spiralförmig aufsteigen und sich auf der Vorderseite deines Körpers spiralförmig nach unten bewegen, wie in meinem Buch The Enlightened Sex Manual (Deutsch: Erleuchteter Sex, Goldmann) beschrieben), während du Liebe aus den Tiefen deines Seins gibst und empfängst. Denkt daran, achtsam zu sein. Ihr versucht nicht, einander wehzutun, sondern ihr lernt, Liebe zu geben und zu empfangen und bis auf den tiefsten Wesenskern offen zu bleiben, während ihr bewusst die dunklen, aggressiven oder tödlichen Aspekte menschlicher Energie genießt, die ihr sonst eher verleugnet.
Während du für die Bedürfnisse und gewählten Grenzen deines Partners sensibel bleibst, übe dich darin, etwas vorzutäuschen und mit deinen dunkelsten sexuellen Energien zu spielen. Tut so, als wärt ihr „Vergewaltiger“ und „Vergewaltigte“. Tut so, als wärt ihr „Eindringling“ und „Opfer“. Agiert diese dunklen Energien voller Liebe, Humor und Verspieltheit aus. Die Stimmung sollte leidenschaftlich und wild sein, aber auch außerordentlich sensibel und liebevoll.
Wenn du diese dunklen Energien zum Ausdruck bringst, denke immer daran, durch alle entstehenden Anspannungen zu atmen, ob sie emotionaler oder körperlicher Natur sind. Sorge dafür, dass dein Bauch und deine Brust weich, offen und voller Energie bleiben. Bleib emotional mit deinem Partner verbunden und übe immer, ihn aus deinem Herzen heraus zu spüren. Biete dem tiefen Wesen deines Partners aus der Tiefe deines Seins heraus deine tiefste Liebe an und empfange die Liebe deines Partners, während du auch sexuell mit diesen dunklen Energien spielst.
Im Laufe der Zeit wirst du Folgendes feststellen: Wenn du gelernt hast, offen, liebevoll und voll präsent zu bleiben, während du diese dunklen Energien beim Sex spielerisch zum Ausdruck bringst, wird sich deine Fähigkeit steigern, auf die Fülle deiner Kraft im Laufe des Tages zuzugreifen. Anstatt dich von den dunklen Energien abzuspalten, lernst du, sie anzunehmen, Kraft aus ihnen zu schöpfen und sie zum Wohle aller einzusetzen. Schließlich sind diese dunklen Energien häufig das, was wir gesellschaftlich ablehnen, aber heimlich begehren oder von dem wir fasziniert sind. Warum sollten wir also nicht lernen, sie in Liebe zu handhaben, um sie der Liebe willen zu verstärken?
Indem wir lernen, offen zu bleiben, während wir unsere innerlichen Energien zum Ausdruck bringen, lernen wir auch, offen zu bleiben, wenn die dunkleren Energien des Lebens uns von außen begegnen. Kraftvoll und humorvoll können wir direkt dem Leben entgegentreten, ohne uns vor den gewalttätigen und aggressiven Energien zu verstecken, die so zahlreiche Aspekte unserer jetzigen Welt charakterisieren. Diese dunklen Energien sind nicht wirklich von uns getrennt. Sie sind ein Teil von uns allen. Und wir müssen lernen, inmitten von ihnen Liebe zu geben und zu empfangen – sonst regiert das Dunkle ohne Liebe.
Wenn unser Herzenswunsch, unseren Partner liebevoll zu verzücken, unbewusst wird und sich von der Liebe abkoppelt, verkommt er zu einer Vergewaltigungsfantasie oder dem Bedürfnis, von der Gewalt gegen das Weibliche „unterhalten“ zu werden. Wenn unser Herzenswunsch, liebevoll von unserem Partner niedergehalten und genommen zu werden, unterdrückt und von der Liebe abgekoppelt wird, wird er zur Selbstsabotage und einem oft unbewussten Verlangen, das Opfer der männlichen Kraft zu werden und dessen Verletzungen zu ertragen.
Wenn wir es uns nicht gestatten, unserem Geliebten liebevoll die Handschellen anzulegen und von ihm die Handschellen angelegt zu bekommen, wie zwei verspielte Tiger, die sich im Bett balgen, dann baut sich im Laufe der Zeit unsere Aggression auf. Wir sind nicht mehr mit unserem Herzen verbunden, unsere Aggression kann zur lieblosen Wut verkommen, als Missbrauch von anderen nach außen getragen (auf die männliche Art) oder als Selbstmissbrauch nach innen ausgedrückt werden (auf die weibliche Art).
Anstatt uns von den Aspekten unserer tiefsten Herzenswünsche abzukoppeln, ist es besser, das gesamte Spektrum der menschlichen Energie anzunehmen und zum Ausdruck zu bringen: das Dunkle und das Licht, und zwar mit großem Respekt und unbändiger Liebe. Wir müssen lernen, kraftvoll als Liebe einzustehen und Liebe aus den Tiefen unseres Seins zu geben und zu empfangen, selbst inmitten von dunklen Energien. Dann finden Missbrauch und Selbstmissbrauch ein Ende. Entfremdete Versionen unseres wahren Verlangens entspannen sich in einem „Willkommensgruß“ der Liebe: Die blinde Aggression entspannt sich als sanfte Leidenschaft, die Opferrolle entspannt sich als furchtlose Liebe und Hingabe; und der Kitzel des Todes entspannt sich als Verehrung des freien Bewusstseins.