Ein Auszug aus Wild Nights (Sounds True 2005)
„Hallo, mein Freund“, sagte Mykonos, als ich die Tür öffnete und so auf sein Klopfen antwortete.
Er stand draußen vor meiner Hütte, grinste wie ein Pferd und trug Shorts und ein Tanktop.
„Hallo“, sagte ich und hieß Mykonos in meinem kleinen Zuhause willkommen: „Komm rein.“ Das Strandhäuschen hatte nur ein Zimmer und keine Möbel. Mykonos trat ein, betrachtete einen Augenblick lang den Raum und setzte sich auf den Holzboden.
„Ich hatte nicht erwartet, dich zu treffen, Mykonos.“
„Nun, ich habe einfach gedacht, dass ich mal vorbeischaue. Ist das okay?“
„Natürlich. Ich bin nur überrascht, dass du hier bist.“
Ich hatte Mykonos zuvor zwei Mal getroffen. Das erste Mal vor einigen Jahren, nachdem Mykonos von seinem spirituellen Lehrer vertrieben und von seinen Schülerkollegen verstoßen worden war, da er ihnen angeblich gedroht hatte, sie mit einem Baseballschläger zu verprügeln.
Eine Woche bevor er vor meiner Hüttentür erschien, war ich am Strand auf Mykonos gestoßen. Wir saßen zusammen und sprachen über Gott, den Mykonos als das „Große Eine“ bezeichnete. Wir beobachteten vorbeilaufende Frauen, und Mykonos erläuterte mir die spirituellen Fähigkeiten weiblicher Genitalien, was mich überraschte.
Als ich darüber witzelte, dass er von Frauen besessen war, sagte er: „Worüber würdest du denn abgesehen von Sex und Tod eher nachdenken?“ Ich musste zugeben, dass da nicht viel übrig blieb, und Mykonos nickte leicht und sah mir tief in die Augen.
Einen Augenblick lang hielt alles an – kein Geräusch, keine Bewegung und sogar mein Atem stoppte –, und dann stand Mykonos auf, um zu gehen. Vom Strand aus hatte ich Mykonos meine Hütte gezeigt, aber nie erwartet, dass er tatsächlich auftauchen würde.
„Hast du auch ein kaltes?“, fragte Mykonos und suchte in meinem Kühlschrank herum.
Ich vermutete, dass er ein Bier wollte, aber ich hatte keins. Ich trank nicht. Mein Leben war sehr streng. Jeden Tag verfolgte ich in meiner kleinen Hütte drei bis fünf Stunden lang meine spirituelle Praxis und war überzeugter Vegetarier.
„Bei mir gibt es kein Bier“, ließ ich ihn wissen.
Mykonos plauderte ein paar Minuten lang mit mir, stand dann auf und ging. Es tat mir leid, dass ich ihm kein Bier anbieten konnte. Ich wusste, dass Mykonos mir viel zu bieten hatte.
Mykonos war ein Mann, der genauso hässlich wie zäh und abgehärtet war. Ich hatte gehört, dass er auf der Straße aufgewachsen war, Hockey spielte, boxte und mehr Ärger hatte, als er verdiente. Außerdem war er ein dekorierter Vietnamveteran. Nachdem er sich von beinahe tödlichen Kampfwunden erholt hatte, wandte sich Mykonos, der damals noch ein ganz junger Mann war, von der Welt ab und widmete sich vollkommen dem spirituellen Wachstum. Er verbrachte zwanzig Jahre damit, zu Füßen seines spirituellen Meisters zu studieren, bevor er verbannt wurde und in der gleichen Küstenstadt endete wie ich.
Ich wusste, dass er aus einem enormen Reichtum an spirituellem Wissen sprach – aber ich wusste nicht, dass er seinen Worten mit aller Macht Taten folgen ließ und dass er in mein Leben treten würde, um es für immer zu verändern.
Als sich Mykonos das nächste Mal vor meiner Hüttentür zeigte, war ich vorbereitet. Im Kühlschrank wartete ein Sixpack Bier.
Mykonos kam und setzte sich auf den Boden. Er wirkte besonders lebhaft.
„Hast du was kalt gestellt, mein Freund?“, fragte er.
Ich ging zum Kühlschrank, lächelte insgeheim und schnappte mir zwei Dosen. Eine für mich, eine für ihn. Ich gab Mykonos ein Bier und setzte mich vor ihn hin. Er zog die Lasche hoch und hob die Bierdose.
„Auf das Große Eine“, war sein Trinkspruch.
„Auf das Große Eine“, antwortete ich.
Wir nahmen beide einen Schluck. Ich konnte es nicht glauben. Ich trank Bier. In meinem spirituellen Bemühen, ein gesundes Leben zu führen, betrachtete ich Alkohol als Gift. Aber ich musste Mykonos vertrauen. Wenn er mit mir Bier trinken wollte, dann musste es einen Grund dafür geben. Ich war bereit, ihm zu folgen und das herauszufinden.
Er holte eine Schachtel Zigaretten heraus und zündete sich eine an. Ich schluckte. Zigaretten? Ich war so lange rein geblieben. Ich hatte fünfzehn Jahre lang kein Fleisch gegessen und nicht einmal Tee getrunken. Ich wollte keine Jahre hingebungsvoller Reinheit wegwerfen, nur um mich ein paar Stunden lang mit einem Mann zu unterhalten, der wie eine Kreuzung aus Axtmörder und Autowaschgehilfe aussah. Mykonos war kein großgewachsener Mann, und trotzdem würde man sich nicht mit ihm anlegen wollen. Zwischen seinen Knien und seinen Shorts kreuzten sich die Narben von Schrapnellverletzungen auf seiner Oberschenkelhaut. In seinen Augen lag ein bestimmter Blick, so als würde er den Tod kennen – und zwar von beiden Seiten.
Sobald er sich seine Zigarette angezündet hatte, war ich mir sicher, dass Mykonos meine Angst und meinen Widerstand spürte. Er platzierte die Packung innerhalb meiner Reichweite und nickte in diese Richtung, um mir zu zeigen, dass ich mich bedienen konnte. Was ich nicht tat.
Mykonos nahm einen langen Zug und atmete dann ganz langsam aus. Der Rauch erfüllte den Raum meiner sauberen Hütte. Er nahm einen weiteren Schluck Bier.
„Ach jaaa“, seufzte Mykonos. „Die Dame ist überall um uns herum.“ Er machte eine schwungvolle Bewegung mit seiner Hand, so als wollte er den Strand oder vielleicht auch die ganze Welt außerhalb meiner Hütte darstellen. „Sie ist wunderschön, nicht wahr? Und sie würde dich auch sofort töten. Dich lebendig verspeisen. Was für eine Hure. Was für eine wunderschöne Hure. Hast du eine Idee, wovon ich rede?“
Überrascht von seiner vulgären Sprache nickte ich und hoffte, dass er mir mehr darüber erzählen würde.
Wir tranken weiter schweigend unser Bier. Ich wartete ab. Dann redete Mykonos über Dinge, die scheinbar zufällig aufkamen: Bücher, Sport, Geldanlagen. Ich hatte das Gefühl, dass er mich testete. Sehen wollte, ob ich anbiss. Herausfinden wollte, ob ich bereit war, das zu empfangen, was er zu geben hatte, oder ob ich mich mit Geplauder und allgemeinen Gesprächsthemen zufriedengeben würde.
Unterdessen konnte ich die Wirkung des Alkohols spüren. Bis dahin hatte jeder von uns fast drei Bier getrunken. Da ich lange Zeit Abstinenzler gewesen war, begann ich ein wenig zu schwanken. Ich verlor den Gesprächsfaden.
„Atme es nach unten, mein Freund. Sauge sie auf deiner Vorderseite nach unten. Atme sie hierhin hinab“, sagte Mykonos und packte fest in seinen Schritt, was mir Angst einjagte. „Warum solltest du dich von ihr trennen? Hm? Warum bringst du es ihr nicht? Sie will dich. Sie kriegt dich so oder so. Sie wird dich zerkauen, wenn du stirbst. Und wenn du tot bist? Auf der anderen Seite? Sie wartet auch dort auf dich. Du kannst ihr nicht entkommen, mein Freund.“
Mykonos nahm einen weiteren Zug. Ich war sprachlos. Taumelte.
„So umfangreich deine sogenannte spirituelle Praxis auch sein mag, sie kann dich nicht vor ihr retten“, setzte Mykonos fort. „Du kannst nicht flüchten. Du kannst nur lieben. Du kannst in Angst leben oder du kannst mit ihr tanzen. Und wenn du sie rückhaltlos liebst, wenn du sie so siehst, wie sie wirklich ist – durch und durch –, dann stirbt sie in Glückseligkeit. Verstehst du? Nur Glückseligkeit. Aber wenn du sie nicht dazu bringst, die Beine breit zu machen, wenn du nicht einmal ein Bier trinkst und wenn du zu verklemmt bist, um sie hierhin nach unten zu atmen, dann wird sie dich einfach auslachen. Wir sprechen hier über eine große Dame. Eine sehr große Dame. Deine Tagesordnung ist ihr nicht scheißegal.“
Während er sprach, wurde mir schwindlig, und mein Bauch verspannte sich. Seine Worte waren grob, aber er hatte recht. Ich hatte die spirituelle Praxis damit gleichgesetzt, meine Lust abzuwürgen, sie zu verleugnen und zu unterdrücken. Ich konnte alleine in einem sauberen Raum sitzen und stundenlang meditieren, aber ich würde nicht mit der tanzen, die Mykonos als „die Dame“ bezeichnete. Ich hatte Angst vor dem Leben. Ich hatte Angst vor dem Tod. Ich hatte sogar Angst davor, ein Bier zu trinken und meine Reinheit zu verlieren.
Ich wollte Zuflucht und kein Chaos. Ich wollte Frieden, keine Leidenschaft. Ich war in meinem Zimmerchen der Heiligkeit gefangen, in meiner meditativen Einsamkeit und Stille. Das war keine wahre Freiheit. Und auch keine Liebe. So wie es Mykonos aufgezeigt hatte, drang ich mit meiner Liebe nicht in die Welt ein und öffnete „sie“ zur Glückseligkeit. Stattdessen zog ich mich zurück. Ich war von mir selbst besessen.
Vielleicht hatte mich das Bier aufgelockert, oder es war auch einfach nur der richtige Zeitpunkt, aber als Mykonos sprach, begann sich meine gesamte Lebensstrategie aufzulösen. Ich hatte daran geglaubt, dass alles funktionieren würde, wenn ich dafür sorgte, dass mein Körper in Balance und mein Geist klar blieben. Aber in der Zwischenzeit starb ich trotzdem. Die „Dame“ fraß mich auf. Die ganze Welt war eine wuchtige, chaotische Frau, die mit Angst einjagte, und daher suchte ich in meiner spirituellen Innerlichkeit und Reinheit nach Sicherheit und Zuflucht.
„Was ist denn eigentlich eine Vagina?“, erkundigte sich Mykonos plötzlich. „Ein Lotus des Entzückens oder ein hässlicher schleimerfüllter Schnitt? Warum willst du sie unbedingt vögeln? Du siehst sie gerne im Bett, hübsch zurechtgemacht, aber willst du sie genauso sehr, wenn sie auf Toilette sitzt und die Scheiße aus dem Arschloch rauskommt? Hm? Der Körper ist, was er ist. Normalerweise möchtest du ihn hinter deiner Unterwäsche verstecken. Du machst die Badezimmertür zu. Genitalien!“ Mykonos lachte. „Sie können wunderschön oder ekelhaft sein. Das ist sowieso keine große Sache. Liebe hat mit alledem nichts zu tun. Und glaube mir, der großen Dame ist es völlig egal, ob die Genitalien so oder so sind. Wenn du die große Dame liebst, dann braucht es sehr viel mehr als deinen Schwanz. Und das Gleiche gilt, wenn du deine Frau lieben willst.“
Ich dachte an Gia, die aufs College ging und deshalb einige Monate lang nicht zu mir an den Strand kommen konnte.
Mykonos lächelte und zündete sich eine weitere Zigarette an. Dann bot er mir die Packung an. Diesmal nahm ich eine Zigarette, stecke sie mir zwischen die Lippen, bediente das Feuerzeug und inhalierte. Die Schärfe des Rauchs erwischte mich unvorbereitet, aber es gelang mir, meinen Husten zu unterdrücken. Ich nahm einen Schluck Bier, einen Zug an meiner Zigarette und versuchte, mich in die Situation zu entspannen.
Als wir das letzte Bier getrunken hatten, gingen wir hinunter zu dem Laden im Ort, um noch mehr zu kaufen. Dann gingen wir an den Strand. Wir saßen im Sand, tranken und redeten.
Mykonos neigte seinen Kopf in Richtung einer hinreißenden blonden Touristin, die im Bikini vorbeilief. Ich sah glatte sonnengebräunte Haut, eine schmale Taille und volle Hüften. Ich sah aufrechte Brüste und Brustwarzen, die gegen den Stoff ihres Bikinioberteils abzeichneten. Ich sah unglaubliche Beine. Ich spürte, wie mich Mykonos ansah.
„Du weißt, wofür sie steht?“, fragte Mykonos mit einem Lächeln. „Jahrelanger Streit, rotznasige Kinder, Hypothekenzahlungen und schlechter Geruch. Du schaust dir das Ding jeden Tag an, Tag für Tag, und du willst einfach davonrennen. Weißt du, was ich meine?“
Ich wusste, was er meinte, aber ich sagte nichts. Ich dachte bei mir, dass er ein bisschen zu laut redete.
In diesem Moment sahen wir eine andere Frau, die am Strand entlangging. Sie war etwa 35 Jahre alt und trug Jeans und T-Shirt. Sie war eine Freundin, die Mykonos und ich zufällig kannten. Eine nette und liebe Person – obwohl sie für meinen Geschmack nicht besonders attraktiv war. Ich würde sie sicherlich nicht als sexy bezeichnen. Sie kam auf uns zu und begrüßte uns.
„Hallo, Ma!“, sprach Mykonos sie voller Leidenschaft an. Ich ging davon aus, das Mykonos seine Sprachgewohnheit während seines Indienaufenthaltes entwickelt hatte, wo die Frauen aus Liebe und Respekt manchmal „Ma“ genannt werden – lebende Facetten der Großen Mutter, der Göttin des Universums.
„Du siehst heute sehr glücklich aus, Ma!“, sagte Mykonos.
„Es geht mir so ganz gut“, sagte die Frau mit einem Achselzucken.
„Du siehst ganz wunderschön aus. Du strahlst sehr. Möchtest du ein Bier trinken und das Leuchten deines Herzens mit uns teilen, Ma?“, fragte Mykonos.
„Sicher, gerne“, sagte sie und wirkte sichtbar glücklicher. Und definitiv attraktiver.
Ich erkannte, dass Mykonos’ Art, so ungewöhnlich sie schien, die Grenzen entlarvte, die ich der Liebe setzte. Wenn mich eine Frau verzauberte, dann raubten mir seine Worte die Illusion. Wenn ich einer Frau gleichgültig gegenüberstand, dann enthüllten seine Worte deren Schönheit. Wie auch immer, ich war von den Launen meiner Lust und von Mykonos’ Worten gefangen, die, so krass sie auch waren, die Möglichkeit aufzeigten, sich in einer Art und Weise zu zeigen, die ich nie zugelassen hätte – Liebe anzubieten, ohne sich angstvoll zurückzuhalten.
„Ist einer von euch beiden jemals so richtig gefickt worden? Ich meine, so richtig gefickt?“, fragte uns Mykonos.
Bevor wir antworten konnten, antwortete er auf seine eigene Frage. Er schaute uns an, zog die Lippen zurück, um seine Vorderzähne zu entblößen, schüttelte den Kopf und sagte: „Ich glaube nicht.“
Er saß still da und betrachtete den Ozean. Ich wartete darauf, dass er fortfuhr, aber das war nicht der Fall. Ich hatte das Gefühl, etwas sagen zu müssen.
„Mykonos, was heißt es, wirklich so richtig gefickt zu werden?“, fragte ich.
Er saß einige weitere Minuten lang da, ohne zu antworten, rauchte seine Zigarette und blickte übers Wasser, so als ob er sich an eine andere Zeit und einen anderen Ort erinnerte. Schließlich sah er unsere Freundin an und lächelte.
„Ma weiß, worum es beim Ficken geht. Nicht wahr, Ma? Hm?
Sie grinste, ein bisschen scheu, zögerte einen Moment, es zuzugeben, aber es war bestimmt so, dass sie genau wusste, wovon Mykonos redete. Er fuhr fort.
„Du weißt, wie es ist, das Große Eine so weit in dich aufzunehmen, dass nichts mehr bleibt, als alles an den Herrn abzugeben, nicht wahr? Vielleicht hast du es nie getan. Aber du weißt, wie es wäre. Du kannst es spüren. Du weißt, dass du es willst. Du willst in Gott gefickt werden, nicht wahr? Du weißt, was ich meine, Ma?“
Jetzt lächelte, strahlte und nickte sie. Mykonos fuhr fort.
„Klar willst du das, Ma. Du weißt, wie es ist, weil du Liebe bist. Dein Herz ist Liebe. Dein Geist ist Liebe. Deine Muschi ist Liebe.“ Während er sprach, blickte Mykonos auf ihr Herz, ihren Kopf und zwischen ihre Beine. Sein Gesichtsausdruck zeigte offenkundige Ehrfurcht, ohne das kleinste Anzeichen des Verstellens. Ich konnte nicht glauben, dass Mykonos ihr auf diese Weise auf den Schritt schaute, ohne Arglist und voller Tugend und Liebe. Währenddessen schien sie sein Lob förmlich aufzusaugen und sonnte sich in seiner Bewunderung ihrer Form.
„Unser armer Freund hier“, sagte Mykonos und nickte mir zu, „hat Angst vorm Ficken. Er hat Angst, mit der Dame zu tanzen, Ma. Er will es aus sicherer Distanz beobachten – so wie ein Wissenschaftler. Er hat Angst, sein Zimmer zu verlassen und seine Reinheit und seinen Frieden zu verlieren, für die er so hart gearbeitet hat. Er hat Angst, seine kostbare Stille zu verlieren. Er hat Angst vor der weiblichen Wildheit. Für ihn muss alles ganz sauber sein. Oh ja, er ist ein guter Mann. Sieh das Licht in seinen Augen.“
Mykonos legte seinen Arm um ihre Schultern und lehnte sich zurück, sodass sie mich beide ansehen konnten.
„Das Licht hat ihn sein Leben lang geführt. Dieser Junge könnte es gerade so schaffen. Aber nicht, solange er nicht lernt, die Dame zu umarmen, Ma.“
Dann veränderte sich die Luft um uns herum. Ein dichter Rausch der Verzückung ging auf uns herab, senkte sich als üppige Liebe in unsere Körper, durchdrang uns und tränkte uns und den Zwischenraum, wobei ein glückseliger Druck entstand. Mykonos sprach weiter, und sein zerklüftetes Gesicht erglühte in Seligkeit. Er begann sich, an unsere Freundin zu wenden, so als ob sie die große Dame wäre. Er begann, mit ihr als Göttin zu sprechen.
„Unser Junge hier wird die absolute Liebe nicht kennen, und er wird nicht wissen, was wahre Freiheit ist, bis er dich fickt und von dir gefickt wird, sodass nur das Große Eine an seiner Stelle erstrahlt. Und ich rede nicht davon, dass sich sein Schwanz in deiner Muschi hin- und herbewegt, verstehst du? Ich rede vom Herzen.“ Mykonos streichelte sein Herz, und der Druck der Liebe schien zu wachsen. Er sprach weiter, und das auf so zärtliche Weise.
„Kannst du es jetzt fühlen, Ma? Kannst du Liebe in deine Muschi atmen? Kannst du dich jetzt dem Großen Einen öffnen? Kannst du das Große Eine überall spüren, zwischen deinen Beinen, wie es deinen Körper erfüllt und dein Herz aufbricht und weit öffnet?“
Mykonos sah ihr in die Augen, während sie zu weinen und zu zittern begann. Ihre Beine öffneten und schlossen sich, während sie tief atmete und keuchte: „Ja.“ Während sich ihr Körper erhellte, begann sie zu lachen, ohne Sorge, voller Kraft, voller Sex, voller Liebe. „Ja!“, schrie sie ekstatisch und furchtlos. Sie schien größer zu sein als das Leben, berührte sich, öffnete sich, lachte und erstrahlte in wilder Energie. Mykonos hatte recht. Ich hatte Angst.
„Und du, mein Freund“, wandte sich Mykonos an mich, „du wirst sowieso sterben. Sie wird dich fressen, früher oder später. Hör auf zu kämpfen. Gib jetzt alles auf. Gib deine ganze Liebe. Ich meine deine ganze Liebe. Warum nicht? Was glaubst du zu gewinnen, wenn du dich zurückhältst? Liebst du diese Frau genau jetzt? Kannst du sie fühlen? Ist sie nicht die Göttin? Ist sie nicht als grenzenlose Liebe lebendig?“
Das war sie. Strahlend. Offen. Lebendig. Lachend und weinend. Sie zeigte ihre Weiblichkeit ohne Einschränkung und Stolz. War frei in ihrem Glanz. Die Beine geöffnet. Die Zunge herausgestreckt. Ihre Augen waren wild, voll, sexy, furchtlos, wissend. Sie war alles, was ich mir je von einer Frau gewünscht hatte. Auch wenn ich noch Angst hatte, so wandte sich mein Herz ihr zu. Mein ganzer Körper war von Kraft erfüllt. Der Kraft des Verlangens.
„Das ist es“, sagte Mykonos zu mir. „Halte dich nicht zurück. Sei kein Arschloch. Liebe diese Frau. Gib ihr alles. Fühle alles und sei frei in der Liebe. Sei offen als Liebe. Es gibt nur Liebe. Nur dieses Große Eine, liebe sie immer und mache immer Liebe mit ihr. Das Große Eine ist das Ficken! Da, habe ich es nicht gesagt? Bin ich zu weit gegangen? Es gibt nur das Große Eine, selbst in unserer augenscheinlichen Zweiheit.“
So abenteuerlich seine Worte auch waren, Mykonos hatte recht. Wir saßen am Strand, voll bekleidet und berührten einander nicht einmal, öffneten uns als Mann und Frau, waren als Liebe lebendig, öffneten uns als Liebe und gaben Liebe. Mehr Ficken ging einfach nicht. Und es war klar, dass jeder Augenblick von genauso tiefer Liebe und spontaner Lebendigkeit erfüllt wäre wie dieser Augenblick, wenn wir uns nur darauf einigten, Liebe zu geben und zu empfangen, ohne uns zurückzuhalten oder zu verschließen.
„Es gibt nur Liebe“, sagte Mykonos weiter. „Es gibt nur dieses Große Eine, das sich immer als Liebe bewegt und immer Liebe macht. Wir leben nicht in einer Welt mit Engelsflügeln und weißen Türmchen. Wenn du stirbst und auf die andere Seite gelangst, dann flimmerst du vielleicht als goldenes Licht. Aber so scheint die Liebe nicht in diese menschliche Daseinsebene hinein. Hier an diesem Ort des heißen Blutes und des rosigen Fleisches vollzieht das Große Eine den Liebesakt durch die Körper des Verlangens. Dies ist das rote Reich. Und der einzige Weg, wie man über diese Ebene hinausgelangt, besteht darin, sich durch sie hindurchzuspüren – indem man als sie liebt.“
Auch wenn Mykonos’ Charakter frei erfunden ist, so haben mich doch verschiedene Lehrer häufig auf meine Widerstände, meine Ängste und meine Weigerung aufmerksam gemacht, Liebe zu sein. Sie gaben mir zahllose Gelegenheiten zum Üben, um die Liebe in dem Bereich zu sein, den ich während meines sogenannten spirituellen Lebens tendenziell am meisten gemieden habe: die Domäne der Frauen. Sie haben mir gezeigt, wie ich in meiner Schwäche dem Weiblichen entweder erlaubt habe, mich zu verzaubern oder zu verabscheuen. Und sie haben mir immer wieder seine Kraft gezeigt, die mich in ein Lieben hineinlockte, das tiefer war, als ich es sonst zugelassen hätte. Aber zumeist hat man mich gelehrt, dass man das Verlangen nicht vermeiden soll. Im Gegenteil, es ist sogar die wahre Natur des Großen Einen, das sich als zwei manifestiert.
Wenn du offen bleiben und das Verlangen als das erkennen kannst, was es ist, dann wird das Verlangen als eigentliche Kraft der Liebe wahrgenommen. Das Verlangen ist so, wie es sich anfühlt, das echte Eine zu sein, das sich selbst gegenüber als etwas anderes erscheint. Liebe, welche die Liebe in Form eines anderen liebt – die Natur des Universums wird im zeitlosen Verlangen zwischen Mann und Frau und dem Männlichen und Weiblichen sichtbar. Die bewegungslose Tiefe des Er und der endlose Tanz der Sie vereinigen sich. Der Unterschied verschwindet. Das Große Eine ist das Ficken.
Wo auch immer er sein oder nicht sein mag, ich danke Mykonos für das Bier.