Farbe ist persönlich. Viele Fotografen lassen sich ebenso über ihre konsistente Farbpalette identifizieren wie über ihre bevorzugten Motive. Manche arbeiten ganz und gar nur monochrom, andere mögen eine niedrigere Sättigung oder intensive, strahlende Farben. Wissenschaftler haben herausgefunden, dass Ihr Wohnort, Ihre Erfahrungen, ja sogar Ihre Sprache beeinflussen, wie Sie auf Farben reagieren.
Alle erfolgreichen Farbfotografen müssen die Beziehungen ihrer Farben zueinander abstimmen, indem sie festlegen, welche und wie viele Farbtöne mit welcher Helligkeit und Sättigung sie nutzen wollen. Es gibt unendlich viele Möglichkeiten, und wir reagieren alle anders auf sie. Bestimmte Prinzipien gelten jedoch immer.
Wenn sowohl Farbton als auch Helligkeit sehr unterschiedlich wirken, nehmen wir einen hohen Kontrast wahr. Farb- und Tonwertkontrast helfen uns, Dinge voneinander zu trennen. Kontrast jeder Art erregt unsere Aufmerksamkeit.
Üblicherweise wird die Wellenlänge des Lichts nicht auf einer linearen Skala dargestellt, sondern in einem Kreis, dem Farbkreis. So zeigen sich die Farbverhältnisse sehr deutlich.
Der Kontrast zwischen Farben ähnlicher Wellenlänge (Farbtöne) erscheint meist gering. Sie werden als analoge Farben bezeichnet: Rot und Orange, Grün und Blau usw. Auf dem Farbkreis sind sie Nachbarn. Ein großer Helligkeitsunterschied kann sogar analoge Farben stark kontrastieren lassen.
Farben, die sich im Farbkreis gegenüberliegen, sind komplementär; sie zeigen zueinander einen sehr hohen farblichen Kontrast. Ein Fastkomplementär ist eine der Nachbarfarben, die ein exaktes Gegenteil einschließt: Rot und Grün oder Magenta und Cyan sind Fastkomplementäre. (Rot und Grün sind die Komponenten von Gelb.) Fastkomplementäre besitzen ebenfalls ein angenehmes Maß an Kontrast.
Es gibt sicher mehr Farben, als wir eindeutig mit Worten beschreiben können. Und auch unser Gefühl, was zusammenpasst und was »sich beißt«, lässt sich kaum in Zahlen ausdrücken. Doch wir können uns bestimmt darauf einigen, dass es visuell angenehm ist, wenn man die Anzahl der dominanten Farbtöne in einem Bild beschränkt. Zahllose erfolgreiche Fotos basieren auf zwei dominanten Farben. Bilder mit drei Farben verwenden oft ein Paar Komplementärfarben zusammen mit einer dritten Farbe, die analog zu einem der Komplementäre ist, wie das obige Beispiel eines wahren Meisters der Farben, des Fotojournalisten Steve McCurry zeigt. Das Bild wird von den Komplementären Gelb und Blau dominiert und enthält einen Hauch Orange, eine analoge Farbe zum Gelb. Alle Farben des Regenbogens darf man gern in einem Foto der Waren des lokalen Supermarktes verwenden, es kann aber auch einfach zu viel sein.
ES IST VISUELL ANGENEHM, WENN MAN DIE ANZAHL DER DOMINANTEN FARBTÖNE IN EINEM BILD BESCHRÄNKT
Die drei Zapfentypen in unseren Augen sind nicht gleichermaßen farbempfindlich. Dieses Diagramm zeigt, wie leuchtend verschiedene Farben dem Auge erscheinen. Die Helligkeit der einzelnen grauen Kreise gibt an, wie hell wir den entsprechenden Farbklecks wahrnehmen. Sie werden bemerken, dass warme Farben – Gelb, Orange, Rot – die meiste Leuchtkraft haben. Warme Farben scheinen uns aus der Bildebene entgegenzukommen, während wir kühle Farben – Blau- und Lilatöne – als weniger leuchtend empfinden und sie zurückzuweichen scheinen. Je leuchtender eine Farbe wirkt, umso eher »springt« sie aus dem Bild, selbst wenn sie nur einen kleinen Bereich füllt.
Fotografen hören oft: »Pack einen Tupfer Rot in jedes Bild.« Diese Technik bezieht sich direkt auf die Tatsache, dass wir warme Farben heller wahrnehmen als kühle. Die »Farbtupfer«-Richtlinie lautet, dass die Größe der Farbbereiche umgekehrt proportional zu ihrer scheinbaren Leuchtkraft sein kann. Selbst kleine Stellen mit hellen Farben (Gelb, Orange, Rot) fangen den Blick des Betrachters ein, weil sie so leuchtend erscheinen, während kleine Stellen mit weniger leuchtenden Farben (Blau, Violett) nicht so klar hervortreten.