Torge in Tating | Sonntag, den 03. September
Auf dem Weg zurück nach Tating war Torge mit dem Verlauf des Tages äußerst zufrieden. Kurz fragte er sich, ob es nicht besser gewesen wäre, die Presse an die Kommissarin zu verweisen oder zumindest Knud anzurufen, um ihn dazu zu bitten, doch dann wäre er nur noch eine Randfigur gewesen. Außerdem war er überzeugt, dass seine Informationen zu diesem Zeitpunkt wesentlich ergiebiger waren als die der Polizei. Ganz konnte er trotzdem nicht aus seiner Haut. Das schlechte Gewissen nagte an ihm. Also beschloss er, Knud wenigstens über das Interview mit den Reportern von N3 aktuell von der Küste zu informieren, das heute gegen 18 Uhr gezeigt würde.
Nachdem er sich sein Headset über das Ohr geklemmt hatte, suchte er Knuds Nummer aus der Kontaktliste. Nach dem dritten Klingeln nahm der ab.
Moin , Torge. Ich dachte, du hast heute Familientreffen. Bist du etwa schon wieder spät dran?“
Torge zog eine Grimasse. „Annegret wird nicht begeistert sein, aber immerhin habe ich ein Kilo frische Krabben.“ „Und da hast du noch Zeit mich anzurufen, um mit mir zu schnacken ? Oder gibt es was Neues?“
„So kann man es ausdrücken. Ich dachte, ich informiere dich lieber, bevor du es aus dem Fernsehen erfährst.“
„Häh? Aus dem Fernsehen? Was hat das wieder zu bedeuten, Torge?“
Jetzt wurde ihm doch etwas mulmig zumute. Er überlegte, ob er Knud schon einmal richtig sauer erlebt hatte. Wie würde dann erst die Kommissarin aus Hamburg reagieren?
„Torge! Nun sag schon! Was hast du wieder angestellt?“ Klang als ob seine Mutter meckern würde.
„Ich glaube, du wirst nicht begeistert sein“, versuchte er, Knud vorzubereiten, was natürlich schon völlig überflüssig war. „Ich habe Hinnerk vom Verein Wattenmeer in Büsum getroffen. Er hat mir einiges zu Schwertfegers Vergangenheit erzählt.“
„Und was hat das mit dem Fernsehen zu tun?“
„Ja, warte. Ich erzähle es dir doch. Ich bin danach zur Weißen Düne gefahren, weil ich dachte, ich würde euch treffen.
Stattdessen war ein Reporter von N3 aktuell da.“
„Sag nicht, du hast denen ein Interview gegeben!“
„Ja, ... doch!“
„Torge! Bist du denn total bekloppt? Oh Mann, die Wiesinger wird ausflippen! Wie konntest du nur?“
Was sollte er dazu sagen?
„Verdammt! Was hast du denen alles erzählt? Wann wird das gesendet? Nun sag schon! Ich muss zumindest vorbereitet sein, wenn ich mit ihr spreche.“
„Deswegen rufe ich dich ja an“, erwiderte Torge kleinlaut. „Im Großen und Ganzen habe ich ihnen nur die Stelle gezeigt, wo ich Michael gefunden habe. Danach wollten sie so viel wie möglich über ihn wissen, also habe ich die Informationen von Hinnerk weitergegeben.
„Aha. Und das wäre?“
„Über sein Studium in Australien und so. Stell dir vor, er war sogar ein Doktor.“
„Ein Arzt?“, fragte Knud etwas schwer von Begriff.
„Nein, ein Doktor für Meeresbiologie natürlich!“ Torge hatte schon wieder Oberwasser. Er freute sich über die Neuigkeiten, die er seinem Kumpel mitteilen konnte. „Er hat irgendwas geforscht, das habe ich nicht so genau verstanden. Deshalb hat Hinnerk ihn eingestellt. Das sollte er hier fortsetzen, um Ruhm sowie Ehre für die Station Wattenmeer zu erreichen – oder so.“
„Oder so! Da hast du scheinbar nicht so gut zugehört. Oh
Mann, Torge! Das gibt Ärger. So´n Schiet !“
„Hhm.“
„Naja, lässt sich nicht mehr ändern. Danke für den Anruf. Ich überlege mal, wie ich es der Kommissarin verklickere. Hast du morgen Dienst?“
Jo . Jetzt muss ich mich sputen. Maria und die Kinder sind
bestimmt schon da. Mach´s gut, Knud. Moin .“
In Erwartung eines zweiten Donnerwetters hielt er kurz bei einem Blumenladen – Sonntagsöffnung an der Küste sei Dank – und kaufte einen Strauß gelb-orangener Sommerblumen für Annegret. Sowohl für den guten Tipp bezüglich Hinnerk als auch zur Besänftigung, da er tatsächlich wieder spät dran war. 
Wie sich zeigte, waren alle in bester Stimmung. Sie hatten den Tisch im Garten gedeckt, die Erwachsenen saßen bei Kaffee mit Kuchen, die Kinder tobten herum. Alle freuten sich, als Torge eintraf und bestürmten ihn, von dem Toten im Watt zu erzählen. Er genoss es redlich, im Mittelpunkt zu stehen. Selbst seine Frau war gespannt, was das Gespräch mit Hinnerk ergeben hatte. Torge erzählte es in allen Einzelheiten. 
Die Neuigkeit über seinen Fernsehauftritt in den lokalen Nachrichten hob er sich bis zum Schluss auf. Insbesondere die Kinder waren den Rest des Nachmittags aufgeregt. Sie konnten es kaum abwarten, ihren Opa auf der Mattscheibe zu sehen.