Das Thema Wiederholung ist zwiespältig. Jeder Autor ärgert sich, wenn er bei der Durchsicht seines frisch gedruckten Buchs unfreiwillige Wiederholungen und Doppelungen bemerkt. Vor allem Verbkerne, die sich auf wenigen Zeilen wiederholen, wirken störend, da gilt das Gesetz der Abwechslung. «So stand es mit Veza und sie weigerte sich standhaft.» Canetti hätte beim nochmaligen Wiederlesen dieses Satzes das Adverb vermutlich durch «beharrlich» ersetzt. «Sie hatte Schritte auf der Straße gehört, die vielleicht Georg gehörten.» Auch dies ein offensichtliches Versehen; beim gründlichen Lektorat, das die Zeitläufe verhinderten, hätte Anna Seghers die Doppelung getilgt.

Diese unfreiwilligen Wiederholungen sind der Giersch der Prosa, kaum auszujäten, auch nach dutzendfacher Korrektur bleiben ein paar übrig; am wenigsten noch, wenn man sich jede Seite laut vorliest. Der Wortklang geistert dann noch im Sprachzentrum des Schreibenden umher. Manche Autoren wie Martin Amis nehmen das Gesetz der Nicht-Wiederholung so streng, daß sie andere danach beurteilen, ob sie aufeinanderfolgende Absätze mit dem gleichen Wort beginnen lassen oder nicht. Martin Amis täte es nie.

Wenn sie nicht unfreiwillig ist, kann die Wiederholung ein mächtiges Stilmittel werden. Wie man von einem musikalischen Motiv nicht genug bekommen kann – up to a point, man denke an Bruckner –, kann die schöne Wiederholung und das Leitmotiv, wie es Thomas Mann und fast kühner noch Joseph Roth pflegen, eine einschmeichelnd behagliche, manchmal crescendierend-donnernde Wirkung entfalten. Der mutige Stilist scheut die Wiederholung nicht. Die bewußte Wiederholung ist das Salz der Prosa. Warum ist der Schluß der Eichendorffschen Novelle Aus dem Leben eines Taugenichts berühmt? Nur deshalb, weil er ein Wort wiederholt – «und es war alles, alles gut.» («Geminatio» ist das

The woods are lovely, dark and deep,

But I have promises to keep,

And miles to go before I sleep,

And miles to go before I sleep.

Ein kleines und ein größeres Beispiel aus dem Radetzkymarsch. Joseph Roth schildert darin die Todesangst des jüdischen Regimentsarztes Max Demant, der von einem betrunkenen Rittmeister beleidigt wird, was nach dem militärischen Ehrenkodex zum Duell führen muß. Max Demant erwägt die Flucht, aber entscheidet sich dann doch dagegen. Drei Stunden vor dem Duell, das er nicht überleben wird, denkt er: «Ein nichtswürdiges, infames, dummes, eisernes, gewaltiges Gesetz fesselte ihn, schickte ihn gefesselt in einen dummen Tod.» Der Stilist comme il faut hätte zumindest die Wiederholung des «dumm» vermieden, aber gerade diese scheinbare Nachlässigkeit zeigt den Meister. Das dumme gewaltige Gesetz schickt Max Demant in den dummen Tod.

Ein zweites Beispiel. Wir stehen mit dem Kaiser an der russischen Grenze, wo er Manöverschau hält. Am Morgen nach seiner Anreise läßt er sich von einem Korporal rasieren, der sich nichts dringlicher wünscht, als aus dem Militär auszuscheiden; er hat Weib und Kind und einen guten Laden in Olmütz und schon ein paarmal versucht, einen Gelenkrheumatismus zu simulieren, um nur recht bald entlassen zu werden. Als sich der Kaiser nun aber, jovial gestimmt, bei ihm erkundigt: «Wollen S’ beim Militär bleiben?», wagt der Korporal keine ehrliche Antwort. Er kann dem Kaiser nicht nein sagen, er sagt: «‹Jawohl, Majestät› und wußte

Und der Kaiser ist stolz auf sich: «So. Jetzt hatte der Kaiser einen glücklich gemacht. Er freute sich. Er freute sich. Er freute sich.»

Ja, das macht Joseph Roth einfach so, das traut er sich: dreimal hintereinander derselbe Satz. Und dreifach erhöht er dadurch die objektive Komik der Situation: Der Kaiser hat soeben das Leben des armen Korporals ruiniert, indem er glaubte, ihn qua Majestät zu erhöhen. Ein Glück, daß Roth zu dieser Zeit den Lektor Lernet-Holenia hatte; ein minderer hätte ihm womöglich die Wiederholung gestrichen.

Es kann auch nur ein einzelnes Verb sein, dessen Wiederholung bei inhaltlichem Crescendo rhetorische Wucht erzeugt. Ein Beispiel ist ein von seinem Gesprächspartner Förster aufgezeichneter Wutausbruch Goethes. Es geht darin um ein Gemälde, das Goethe vorgelegt wird, «Klosterhof im Schnee», das eine Winterlandschaft mit dunklen Tannen zeigt, in der ein Zug von Mönchen einen Sarg auf schwarzbehangener Bahre in ein einsames Kloster trägt. Das war für Goethe genau eine Nummer zu viel. Zum Komisch-Ergreifenden seines Ausbruchs trägt bei, daß er das entscheidende Verb leicht schräg benutzt; eigentlich meint es: festsetzen, bestimmen; er verwendet es im Sinne von billigen, dulden, gelten lassen. Goethe betrachtet das Bild und ereifert sich:

Das sind ja lauter Negationen des Lebens: Zuerst also die erstorbene Natur, Winterlandschaft; den Winter statuiere ich nicht; dann Mönche, Flüchtlinge aus dem Leben, lebendig Begrabene; Mönche statuiere ich nicht; dann ein Kloster,

Den Schluß, er ist grandios, muß man sich mit zorniger Stimme gerufen vorstellen. Den Tod statuiert der Geheimrat nicht!

Anders Wilhelm Busch, in dessen Tobias Knopp der Tod durchaus statuiert wird. Mehr als das, er wird sogar gefeiert. Den Reiz macht auch hier die Wiederholung, nämlich die des Jubelrufs: «Heißa!!» – rufet Sauerbrot – «Heißa! meine Frau ist tot!!»