Zu Beginn des Krieges, der sich zum Ersten Weltkrieg auswuchern sollte, hatten die Österreicher in den Grenzgebieten willkürlich angebliche Spione oder Kollaborateure aufgehängt. Das ist das historische Faktum, auf das sich die zwei folgenden Auszüge beziehen. Sie ähneln sich nicht nur durch biographische Nähe ihrer Verfasser, sie ähneln sich auch im literarischen Rang. Man könnte nicht sagen, der eine sei dem andern stilistisch überlegen. Gerade darum erlaubt der Vergleich den Blick aufs Feingewebe des Stils.

Die Vorpatrouille reitet über den Schnee, der Erzähler ist unter ihnen.

Ein leichter Wind kam auf und wehte uns ins Gesicht. Es roch, sonderbarerweise, süßlich, aber nicht nach Schnee, sondern etwa nach ungelüfteten Stuben und nach Holzrauch, und ich bildete mir auf einmal ein, so sei der Geruch des Todes, oder so ähnlich müsse er zumindest sein, obwohl ich mir darunter eigentlich nichts vorstellen konnte.

Doch sollte ich die Ursache davon bald vor Augen bekommen. Die Vorpatrouille nämlich, nachdem sie plötzlich einen Moment angehalten, stieß einen Ruf aus und sprengte, mit ergriffenen Karabinern, auf einen einzeln stehenden Baum zu. Unter dem Baum standen drei Männer. Das heißt: es sah von weitem so aus, als ob sie stünden. Als wir aber hinkamen, sahen wir, daß sie hingen.

Sie hingen, nebeneinander, von einem starken waagrechten Ast, indem sie mit den Füßen den Boden zu berühren schienen. In Wirklichkeit aber berührten sie ihn nicht, sondern der Wind schaukelte sie leicht hin und her. Dabei knarrte der Ast ein wenig.

Der Autor des folgenden Zitats setzt viel stärker auf die Beiwörter. Es gibt kein Suspense, jeder weiß, worum es geht und was vor ihm hängt.

Tagelang hingen die echten und die vermeintlichen Verräter an den Bäumen auf den Kirchplätzen, zur Abschreckung der Lebendigen. Aber weit und breit waren die Lebenden geflohen. Rings um die hängenden Leichen an den Bäumen brannte es, und schon begann das Laub zu knistern, und das Feuer war stärker als der ständige, leise rieselnde, graue Landregen, der den blutigen Herbst einleitete. Die alte Rinde der uralten Bäume verkohlte langsam, und schwelende, winzige, silberne Funken krochen zwischen den Rillen empor, feurige Würmer, erfaßten die Blätter, das grüne Blatt rollte sich zusammen und wurde rot, dann schwarz, dann grau; die Stricke lösten sich, und die Leichen fielen zu Boden, die Gesichter verkohlt und die Körper noch unversehrt.

Hier haben wir den Korporal des Details und des genau gesehenen Adjektivs – es ist Joseph Roth. Anders als sein Lektor Lernet-Holenia, der Autor des ersten Zitats, war er nicht selbst in Kriegshandlungen verwickelt, er saß im militärischen Pressedienst. Lernet konnte den langsamen Anritt auf den Baum der Gehängten vermutlich aus Erfahrung schildern; Roth wählte die Nahaufnahme. Bei der folgenden Passage findet er noch die

Vor dem großen, grauen, weitgeöffneten Tor des Friedhofs hingen drei Leichen, in der Mitte ein bärtiger Priester, zu beiden Seiten zwei junge Bauern in sandgelben Joppen, grobgeflochtene Bastschuhe an den reglosen Füßen. Die schwarze Kutte des Priesters, der in der Mitte hing, reichte bis zu seinen Schuhen. Und manchmal bewegte der Nachtwind die Füße des Priesters so, daß sie wie stumme Klöppel einer taubstummen Glocke an das Rund des Priestergewandes schlugen und, ohne einen Klang hervorzurufen, dennoch zu läuten schienen.