Beim Thema packen! Der Stilist als Prosa-Autor erweist sich am Thema, woran sonst, wenn er nicht nur Miniaturen meißelt, sondern sich am Leben versucht. Man wähle ein Thema und verfolge, wie unsere Autoren es angehen, dann wird man schon sehen.
Ein mögliches Thema wären Sterbeszenen. Sie erfordern den höchsten stilistischen Mut. Man könnte sich auch auf Landschaftsschilderungen kaprizieren. Warum Landschaften? Weil sie zur Handlung nichts beitragen, weil sich im Grunde kein Mensch für sie interessiert und weil ausschließlich durch die Gabe des Stils und der plastisch-metaphorischen Beschreibung der Impuls des Lesers, vorzublättern, gedämpft werden kann.
Wir wählen dann doch lieber ein anderes Thema. Es gibt zwei Gründe, warum wir jetzt den Perlenvorhang teilen und uns in die Welt des Eros stürzen. Der erste Grund ist, daß sie uns doch mehr reizt als die sanft in der Abendluft stehenden Bäume. Der zweite Grund ist, daß genau hier, bei diesem Thema, alles vom Stil abhängt. Es gibt hier das kurioseste Erzähl-Kamasutra.
Schopenhauer beschrieb es in der Welt als Wille und Vorstellung als den «Spaß der Welt». Die Hauptangelegenheit aller Menschen, das Geschlechtsverhältnis, sei der unsichtbare Mittelpunkt alles Tuns und Treibens:
Es ist die Ursache des Krieges und der Zweck des Friedens, die Grundlage des Ernstes und das Ziel des Scherzes, die unerschöpfliche Quelle des Witzes, der Schlüssel zu allen Anspielungen und der Sinn aller geheimen Winke, aller unausgesprochenen Anträge und aller verstohlenen Blicke […]. Das aber ist das Pikante und der Spaß der Welt, daß die Hauptangelegenheit aller Menschen heimlich betrieben und ostensibel möglichst ignoriert wird.
Wenn diese Hauptangelegenheit nun aber nicht ignoriert, sondern literarisch beschrieben wird, dann ist, wenn es nicht ums pur Pornographische geht, der Stilist gefragt. Es sind die Mittel der Umschreibung, der Aussparung, der Metaphorisierung, die der Stilist, will er nicht in den Feuchtgebieten versinken, zu nutzen hat. Nein, kein Wort hier gegen Charlotte Roche, gegen Ralf Rothmann, gegen Michael Kleeberg, gegen den Grass von Katz und Maus. Und schon gar kein Wort gegen den Verfasser der Mutzenbacher oder Borchardts Weltpuff Berlin. Wir werfen nur ein paar Blicke auf alte und neue Klassiker und ein paar Zeitgenossinnen.
Grundsätzlich könnte man erotische Szenen nach ihren jeweiligen Aussparungsmethoden und Umgehungsstrategien in prä und post unterteilen, in Davor und Danach, mit dem entscheidenden Hiatus dazwischen. Aber es gibt natürlich auch das Dabei. Und oft geht es einfach drunter und drüber.