Es hatte nach unserem Bad nur Sekunden gedauert, bis Lua auf meinem Arm auf dem Weg in unser Zimmer eingeschlafen war. Jetzt lag sie friedlich zusammengerollt in unserem Bett und ihre Gesichtszüge waren so entspannt und gelöst, als wäre ihr nicht ein einziges Mal in ihrem Leben etwas Schlimmes zugestoßen. Leider erinnerte sich mein Gehirn nur zu gut daran, dass ihr Leben seit geraumer Zeit einzig aus schlimmen Zwischenfällen bestand, und so nutzte es diesen Zustand, um über uns nachzudenken.
Vor vier Wochen hatte ich tatsächlich geglaubt, dass es richtig war, sie zu verlassen, dass ich ihr Leben damit retten könnte. Jetzt nach ihrer Entführung erschien es mir sogar noch logischer, das zu tun. Allein die Tatsache, dass ich vor zweihundert Jahren jemanden getötet hatte, hatte zu ihrem Martyrium geführt. Wenn ich sie nicht lieben würde, hätte Heron sie nicht als Ziel gehabt. Und ich hatte in meinem Leben eine Menge Kämpfe gewonnen und weitaus mehr als diese eine Dämonin getötet. Wer wusste also schon, wann meine Vergangenheit mich erneut einholen würde? Aber eine Prophezeiung interessierte sich nicht für Logik. Wir waren eine geteilte Seele, waren aneinander gebunden, und so oft ich auch das Gefühl hatte, dass meine Gegenwart lediglich Leid über sie brachte, so sehr wusste ich inzwischen, dass meine Abwesenheit dieses Leid bloß vergrößern würde.
Dennoch hatte ich das Gefühl, dass seit dem Zwischenfall in den Anden alles aus den Fugen geraten war, dass mir zum ersten Mal in meinem Leben jegliche Kontrolle entglitten war. Zu viel war seitdem schiefgelaufen.
Zuallererst war da Luas endlose Erschöpfung, die sie seitdem nicht mehr abschütteln konnte. Dann natürlich Kierons Verletzung in San Sebastian, die uns alle beinahe das Leben gekostet hatte, und schließlich Heron. Über das, was er Lua angetan hatte, konnte ich nicht einmal nachdenken. Das hätte mich den letzten Rest Verstand gekostet. Und den brauchte ich für sie.
Ich hatte keine Ahnung, wie oft mein Gehirn mir das Wort ›Schuld‹ in den letzten Tagen entgegengeschrien hatte, aber seit sie vorhin aufgewacht war, versuchte ich nicht mehr so genau hinzuhören. Es würde Lua nicht helfen, wenn sie weiter meine Schuldgefühle spürte, zumal ihre Sicht der Dinge eine ganz andere war, wie sie mir deutlich gemacht hatte. Helfen würden ihr andere Dinge. Meine Liebe, meine Nähe und meine Energie.
Nach wie vor war es unglaublich, dass sie meine Kraft anzapfen konnte, und ich war durchaus gespannt darauf, was unsere Verbindung noch an Überraschungen bereithielt. Aber ob ich es glaubte oder nicht, es war ein Geschenk. Für sie, weil ich ihr damit wieder auf die Beine helfen konnte. Und für mich, weil es eine Möglichkeit war, meine Schuld bei ihr abzutragen. Und es wurde eindeutig Zeit, genau das jetzt zu tun.