Lua ging es von Tag zu Tag ein wenig besser. Meine Erleichterung darüber, dass sie die letzten Wochen überlebt hatte und sich tatsächlich zu erholen schien, war nicht in Worte zu fassen. Dummerweise ging es aber nicht nur um mich.
Wir hatten unendlich viel Zeit verloren. Und so sehr wir Lua auch alle wünschten, dass sie sich noch Wochen und Monate ausruhen konnte, so sehr wussten wir auch, dass uns derart viel Zeit nicht blieb. Wir mussten die verfluchte Prophezeiung aufhalten und die wartete leider nicht, bis sie wieder ganz die Alte war, zumal die Umstände hier im Refugium für ihre Genesung wider Erwarten nicht die besten waren.
Wann immer Lua in den letzten Tagen geschlafen hatte, hatte ich deshalb mit Sam und Kieron diskutiert. Wir überlegten, ob wir Lucifer einweihen sollten. Inzwischen waren wir alle an einem Punkt, an dem wir uns eingestehen mussten, dass wir Hilfe brauchten. Lua wollte ich vorerst nicht mit dem Thema belasten. Die Aussicht, meinen Vater zu treffen würde vermutlich nicht unbedingt zu ihrer Erholung beitragen, geschweige denn die Frage, wie wir sie nach ihrer Verwandlung weiter beschützen konnten.
Wir drei waren uns sicher, dass Lucifer uns helfen würde. Er wollte um jeden Preis die Portale offen halten, und dafür mussten Lua und ich am Leben bleiben. Mein Leben und die Portale waren ihm wichtig, wie es mit Luas Leben aussah, wusste hingegen niemand.
Würde er eine Anam Ban zum Töten freigeben, so wie es in der Vergangenheit üblich gewesen war? Würde er sich ihrem Tod sogar persönlich annehmen und meinen und Kierons damit ebenfalls in Kauf nehmen? Oder würde er sie akzeptieren und endlich einen neuen Weg einschlagen?
Die Anam Ban waren nicht böse und zumindest das kleine Exemplar hier bei mir auch nicht machthungrig. Ich war mir sicher, dass sich das auch nach ihrer Verwandlung nicht ändern würde. Es gab nicht den geringsten Grund, sie zu vernichten.
Wenn er von ihrem Wesen aber erst bei der Verwandlung erfahren würde, würde es für alle Parteien schwierig werden, auf die Schnelle richtige Entscheidungen zu treffen. Wäre er gegen sie, hätten wir wenig Möglichkeiten, ihm etwas entgegenzusetzen. Wäre er für sie, hätte er aus dem Stand Schwierigkeiten, die restliche Welt davon abzuhalten, sie zu töten. Es war also in jedem Fall besser, wenn er und wir vorbereitet waren. Und wenn wir ihn davon überzeugen konnten, ihre Existenz zu legitimieren.
Letztendlich hatte ich die Hoffnung, dass ihm mein Leben so viel Wert war, dass er sie leben lassen würde. Und ich wusste nicht wieso, aber ich hatte auch die Hoffnung, dass er sie mögen würde.
Nach mehreren Tagen waren wir uns einig. Es sprach alles dafür, meinen Vater mit an Bord zu haben. Kieron würde ihn besuchen und ihn bitten, uns zu treffen. Allerdings nicht hier.
Ich hasste es, Lua in ihrem geschwächten Zustand schon wieder eine Reise zuzumuten, aber auch darin waren zumindest Sam und ich uns einig: Ihre Erinnerungen an dieses Refugium führten nicht dazu, dass sie zur Ruhe kam und sich schnell erholte. Und es gab noch genau einen Ort auf dieser Welt, an den ich mit ihr gehen konnte, mit dem sie keine schrecklichen Erinnerungen verband.