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44. Lua

Der Schmerz hatte mich völlig umfangen. Er war dem aus der Zeit vor Heron, als Caelum mich verlassen hatte, sehr ähnlich. Und doch anders. Allumfassender. Als würde mir der Schmerz selbst klarmachen wollen, dass es vorbei war. Als würde er mir das ganze Ausmaß unseres Schicksals in meine Brust pressen wollen.

Ich nahm den Schmerz dankbar an und ließ meine Tränen weiter fließen. Ich wusste, dass sie nie wieder versiegen würden. Nicht bis zu dem Tag, an dem ich ihm folgen würde. Und bis dahin würde auch der Schmerz bei mir bleiben.

Wie lange würde es wohl dauern? Laoghaire hatte uns gesagt, dass in dem Fall, in dem einer von uns starb, der Zurückgebliebene vor Kummer ebenfalls sterben würde. Unsere geteilte Seele machte es uns unmöglich, allein weiterzuleben. Welchen Sinn hätte ein solches Leben auch gehabt? Ohne ihn.

Ich hatte keine Ahnung, wie viel Zeit inzwischen vergangen war. Es konnten endlose Minuten oder bereits Stunden sein. Kieron war nicht zurückgekehrt. Wie auch, er war mit Caelum gestorben.

Ich hatte Mitleid mit ihm. Er hatte es nicht verdient, so zu sterben. Er hatte es überhaupt nicht verdient zu sterben. Er hatte seit Monaten unseren Kampf gekämpft, war unser Fels in der Brandung, unser Bote und unser Balsam für die Seele gewesen. Er hatte unsere Aufgabe nie infrage gestellt, hatte jede Herausforderung mit seiner unerschütterlichen Gelassenheit angenommen. Jetzt bereute ich es, Lucifer nicht wirklich gefragt zu haben, ob er sein Leben von unserem lösen könnte. Aber dafür war es jetzt zu spät.

Der einzige Trost war, dass ihm ein schnellerer Tod vergönnt gewesen war als mir. Und ich hoffte, dass er dabei keine Schmerzen gehabt hatte. Vielleicht hatte er es noch bis zu Sam geschafft. Vielleicht war er bei seinem Vater gestorben. Die Vorstellung hatte etwas Tröstendes.

Ich hingegen blieb allein. Allein mit meinem unendlichen, alles verzehrenden Schmerz. Und mit der Hoffnung, diesen nicht mehr lange ertragen zu können. So, wie es sich im Moment anfühlte, konnten es höchstens noch ein paar Stunden sein. Niemals würde ich diesen Schmerz länger aushalten. Noch musste ich es.