In ein Laboratorium ...

Ein Sänger stand einmal an einer Weltenkreuzung. Für eine Weile besetzte er eine Bühne, die andere nach ihm lediglich betreten haben – eine Bühne, die es möglicherweise gar nicht mehr gibt. Vor mehr als dreißig Jahren, als eine Welt Gestalt annahm, die wir heute in der Regel für einen Irrtum der Geschichte halten und als sehr viel ältere Welten wie noch unentschiedene Gespenster wiedererschienen – grausame und paradiesische Welten, die einem 1965 zum Greifen nah und gleichzeitig unheimlich weit entfernt vorkamen –, da schien Bob Dylan nicht bloß an einem Wendepunkt im kulturellen Raum-Zeit-Gefüge zu stehen: Er schien mit diesem Wendepunkt identisch. Es war, als würde sich die Kultur ganz nach seinen Wünschen oder auch Launen richten, und eine Zeit lang tat sie das auch.

Als Thema von öffentlichem Interesse reichte Bob Dylans Story nur wenige Jahre zurück. Er kam 1941 als Robert Allen Zimmerman in Duluth, Minnesota, zur Welt und wuchs in Hibbing auf, einer Kleinstadt im nördlichsten Teil des zu jener Zeit nördlichsten Bundesstaates der USA. Als selbsternannter Erbe des Dust-Bowl-Balladensängers Woody Guthrie machte er Anfang der sechziger Jahre in New York City erstmals ein größeres Publikum auf sich aufmerksam. Sein 1962 erschienenes Debütalbum Bob Dylan war eine Sammlung von Folksongs, die von Lebensfreude und Tod kündeten. Ein Jahr später war er nach »A Hard Rain’s A-Gonna Fall«, »With God on Our Side« und »The Times They Are A-Changin’« nicht mehr bloß ein Sänger oder Songwriter oder auch Dichter, geschweige denn einfach ein Folkmusiker. Er war die Verkörperung von »Folk« schlechthin – und obendrein ein Prophet. Beim Singen oder beim Schreiben war er der schwarze Sklave auf dem Versteigerungspodest, die an ihr Bett gekettete Hure, ein vor Fragen brennender Jugendlicher, ein alter Mann, der voller Kummer und Trauer zurückschaute. Als die bekannten Standardnummern des Folk Revival aus seinem Repertoire verschwanden, wurde er zu der Stimme, die nach dem Abwurf der Bombe übrig blieb, zur Stimme der Bürgerrechtsbewegung. Und schließlich wurde er zur Stimme seiner Zeit und zum Gewissen seiner Generation. Der Klang seiner hämmernden Akustikgitarre und seiner schneidenden Mundharmonika wurde so etwas wie ein allgegenwärtiges Markenzeichen, dem Friedenssymbol vergleichbar, und stand in einer Welt voller Korruption und Lügen für Entschlossenheit und Aufrichtigkeit.

All dies hing plötzlich im luftleeren Raum – und für Tausende, die Dylans Entwicklung als eine Bestätigung ihrer eigenen Weiterentwicklung verfolgt hatten, krachte es zu Boden –, als der Folksänger, der sich bis dahin bloß in abgetragenen Baumwollhemden präsentiert hatte, im Juli 1965 beim Newport Folk Festival mit einer elektrischen Gitarre in der Hand und einer modischen Lederjacke am Leib vor das Publikum trat (einer »Verräterjacke«, wie jemand sagte, an dessen Namen sich heute niemand mehr erinnert). Mit einer fünfköpfigen Begleitband, einer Gruppe, von der er sich schon bald wieder trennen sollte, machte er einen Sound, der nicht ungeschliffener hätte sein können: einen elektrifizierten Krach, der für viele gleichbedeutend war mit Korruption und Lügen. Heute dürfte es wohl niemanden auf der Welt geben, der sich dazu bekennen würde, dass er Bob Dylan damals in Newport ausgebuht hat, doch was sich dort am 25. Juli 1965 zugetragen hat, das war ein regelrechter Aufruhr: ein Orkan aus Schreien und Flüchen, aus Ablehnung, Verdammung und – möglicherweise – vor allem aus Fassungslosigkeit.

Begonnen hatte es Anfang 1965 mit Bringing It All Back Home, einem Album, bei dem Dylan eine Seite voll visionärer akustischer Balladen – »Mr. Tambourine Man«, »Gates of Eden«, »It’s All Over Now, Baby Blue« – und eine Seite voll witziger, mit einer Begleitband aufgenommener Songs kombiniert hatte. Niemand hatte daran groß Anstoß genommen. Nach Newport veröffentlichte er im Herbst 1965 das mehr oder weniger komplett mit einer Band eingespielte Album Highway 61 Revisited, das ihn an die Spitze der Charts beförderte und, nach Ansicht vieler, auf den Rücken des Goldenen Kalbes. Im Mai 1966 wurde die der Depressionszeit verpflichtete Seele der Folk-Bewegung von einem Dandy ausgelöscht, der das opulente Doppelalbum Blonde On Blonde auf den Markt brachte. Zusammengenommen, als in sich geschlossenes Statement, zählen diese Platten zu den intensivsten Ausbrüchen in der Moderne des zwanzigsten Jahrhunderts; sie sind Teil der weit zurückreichenden, düster romantischen Tradition von Amerikas Beschäftigung mit sich selbst. Das eigentliche Resultat dieses langen Jahres des künstlerischen Schöpfens und Entdeckens war jedoch kein ästhetisches Artefakt, das man kaufen oder verkaufen, horten oder wieder abstoßen konnte, sondern eine Reihe öffentlicher Auftritte: eine Tournee, die vom Herbst 1965 bis zum Frühjahr 1966 dauerte und praktisch von Abend zu Abend leidenschaftlicher wurde, dramatischer und – gegen Ende – immer konfliktgeladener. Offiziell so gut wie undokumentiert, schlugen sich diese Abende, diese Ereignisse in Gerüchten nieder, in Legenden und in Erinnerungen.

Die Musiker, die Dylan auf dieser Tournee begleiteten, waren der Bassist Rick Danko, der Organist Garth Hudson, der Ranist Richard Manuel und der Gitarrist Robbie Robertson, eine Kombination, die von abwechselnden Schlagzeugern komplettiert wurde, von denen Mickey Jones, der sich seine Sporen bei Trini Lopez verdient hatte, am längsten dabei war. Danko, Hudson, Manuel und Robertson waren vier Fünftel der Hawks, einer obskuren Honky-Tonk-Combo aus Toronto, die eine Weile als Begleitband des in Arkansas geborenen Rock-abilly-Sängers Ronnie Hawkins durch die Gegend getingelt war. Nachdem sie sich wieder mit ihrem ursprünglichen Schlagzeuger – dem aus Arkansas stammenden Levon Helm, der zunächst auch für Dylan gearbeitet hatte, aber zwei Monate nach Tourneebeginn ausgestiegen war – zusammengetan hatten, wurden sie 1968 unter dem Namen The Band bekannt. Die Tournee begann im September in Austin, Texas; in den kommenden Monaten durchquerten Dylan und seine Begleitmusiker die USA insgesamt viermal. Mit Jones ging es dann weiter nach Australien, Skandinavien, Frankreich, Irland und Großbritannien. Und ein Ende der Tournee war nicht in Sicht.

Während einer kurzen Verschnaufpause im Juni 1966 erlitt Dylan in der Nähe seines Hauses in Woodstock, der alten Künstlerkolonie im Norden des Staates New York, einen Motorradunfall und zog sich aus dem Licht der Öffentlichkeit zurück. Schließlich trafen auch Danko, Hudson, Manuel und Robertson, die sich nun The Crackers oder The Honkies nannten oder sich auch gar keinen Namen gaben, in Woodstock ein, um sich neu zu formieren und mit Dylan an einem Film über die Tournee zu arbeiten. Schon bald, ab Beginn des Frühsommers 1967, trafen sie sich beinahe täglich mit Dylan, in der Regel im Basement eines Hauses in West Saugerties, das Danko, Hudson und Manuel gemietet und Big Pink getauft hatten: In diesem Keller und anderswo musizierten sie zwanglos, und nach einer Weile begannen sie, ihre Musik ebenso zwanglos mitzuschneiden: mehr als hundert Aufnahmen von Standardtiteln oder selbstkomponierten Songs kamen dabei zusammen. Vierzehn der neuen Eigenkompositionen, die auf diese Weise entstanden, wurden auf einer Acetat-Musterpressung mit dem Titel The Basement Tape festgehalten und an andere Musiker verschickt. Einige dieser Songs – »Too Much of Nothing«, »Quinn the Eskimo«, »You Ain’t Goin’ Nowhere« – wurden in der Interpretation von Peter, Paul & Mary, Manfred Mann und den Byrds binnen kürzester Zeit zu Hits, und 1968 drangen Tonbandkopien der originalen Acetat-Pressung an die Öffentlichkeit. Der Rolling Stone machte sich vergeblich für deren legale Veröffentlichung stark; 1970 wurde die Musik auf Vinyl gepresst und überall als Bootleg feilgeboten.

Die Basement Tapes – auf dem Weg zur Raubpressung erfuhr der Name eine leichte Modifikation – wurden zunächst zu einem Talisman, zu einem öffentlichen Geheimnis und schließlich zur Legende, zu einer Fabel über Rückzug und Kreativität. Als 1975 das Doppelalbum The Basement Tapes erschien, eine offizielle Zusammenstellung von 16 Basement-Aufnahmen sowie acht Demos der Band, und in die Top Ten kam, zeigte sich Dylan erstaunt: »Ich dachte, jeder hätte schon ’ne Kopie davon.« Charakteristisch für die sofort zupackenden Basement-Aufnahmen – »I Shall Be Released«, »This Wheel’s on Fire«, »Tears of Rage«, »Down in the Flood«, »Million Dollar Bash« – war von Anbeginn ein eigentümlicher Reiz, eine besondere Ausstrahlung: ein Geist, wie ich in den Liner Notes zu der Veröffentlichung von 1975 schrieb, irgendwo angesiedelt zwischen Beichtstuhl und Bordell. Die Musik hatte eine Aura des Vertrauten, eine Aura ungeschriebener Traditionen und einen mindestens ebenso ausgeprägten Sinn für Selbsterkenntnis, für die Erkenntnis eines Ichs – des Sängers? des Zuhörers? –, das historisch verwurzelt, aber zugleich sui generis war. Die Musik war witzig und trostvoll; sie war jedoch auch fremd und irgendwie unvollständig. Aufgrund irgendeiner sonderbaren Verschiebung in Kunst und Zeit wirkte die Musik ebenso einleuchtend wie unerklärlich.

Als im Laufe der Jahre immer mehr Basement-Aufnahmen an die Öffentlichkeit gelangten – als unter der Hand verkaufte oder entwendete und dann auf dem Schwarzmarkt angebotene Tonbänder, auf weiteren Bootleg-LPs und später dann auf Bootleg-CDs, wobei der eine oder andere Titel auch bei offiziell veröffentlichten Dylan-Anthologien Berücksichtigung fand –, hörte man mit der Zeit mehr als bloß eine Reihe interessanter Songs oder einen Moment innerhalb der Karriere eines bestimmten Musikers. Hört man sie als eine Art Ganzheit – als eine Story, trotz oder gerade wegen ihres Wirrwarrs aus fehlenden Stücken und unvollendeten Titeln, trotz der Undurchschaubarkeit der Entstehungszeit der Kompositionen und ihrer Realisierung –, dann können die Basement Tapes zunehmend wie eine Landkarte klingen. Doch sollten sie tatsächlich eine Landkarte sein, welches Land, welche vergessene Mine beschreiben und fixieren sie dann? Sie können aber auch wie ein instinktives Experiment klingen oder wie ein Laboratorium: ein Laboratorium, in dem ein paar Monate lang gewisse fundamentale Grundzüge der kulturellen Sprache Amerikas wiedergefunden und wiedererfunden wurden. Dieser Gedanke kam mir 1993, als ich im Auto von Kalifornien nach Montana und wieder zurück fuhr und mir dabei nichts anderes anhörte als Wetterberichte und einen Bootleg-Set mit fünf CDs voller Basement-Aufnahmen. Sechsundzwanzig Jahre nach ihrer Entstehung, Jahre, in denen Bob Dylan scheinbar sämtliche Landkarten zu jeglichen Kreuzungen verloren hatte, die jenseits der ständig zusammenschrumpfenden Grenzen seiner eigenen Karriere lagen, begannen sich die Basement Tapes zu regen und aus ihrem Laboratorium zu kriechen, so als sei es das erste Mal. Ohne genau zu wissen, was ich mit »ein Laboratorium« meinte, fragte ich Robbie Robertson, mit dem ich seit den frühen siebziger Jahren befreundet bin, ob er das auch so sähe. »Nein«, sagte er. »Ich würde eher sagen: eine Verschwörung. Man kann es mit den Watergate-Tonbändern vergleichen. Bei manchen dieser Sachen sagte Bob: ›Das sollten wir auf der Stelle vernichten.‹«

»Wir haben das alles nicht so tierisch ernst genommen«, sagte Robbie. »Wir wollten uns einfach die Zeit vertreiben, mehr nicht. Und dabei legten wir uns keinerlei Hemmungen auf. Wir dachten, niemand würde je zu hören bekommen, was wir da veranstalteten; jedenfalls nicht zu unseren Lebzeiten. Doch was da in diesem Keller begann, was sich schließlich daraus ergab – also, The Band; echte Klassiker, die jeder mitsingen kann; überall auf der Welt Menschen, die sich unterhakten, hin und her schaukelten und ›I Shall Be Released‹ sangen; es ist schon unglaublich, wo diese Dinge überall hingekommen sind. Ja, das alles entstand aus dieser kleinen Verschwörung, daraus, dass wir unseren Spaß hatten. Dass wir die Zeit totschlagen wollten.«

Musik, zunächst nur gemacht, um die Zeit totzuschlagen, führte am Ende zu deren Aufhebung. Beim Zuhören entziehen sich die Basement Tapes einer zeitlichen Klassifizierung; sie entstanden, als der Krieg in Vietnam, die zahllosen Toten bei den Rassenunruhen in den Schwarzenghettos von Newark und Detroit, das Beatles-Album Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band und der »Sommer der Liebe« jeweils auf ihre Art darauf bestanden, das Jahr 1967 sei das Millennium oder die Apokalypse oder auch beides zugleich. Das Jahr, »als Amerika auseinanderfiel«, wie Newt Gingrich einmal gesagt hat; »Deserteur-Lieder«, wie ein Skeptiker die Basement Tapes 1994 charakterisierte, das Echo einer Handvoll Menschen im Ohr, die sich verkrochen hatten, um das Ende der Welt abzuwarten. Doch die Basement Tapes könnten ebensogut das Datum 1932 tragen: Beim Zuhören wäre das genauso plausibel wie das Datum 1967, wenn nicht sogar plausibler – wie übrigens auch die Daten 1881 oder 1954, 1992 oder 1993. In den beiden letztgenannten Jahren gab der damals gut fünfzigjährige Bob Dylan einem öffentlichen Leben, das langsam aber sicher zu verkümmern schien, eine überraschende Wende, als er Good Ass / Been to You und World Gone Wrong herausbrachte, zwei Alben, auf denen er alte Bluestitel und Folksongs interpretierte. Das Spektrum reichte von »Froggie Went A-Courtin’«, einem Kinderlied aus dem sechzehnten Jahrhundert, bis zu »Stack A Lee«, einer Moritat aus den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts, von »Love Henry«, einer uralten Ballade aus der von Francis Child im vorigen Jahrhundert zusammengestellten Sammlung English and Scottish Populär Ballads, bis zu Blind Willie McTells 1931 erschienenem »Broke Down Engine«. Die Songs wurden von Dylan allein vorgetragen, mit akustischer Gitarre und Mundharmonika, und in seinem Repertoire gingen sie zeitlich jenem Material voraus, das er dreißig Jahre früher für sein Debütalbum ausgewählt hatte. Im Unterschied zu den anderen Songs, die er fast ein Vierteljahrhundert lang gesungen hatte, befreiten sie ihn aus dem Gefängnis seiner Karriere und gaben ihn – oder seine Stimme, als eine Art mythisches Faktum – der Allgemeinheit zurück.

»Es ist beinahe unfassbar, dass dies derselbe Mann sein soll, der einmal den Rock – als musikalisches Genre, als Erfahrungsform – in Stücke geschlagen hat«, hatte der Kritiker Howard Hampton über ein einige Jahre früher erschienenes Dylan-Album geschrieben. »Nun ist er der gewissenhafte Reparateur. ›Everything is broken‹, singt er, doch er verspricht, dass die Fragmente in seiner Kunst wieder zusammengesetzt werden können – mit der gleichen Gewissheit, mit der sie es in der Welt draußen nicht mehr können. Das ist eine völlige Umkehrung dessen, wofür sein Werk einmal gestanden hat, aber es ist auch eine Fortführung der politischen Welt der vergangenen zwanzig Jahre. Die Gesellschaft hat sich um die Unterdrückung jener Art von Ansprüchen herumstrukturiert, die Dylans Musik früher einmal formuliert hat, damit eine solche Ausdrucksweise wieder in den Bereich des Unvorstellbaren verbannt werden kann.« Doch es schien, als hätte Dylan in jenen alten Songs nichts anderes entdeckt – oder mit ihnen wieder ins Gedächtnis gerufen – als eine solche unvorstellbare Ausdrucksweise: eine einst gemeinsame und inzwischen vergessene Sprache. »Strange things are happening like never before«, lautete die erste Zeile von »World Gone Wrong«, dem Titelsong und Eröffnungstrack des Albums von 1993: aus der Depressionszeit stammende Worte der Mississippi Sheiks, gesungen mit einer müden, durch nichts mehr zu erschütternden Stimme; »das Lied«, so formulierte Dylan in seinen Liner Notes, »wendet sich gegen Kulturpolitik«. So wie die Basement Tapes nichts mit der monolithischen Pop-Unmittelbarkeit ihres Entstehungsjahres zu tun gehabt hatten – eines Jahres von solcher Bedeutungsschwere, dass es wie ein Vakuum erschien, welches alles in sich aufsaugte und allem, was außerhalb seines Bezugsrahmens lag, die Existenzberechtigung absprach –, so waren diese beiden altmodisch wirkenden Alben bar jeder Nostalgie. Falls sie ein Blick zurück waren, dann handelte es sich um einen Blick, der wieder zu seinem Ausgangspunkt zurückkehrte, dorthin, wo der Sänger und wer immer ihm zuhören mochte nun standen.

Mehr als alles andere, was Bob Dylan in den dazwischenliegenden Jahren gemacht hatte, waren diese Alben eine Fortsetzung der von den Basement Tapes erzählten Story. Oder ein Aufsperren der Türen zu ihrem Laboratorium. »Die Sachen klingen, als seien sie in einem Pappkarton aufgenommen worden«, sagte Elvis Costello 1994 über die Basement Tapes, während Good Ass I Been to You und World Gone Wrong in seinem Kopf widerhallten. »Ich denke, er wollte Songs schreiben, die so klingen, als hätte er sie erst vor kurzem unter einem Stein hervorgezogen. Die sich so anhören wie echte Folksongs – denn wenn man der Folk-Tradition auf den Grund geht, dann stößt man auf Songs, die genauso dunkel und tief sind wie diese.«

»Er schüttelte diese Songs einfach so aus dem Ärmel«, sagte Robbie Robertson. »Wir wussten nie, ob er sie geschrieben oder irgendwo aufgeschnappt hatte. Daran, wie er sie sang, konnte man das jedenfalls nicht erkennen.« Und genau das ist die Alchimie im Laboratorium der Basement Tapes, und in dieser Alchimie verbirgt sich ein unentdecktes Land, das wie Edgar Allan Poes »stibitzter Brief« unsichtbar ist, ohne verborgen zu sein.