P ain hatte am nächsten Morgen den Kaffee fertig, als Agony nach einem kurzen Einkauf in Vernons Bäckerei anklopfte und eintrat. Seitdem sie gegenüber eingezogen waren, hatten sie sich schnell geeinigt. Nachdem ihre frühere Wohnung auf den Kopf gestellt worden war, brauchte sie ein Gefühl der Sicherheit – es war eine Art psychologisches Bedürfnis, einen eigenen Raum zu haben, in den niemand eindringen konnte, selbst wenn er eingeladen wäre. Deshalb trafen sie sich immer in Pains Wohnung, wenn sie einen Tag zu planen hatten oder sich etwas entspannen wollten.
Sie hatte sich an diesem Morgen für Bagels statt für Donuts entschieden, mit drei verschiedenen Aufstrichen zur Auswahl.
»Ich benötigte ein paar Kohlenhydrate«, erklärte sie, während sie die Tüte auf den Tisch warf, sich eine Tasse aus der Kanne einschenkte und sich eingestand, dass er es wirklich verstand, anständigen Kaffee zu brühen.
Er hatte sich bereits einen belegten Bagel ausgesucht und war gerade dabei, ihn mit Schnittlauch zu garnieren, als sie sich setzte, einen bescheideneren Bagel mit Meersalz und gebackenen Zwiebeln wählte und sich für einen einfachen Frischkäseaufstrich entschied.
»Ich habe die Adresse des Blumenladens herausgefunden«, sagte er zwischen einem Bissen und Schlucken.
»Und?«
»Es liegt innerhalb der Stadtgrenze, aber nur zehn Autominuten vom LeVaul-Haus in Oakdale entfernt.«
»Wie praktisch für den Liebhaber.«
»Das war genau mein Gedanke.«
Pain hatte überlegt, wie er das, was er vorschlagen wollte, am besten ausdrücken konnte, aber ihm war noch nichts eingefallen, also entschied er sich einfach für eine unverblümte und direkte Antwort. »Ich glaube, es wäre unserem Ziel am besten gedient«, sagte er, »wenn du mir die Führung im Blumenladen überlässt.«
»Willst du der armen, kleinen Frau gegenüber frauenfeindlich werden?«
»Nicht, wenn mir mein Leben lieb ist«, konnte er ehrlich antworten. »Aber seit das vermisste Kind ins Spiel gekommen ist …«
»Shayla«, unterbrach Agony ihn. »Ihr Name ist Shayla.«
Er nickte und lächelte sanft. Obwohl es eigentlich sein Fall war, war sie mit vollem Herzen bei der Sache.
»Seit wir erfahren haben, dass Shayla vermisst wird, hast du einen Blick, der schreit: ›Ich verbrenne dich und alles und jeden, den du je gekannt oder geliebt hast, wenn du mir nicht gibst, was ich will und zwar sofort. Und dann pinkel ich noch auf deine Asche, einfach weil ich es kann‹.«
»Den Blick habe ich nicht.« Sie verschränkte beleidigt die Arme, denn sie wusste genau, dass er recht hatte.
»Du hast die Jungs im Leichenschauhaus so erschreckt, dass sie sich fast in die Hose gemacht haben, während du verzweifelt versucht hast, dich zu erinnern, wer Sammy und wer Tommy ist. Das waren zwei Typen, die beruflich mit verstümmelten Leichen zu tun haben, die haut normalerweise nichts so schnell um.«
»Sammy, Tommy, Sommy, Tammy, was auch immer.« Sie winkte diese kleine Episode ab. »Und nicht jede Leiche, mit der sie zu tun haben, ist verstümmelt.«
»Ablenkung steht dir nicht gut«, wagte er zu sagen.
Sie akzeptierte seine Bemerkung mit einem Seufzer und einem ernsten Stirnrunzeln, während sie einen Bissen von ihrem Bagel abbiss und ihn zwischen den Zähnen zermahlte, sodass dieser sich sicherlich wünschte, er wäre nie gebacken worden.
»Genau deshalb musst du mir die Führung im Blumenladen überlassen.« Er nippte an der erhabenen, hellen Sumatra-Röstung und genoss das braune Labsal, bevor er fortfuhr. »Der Blick in deinen Augen scheint mehr Leichen zu versprechen, verstümmelt oder nicht. Wir wollen ja nicht, dass sich der Florist Sorgen macht, dass du durch seinen Laden wütest und jeder Chrysantheme in Sichtweite den Kopf abbeißt.«
»Gut«, erwiderte sie schmollend. »Ich werde mich zurückhalten und versuchen, meinen Psycho-Blick zu verbergen. Aber wenn du ein Brennen an deinem Hinterkopf spürst, dann ist das mein Blick, denn ich muss ihn irgendwo hinlenken.«
»Na gut.« Pain war bereit, zu riskieren, dass sein Schädel vor lauter telekinetischer Energie explodierte. »Oh, und wir müssen noch kurz bei einem Herrenbekleidungsgeschäft vorbeischauen.«
»Um einen Blumenladen zu besuchen?« Sie blickte ihn äußerst skeptisch an. »Seit wann gibt es eine Kleiderordnung, um Blumen zu kaufen?«
»Ich habe da eine Vermutung.«
»Na dann.« Sie war nicht an einer langen Erklärung interessiert, von der sie eh vermutete, dass sie mehr Löcher hatte als die Handlung eines beliebigen Superheldenfilms. »Gibt es einen bestimmten Look, den ich anstreben sollte?«
Er überlegte kurz. »Ja, eine Mischung aus einer Bekannten und einer Sexworkerin, die ich mit nach Hause nehme, um meine Eltern kennenzulernen und sie als meine Freundin vorzustellen.«
»Soll ich den Leder- oder den weichen Look wählen?« Sie versuchte, sich vorzustellen, was sie in ihrem Kleiderschrank zur Verfügung hatte.
»Weiches Leder mit einem Hauch von Weiblichkeit wäre wahrscheinlich am besten.«
»Also …« Sie hatte eine Ahnung, worauf er hinauswollte. »… irgendwas zwischen Dale Evans und Annie Oakley … Willst du, dass deine Scheinfreundin eine Netzstrumpfhose trägt, oder wäre das zu viel des Guten?«
»Netzstrumpfhose ist vielleicht wirklich ein wenig zu viel des Guten.« Er begann, den Tisch ab- und aufzuräumen. »Aber bei den Stiefeln kannst du dich austoben.«
»Ich werde sehen, was ich tun kann.« Sie stand auf. »Reicht meine natürliche Frisur, oder soll ich meine Perückensammlung durchsuchen?«
»Es ist deine Entscheidung, solange du in einer halben Stunde fertig bist.«
Noch rechtzeitig trafen sie sich im Flur, glitten die Treppe hinunter und schafften es, an Kwan’s Eingang vorbeizuschlüpfen, ohne hineingerufen zu werden. Ihr Tag fing gut an.
* * *
»Hallo.« Der Verkäufer begrüßte das Paar nur wenige Sekunden, nachdem sie den Laden betreten hatten, der sich auf Produkte für große und stattliche Männer spezialisiert hatte. »Mein Name ist Kirk. Wie kann ich Ihnen helfen?«
»Etwas von der Stange.« Pain unterdrückte den Impuls, ›Captain‹ hinzuzufügen. Sie arbeiteten mit einem begrenzten Budget und in einem kleinen Zeitfenster.
»Und wollen wir unsere Outfits koordinieren?«
Beide Männer traten einen Schritt zurück, um sich auf die Kleidung seiner Begleiterin zu konzentrieren. Agony hatte ein paar Minuten gebraucht, um ihren kleinen Schrank zu durchwühlen, aber dann hatte sie ein paar schöne, aber nicht gerade Designerjeans gefunden. Es waren nicht ihre Lieblingsjeans, aber sie waren nach Bootcut-Stil geschnitten und passten gut zu einem Paar hellbrauner, wadenhoher, geschnürter Lederstiefel. Als Oberteil hatte sie sich für ein weißes Hemd mit Druckknöpfen entschieden, das eher eng anlag, als dass es fließend war und das ganze Outfit mit einer hellbraunen Lederweste abgerundet.
Die Vermutung ihres Partners war, dass hinten in der Weste eine Tasche eingenäht war, in der ihr allgegenwärtiger Schlagstock gut aufgehoben war.
»Wenn du das hinbekommst.« Er dachte, dass halb-koordinierte Outfits ein guter Weg sein könnten. »Ich versuche, den edlen Cowboy-Look zu wählen. Aber wir stehen ein wenig unter Zeitdruck.«
»Gang sechs.« Kirk schien froh zu sein, sie zu beraten. »Nach hinten. Hosen und Hemden auf der rechten Seite und Jacken auf der linken. Sagen Sie mir bitte Bescheid, wenn Sie Hilfe brauchen.« Der Verkäufer spürte, dass dies kein Paar war, das gehätschelt werden wollte.
Eine halbe Stunde später bongte er die Einkäufe ein, schnitt die Etiketten von der Ware ab, die der große Mann bereits trug und bot ihm eine Tasche an, in der er die Kleidung, die er beim Eintreten getragen hatte, diskret transportieren konnte.
Sie wussten nicht, dass Sportsakkos aus gebürstetem Denim-Stoff wieder in Mode gekommen waren – wenn sie es überhaupt jemals waren – aber in Kombination mit der hellbraunen Hose und einem Herrenhemd in hellrosa hatten sie beschlossen, dass Pain den Look gut tragen konnte.
Während sie die Regale durchsuchten, hatte Agony die Stilberaterin gespielt. »Du kannst alles tragen, solange du so aussiehst, als ob du es ernst meinst.«
Kurze Zeit später, als er sie in den Laden mit dem Schild ›A&A-Floristik‹ über der Tür führte, machte er seinem Outfit alle Ehre. Um der Bitte ihres Partners nachzukommen, hatte sie eine sehr dunkle, aber stilvolle Sonnenbrille aufgesetzt. Sie begründete dies damit, dass sie damit den Leuten, denen sie bei ihren Nachforschungen begegneten, keine Angst einjagen würde. Er schätzte ihre Bemühungen, ihn bei Laune zu halten.
Als sie eintraten, läutete die zierliche Glocke, die über der Tür hing, leise vor sich hin. Bei ›A&A-Floristik‹ war kein Klingeln, Bing oder Boing erlaubt. Blumen waren empfindliche Geschöpfe und ob sie nun lebendig und blühend waren oder in der Blüte ihres Lebens abgeschnitten und für die Lebenden ausgestellt wurden, um sie zu bewundern, die Waren im Laden mussten eine sanfte und freundliche Atmosphäre bevorzugen.
»Hallo, liebe Besucher.« Ein Mann, der so groß wie Pain war, aber nicht so stämmig und mit einer Stimme, die klang, als hätte er noch nie in seinem Leben mit dem Tod gedroht, begrüßte sie hinter dem Tresen. »Willkommen bei ›A&A-Floristik‹. Darf ich fragen, ob es ein freudiger oder ein trauriger Anlass ist, der Sie in meinen bescheidenen Laden führt?«, fuhr er mit der herzlichsten aller Stimmen fort.
»Glücklich, hoffe ich.« Pain ging lässig auf den Tresen zu und hielt inne, um einige Auslagen auf seinem Weg zu bewundern, während Agony zurückblieb, um zu sehen, wie gut ihr Partner schauspielern konnte.
»Ich war eine Weile nicht in der Stadt«, erklärte dieser und hielt inne, bevor er hinzufügte: »Ich war im Ausland, aber jetzt bin ich für einen kurzen Besuch zurück und hoffe, einen alten Freund von mir zu überraschen.«
»Und wie kann ich Ihnen dabei helfen?«, fragte der Ladenbesitzer hilfsbereit.
Adrian Abriro stand sowohl für das erste als auch für das zweite A, das den Namen des Ladens ausmachte. Der Unternehmensberater, den er damals hatte, als er seinen Laden eröffnen wollte, hatte ihm geraten, den Anschein zu erwecken, dass es sich nicht um einen Einmannbetrieb handelte. Er hatte den Rat befolgt und es seitdem bereut. Es war nicht ungewöhnlich, dass Kunden eine zweite Meinung über die Auswahl ihrer Sträuße und Gestecke einholten und sie waren immer enttäuscht, wenn die andere Hälfte der A&A-Partnerschaft nicht verfügbar war.
Nachdem er seinen Geschäftsberater aus seinem Leben gestrichen hatte, war Adrian sowohl seinen Blumen als auch seinen Kunden treu geblieben und hatte sich den Ruf von A&A als einer der besten Blumenhändler im Norden der Stadt und in den umliegenden Gemeinden erarbeitet. Es hatte nicht geschadet, dass Oakdale direkt an der Stadtgrenze lag. Diese Vorort-Menschen liebten einfach ihre Pflanzen.
»Ich weiß, dass mein alter Freund« – das Wort ›Freund‹ hatte für Pain eine große Bedeutung – »oft hier Blumen gekauft hat. Auch wenn wir seit einem Jahr keinen Kontakt mehr haben, was ganz allein meine Schuld ist …« Er ließ den Kopf in leichter Scham hängen und Agony war fast bereit, den Namen ihres Partners für einen Oscar einzureichen.
»Bevor mich mein neuer Job in die ganze Welt schickte«, fuhr ihr Partner fort, »waren mein alter Freund und ich immer in Kontakt geblieben. Ich habe so viele Fotos von den Orten, an denen ich gewesen bin.« Er beugte sich vor und sagte mit noch sanfterer Stimme: »Er hat mir so viel darüber beigebracht, wie ich das, was ich sehe, durch ein Objektiv festhalten kann, dass ich ihn mit meinen Fortschritten überraschen wollte.« Er richtete sich auf und fuhr fort. »Hier bin ich also und besuche seinen Lieblingsfloristen, um ihm ein paar Blumen zu schenken, während ich ihn meiner Schwester vorstelle, die für die Weinauswahl zuständig sein wird.«
»Ihre … Schwester?« Adrian Abriro betrachtete die Frau, die im Hintergrund stand, mit der dunklen Sonnenbrille und dem ›Vielleicht-ja, vielleicht-nein‹-Outfit.
»Halbschwester.« Pain nickte eifrig und kommentierte in vertraulichem Tonfall: »Sie wissen ja sicherlich, wie das ist.«
»Ja«, stimmte der Florist in verschwörerischem Tonfall zu, »das tue ich.«
»Also …« Er lehnte sich von der Theke weg und schaute sich die Blumen in der Auslage an. »Ich habe vor, Evan ausfindig zu machen, wo auch immer er sein mag und ihm Blumen und eine Flasche Wein zu schenken, die meine Schwester auswählt und ihn zu überraschen, bevor dieser Tag zu Ende ist.«
»Nun gut«, antwortete der Blumenfachmann. »Blumen kann ich besorgen. Ich bin sicher, dass Ihre Halbschwester«, fügte er mit einem Nicken in Richtung Agony hinzu, »durchaus in der Lage sein wird, den passenden Wein auszuwählen. Aber dass Sie Ihren Freund ausfindig machen können … Ich fürchte, das übersteigt meine … Oje!« Mitten im Satz blieb ihm die Stimme im Halse stecken. »Haben Sie Evan gesagt?«
»Wie Evan sagen würde: ›Ja, das habe ich, mein Lieber‹.« Er versuchte, den britischen Akzent des Geliebten zu imitieren. »Sie sorgen für die Blumen, meine Schwester für den Wein und gemeinsam werden wir den alten Knaben aufspüren, bevor die Blumen verwelken und der Wein seine Kühle verliert.«
»Oh, Mann.« Abriro setzte sich schnell auf den Hocker hinter ihm. »Wenn Sie Evan sagen, meinen Sie dann Evan Korman?«
»Der Einzigartige!« Pain lächelte. »Er ist so ein Schatz. Wir müssen nur seine Spur aufnehmen. Ich könnte ihn natürlich anrufen, aber das würde die Überraschung verderben, oder?«
»Wenn Sie erst jetzt in die Stadt gekommen sind, haben Sie es wohl noch nicht gehört.« Der Blumenhändler war betrübt, dass er die unangenehme Nachricht überbringen musste, aber da er eine eingefleischte Klatschtante war, ließ er keine Gelegenheit aus, sie weiterzugeben.
»Was gehört?« Pain sah aufrichtig besorgt aus. »Ist der alte Gauner aus der Stadt weggezogen? Er hörte sich hier immer so glücklich an.«
»Oh nein.« Der Besitzer nickte hastig und beschwichtigend. »Er war glücklich.« Er schaute sich um, wie die meisten Klatschtanten, um zu sehen, ob noch jemand in Hörweite des Gerüchts war, das er gleich verbreiten würde. »Aber das war … vorher.«
»Vor was?« Pains Gesichtsausdruck war so besorgt, dass Agony dachte, ihr Partner sei jetzt wahrscheinlich der Spitzenreiter für den Oscar.
»Bevor der arme Mister LeVaul getötet wurde.«
»Jemand wurde getötet?« Pain sah ausgesprochen entsetzt aus.
Adrian beugte sich vor und senkte seine Stimme. »Ermordet. Zumindest habe ich das so gehört.«
»Ermordet zu werden ist immer schlimmer als einfach so zu sterben.« Er nickte zustimmend zu den Gefühlen des Blumenhändlers. »Aber wie gesagt, Evan und ich haben uns aus den Augen verloren, also kenne ich diesen … Mister LeVaul nicht, sagten Sie? War er kürzlich ein Freund von Evan geworden?«
Der Florist zuckte mit den Schultern. »Wahrscheinlich nicht allzu lange, nachdem Sie beide den Kontakt verloren haben.«
Zum Glück gab es auf der Kundenseite des Tresens ein paar Hocker, denn Pain sah aus, als müsste er sich setzen und schob einen davon beiseite, um seinen wackeligen Beinen eine Pause zu gönnen.
»Oh, armer Evan.« Er schaute nach unten und dann schnell wieder nach oben. »Und der arme Mister LeVaul natürlich auch.«
»Natürlich«, stimmte Adrian zu. »Ganz zu schweigen von Mister LeVauls kleiner Tochter.«
»Das wird immer schlimmer.« Er holte sehr glaubwürdig und verzweifelt Luft. »Wie geht es Evan? Haben Sie von ihm gehört?«
»Nur kurz und das war, als er anrief, um ein Arrangement für die bevorstehende Beerdigung zu bestellen. Er klang ziemlich aufgewühlt.«
»Wissen Sie vielleicht, wo die Beerdigung stattfinden wird? Zumindest kann ich ihn dort ausfindig machen. Er war immer eine so sensible Seele, dass er so viele Freunde zur Unterstützung brauchen wird, wie er finden kann.«
»In der Tat …« Adrian holte einen Block und einen Stift hervor. »Ich habe den Ort, an dem die Trauerfeier stattfinden wird, aber nicht die genaue Uhrzeit oder das Datum.«
Er schrieb die Adresse auf und gab sie dem Mann, der ihn gründlich davon überzeugt hatte, dass er um seinen Freund trauerte.
»Danke.« Pain nahm den Zettel mit einem dankbaren Nicken entgegen und sah ihn an. Miles und Ignatius. »Sie waren sehr hilfreich. Ich werde mich mit dem Bestattungsunternehmen in Verbindung setzen und dann wiederkommen, um ein Arrangement auszuwählen. Armer Evan …« Er stand auf. »Ich danke Ihnen, Adrian. Sie waren mir eine große Hilfe.«
»Ich glaube«, fügte der Florist hinzu, als er sich zum Gehen wandte, »ich könnte Ihnen vielleicht noch ein bisschen helfen.«
»Oh?« Pain drehte sich um, sein Blick war hoffnungsvoll. »Gibt es noch etwas, das ich wissen sollte?«
»Ich weiß nicht, welches Zimmer genau«, fuhr der hilfsbereite Mann fort, »aber ich glaube, ich weiß, in welchem Hotel er gerade wohnt.«
»Oh?«
Endlich. Agony rollte genervt mit den Augen. Sie war schon kurz davor gewesen, an den Tresen heranzutreten und die Jalousien herunterzulassen, wenn die Wir-sind-Freunde-Routine nicht bald etwas Brauchbares hervorgebracht hätte.
»Allerdings …« Adrian wollte Evans Freund versichern, dass er das Recht seiner Kunden auf Privatsphäre voll und ganz respektierte. »Ich würde diese Informationen nicht einfach an irgendjemanden weitergeben, aber da Sie und Evan sich nahe gestanden haben, könnte er jetzt wahrscheinlich einen alten Freund gebrauchen, der ihm etwas Trost spendet.«
»Ich würde alles für ihn tun.« Pain setzte sich wieder auf den Hocker und schaute den Floristen hoffnungsvoll an.
»Wie gesagt, ich weiß nicht, in welchem Zimmer er wohnt, aber ich bin mir fast sicher, dass er zurzeit im Hotel Brinwell wohnt.«
»Und wie kommen Sie darauf?«
Der Florist zuckte bei der Erinnerung daran zusammen. »Der Ton im Aufzug. Er ist einfach grässlich. Ich musste einmal die Lobby für eine Abendveranstaltung im Hotel dekorieren. Ich war fast den ganzen Nachmittag dort und der Gong ertönte jedes Mal, wenn sich die Aufzugstüren öffneten. In der ganzen Stadt gibt es nichts Vergleichbares, Gott sei Dank. Ich kann mich dem Haus nicht mehr nähern, ohne bei der Erinnerung an diesen schrecklichen Nachmittag zusammenzuzucken.«
»Das klingt unerträglich«, meinte Agonys Partner, »aber was hat das mit dem armen Evan zu tun?«
»Er muss in der Nähe des Aufzugs gewesen sein, als er anrief, um seine Bestellung für die Beerdigung aufzugeben, denn ich hörte das Läuten dreimal im Hintergrund. Wenn der Anruf noch länger gedauert hätte, hätte ich darauf bestehen müssen, dass er einen anderen Ort findet, von dem aus er mich anrufen kann. Glauben Sie mir, das Hotel muss denken, dass es ein sehr vornehm klingender Gong ist, aber für jeden, der ein empfindliches Gehör hat, ist es schlimmer als der Bohrer eines Zahnarztes.«
»Danke.« Pain stand wieder auf und sah sich um. »Vielleicht können Sie mir helfen, ein kleines Gesteck auszusuchen, das ich mitnehmen kann, wenn ich ihn sehe. Etwas, das sagt: ›Ich bin für dich da‹?«
»Auf jeden Fall.«
Fünfzehn Minuten später sah Adrian Abriro, wie Evans Freund mit einem handverlesenen Arrangement hinausging. Zum Glück hatte er seine ziemlich einschüchternd aussehende Schwester wieder mitgenommen.