Kapitel 10

I ch muss gestehen«, sagte Agony, als sie Bertha startete, »dass ich deine schauspielerischen Fähigkeiten unterschätzt habe.«

»Wer sagt, dass ich geschauspielert habe?« Pain tippte die Adresse des Hotels in das Navigationssystem ein.

»Ernsthaft?« Sie senkte ihre Sonnenbrille, warf ihm einen ungläubigen Blick zu und musste fast lachen.

»Vielleicht«, schlug er vor, »war alles, was du bisher von mir gesehen hast, Schauspielerei und das war mein wahres Ich, das endlich eine Chance bekommt zu glänzen?«

»Dann bekommst du trotzdem den Preis für den Schauspieler des Jahres, denn du hast mich ohnehin in den Bann gezogen.«

»Das sehe ich als Kompliment an.« Er kurbelte sein Fenster herunter und lehnte seinen Kopf hinaus, um frische Luft zu atmen.

»Als Kind hatten wir einen Labrador-Retriever-Mischling, der das immer gemacht hat. Soll ich dich in einen Hundepark zum Gassigehen mitnehmen?«

»Warum ist es so«, begann er, während er den Kopf wieder hereinzog, aber das Fenster unten ließ, »dass Blumen draußen an der frischen Luft so gut riechen können, aber in der Wohnung geballt so überwältigend wirken können?«

»Dich hat es auch erwischt, hm?«

»Es ist wie …« Er kämpfte um eine Analogie. »Wenn ich zu einem Musikfestival gehen würde …«

»Du scheinst mir nicht der Typ für ein Musikfestival zu sein«, sagte sie ihm unverblümt.

»Aber wenn ich es wäre …« Er fuhr fort, mit dem Gefühl auf der richtigen Spur zu sein. »Du bist einen ganzen Tag lang dort und freust dich darauf, eine Band nach der anderen zu hören, jede mit ihrem eigenen Sound. Manche Bands magst du vielleicht besonders und andere sind einfach nur langweilig. Aber sie kommen alle an die Reihe und du kannst sie nacheinander genießen oder nicht genießen. Aber das Reich von ›A&A-Floristik‹ zu betreten, war das olfaktorische Äquivalent dazu, alle Verstärker auf elf zu stellen und alle Bands zur gleichen Zeit spielen zu lassen. Ich konnte einen Geruch nicht von dem anderen unterscheiden und wenn sie sich so zusammentaten, bekam ich fast Kopfschmerzen.«

»Mensch, Mensch, haben wir nicht eine empfindliche Nase?« Trotzdem musste sie zugeben, dass er nicht ganz unrecht hatte.

»Ein bisschen Durchzug hätte vielleicht geholfen.« Er kurbelte das Fenster hoch. »Das ist alles, was ich sagen will. Jetzt …« Er zog eine Grimasse, hob einen Ärmel seines Jacketts an die Nase und atmete schnell ein, bevor er das Fenster wieder herunterkurbelte. »Ich muss nicht nur den ganzen Tag dieses Outfit tragen, sondern auch noch danach riechen. Ich weiß nicht, ob es die Gardenien, die Petunien oder die gottverdammten Rosenknospen sind, aber die Gerüche haben sich festgesetzt und es gibt keine Anzeichen dafür, dass sie sich in nächster Zeit auflösen.«

»Das kaufe ich dir nicht ab.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich vermute, du willst nur nicht den ganzen Tag dieses männliche, rosafarbene Hemd tragen müssen.«

Pain fand, dass das Hemd eigentlich ziemlich gut an ihm aussah, aber er wollte es nicht zugeben. In diesem Fall war es wirklich der Geruch, vor dem er fliehen musste.

»Warte, warte, halt an und fahr rechts ran«, befahl er.

Agony kam der Aufforderung genervt nach und parkte an Randstein.

Pain stieg aus, durchwühlte den Kofferraum von Bertha und fand die Tasche mit dem Hemd, das er früher am Tag getragen hatte. Es war ein strapazierfähiges, blassblaues Kurzarmhemd mit zwei Taschen, das ausgesprochen gut zu seiner neuen, hellbraunen Hose passte.

Er stand auf dem Bürgersteig und zog sich bis zur Hüfte aus. Es überraschte sie nicht, dass ihr Partner auch eine ärmellose Version seiner magischen Unterwäsche dabei hatte, die schnell wieder versteckt wurde, als er in das blaue Hemd schlüpfte. Er stopfte das geruchsintensive, rosafarbene Hemd und die blaue Jacke in die Tasche und warf sie so weit nach hinten in den Kofferraum, wie er konnte.

»Nun«, scherzte sie, als er wieder einstieg, »ich bin froh, dass wir nicht zurück in deine Wohnung mussten, um dir frische Kleidung zu besorgen, denn dafür hätten wir keine Zeit gehabt.«

Sie hörten beide das Klingeln des Wegwerfhandys. Das Gerät war mit einer Freisprecheinrichtung gekoppelt, die sie in Berthas Armaturenbrett eingebaut hatten und wenn sie unterwegs waren, ließen sie das Telefon in der Ablage zwischen den Sitzen.

»Und wir haben keine Zeit für so einen Scheiß.« Pains Laune wandelte sich innerhalb von einer Sekunde von erfreut zu verärgert.

»Ich fahre und sie ist deine Schwester«, schob sie ihm die Arschkarte zu. »Du redest mit ihr.«

»Wenn die Familie anruft …« Er seufzte und drückte den Knopf auf dem Armaturenbrett, um über den Lautsprecher zu antworten. »Hey, Schwesterherz, lange nichts mehr von dir gehört.«

»Spar dir das, Pain«, antwortete Esther Nemecek mit nicht gerade melodiöser Stimme. »Ich brauche ein Fortschrittsupdate.«

»Was du brauchst, Esther«, antwortete er ruhig, »ist ein reinigender Einlauf, gefolgt von einer doppelten Darmspiegelung. Denn bisher haben wir nur herausgefunden, dass du sooo viel Scheiße in dir hast, dass der Gouverneur des Nachbarstaates kurz davor ist, eine Beschwerde einzureichen, weil du alle Touristen wegen des giftigen Geruchs, der über die Staatsgrenzen weht, vertreibst.«

»Aahhh, ja«, antwortete die Frau gereizt. »Habe ich dir in letzter Zeit schon gesagt, wie sehr wir es vermisst haben, deine immer so genauen und pünktlichen Berichte und Einschätzungen zu lesen, wenn du im Einsatz warst?«

»Du willst einen Bericht zur Beurteilung?«, erkundigte er sich. »Dann schicke ich dir jetzt einen. Beurteile das doch mal bitte!«

Pain beendete den Anruf abrupt. Er und Agony begannen, von zehn herunterzuzählen und erreichten sechs, bevor das Telefon erneut klingelte. Sie gab ihm ein Zeichen, dass sie sich um diesen Fall kümmern sollte und er kam ihr gerne entgegen.

»Hier ist der Anrufbeantworter von ›Stolze Schlampen‹.«, antwortete sie mit ihrer am professionellsten klingenden Stimme. »Wenn du bereits eine Schlampe bist, drücke bitte die Eins. Wenn du eine angehende Schlampe bist, drücke bitte die Zwei. Wenn du anrufst, um dich über eine unserer Schlampen zu beschweren, dann drücke bitte die Drei, danach fick dich selbst.«

Sie hörten schweigend zu, wie Esther dreißig Sekunden lang schimpfte, bevor sie eine Pause machte, um Luft zu holen, woraufhin Agony antwortete: »Es tut mir leid, wir waren nicht in der Lage, diese Eingabe zu erkennen. Du hast ›Stolze Schlampen‹ erreicht. Wenn du bereits eine Schlampe bist, drücke bitte die Eins. Wenn du eine angehende Schlampe bist, drücke bitte die Zwei. Wenn du anrufst, um dich über eine unserer Schlampen zu beschweren, drücke bitte die Drei, danach verpiss dich.«

Sie fuhr auf den nächstgelegenen Parkplatz und ließ den Motor laufen, nachdem sie Bertha eingeparkt hatte. Bis jetzt waren es zwei gegen einen – sie und Pain gegen Esther, die Nemecek – und sie wollte sich auf das Spiel konzentrieren.

Evan und das Hotel Brinwell würden immer noch da sein. Sie drehte die Klimaanlage auf, damit der Blumenstrauß, den sie gekauft hatten, nicht zu sehr verwelkte, bevor sie ihn ausliefern konnten.

Agony wusste genau, dass Evan der Schlüssel war, um Shayla zu finden, aber sie hoffte, dass die Schlampe entweder das nervige Spiel schnell aufgeben oder versehentlich einen Hinweis auf den Aufenthaltsort der Tochter ihres toten Agenten geben würde. Sie vermutete jedoch, dass Esther sich um nichts anderes scherte, als ihren eigenen Arsch zu retten.

Dieses Mal ließen sie die Agentin ohne Unterbrechung reden. Die Partner hatten die Zeit gestoppt und nach etwa zwei Minuten ging ihr der Dampf aus. Sie ließen die Stille in der Luft hängen, während sie darauf warteten, dass jemand anderes als sie ein vernünftiges Gespräch beginnen würde.

»Seid ihr noch dran?«, fragte die Schlampe mit viel ruhigerer Stimme nach etwa zehn Sekunden Stille, »oder spreche ich mit einem Telefon, das aus dem Fenster geworfen wurde?«

Sie zählten leise mit ihren Fingern abwärts und gaben ihr fünf, vier, drei, zwei, eins, um die Verbindung zu unterbrechen. Die Verbindung blieb bestehen.

»Wir sind immer noch hier«, sagte Pain schließlich zu ihr. »Jetzt, wo du deine aufgestaute Wut losgeworden bist, können wir ein richtiges Gespräch über den Informationsaustausch führen?«

»Du zuerst«, antwortete Esther. Bevor sie sich bei ihm und seiner Partnerin für irgendetwas bedankte, würde in der Hölle eine Eishockeyliga gegründet werden, aber ihr Umgang mit dem Anruf hatte seine Wirkung nicht verfehlt. Sie hatte jetzt eine gewisse Gelassenheit erreicht – eine sehr zerbrechliche, aber dennoch eine Gelassenheit.

»Justin LeVaul«, begann Pain mit sehr sachlicher Stimme, »gehörte zu einem SISTER-Überwachungsteam, das ein Auge auf mich werfen sollte, obwohl mir immer noch nicht klar ist, warum irgendjemand dachte, ich sei es wert, beobachtet zu werden. Vor ein paar Monaten sind mein Partner und ich einer Agentin begegnet, die wahrscheinlich demselben Team zugeteilt war. Wir taten unser Bestes, um sie freundlich zu behandeln, aber wir wissen alle, dass sie mit dem Auftrag überfordert war. Deshalb möchte ich als Erstes wissen, wie die Agentur sie behandelt hat, nachdem sie sehr mutig und ganz allein versucht hat, mich einzukassieren.«

Er sah, wie Agony ihn fragend ansah und er gab ihr pantomimisch einen kurzen Schlag auf die Nase. Sie nickte und erinnerte sich an die junge Agentin in der beigen Limousine, die sie beide an die Tage erinnerte, an denen sie auf unterschiedliche Weise bei einem Einsatz überfordert gewesen waren.

»Die fragliche Agentin«, antwortete Esther, die froh war, dass die erste Frage leicht zu beantworten war, »wurde aufgrund ihrer Handlungen in einer widrigen Situation mit den besten Empfehlungen nach Quantico überwiesen. Ihre Eltern sind nun stolze Eltern einer Tochter, die nach einer strengen Ausbildung ein FBI-Abzeichen trägt.«

Die Partner lächelten kurz über diese Antwort.

»Nächste Frage?« Die Frau am anderen Ende der Telefonverbindung versuchte zumindest so zu tun, als ob sie nett wäre.

Er traute ihr nicht weiter als bis zu der Entfernung, die er in den Wind pissen konnte, ohne dass seine Schuhe oder Hose durchnässt wurden, aber er machte weiter.

»Warum«, fragte er, »hat sich die große Schwester verpflichtet gefühlt, mich im Auge zu behalten?«

»Entsicherte Waffen«, antwortete sie, »sind das, was ich im Auge behalten soll. Der direkte Befehl lautete, mit der Löschung zu beginnen, sollte das nötig werden.«

»Also«, fragte er, »warum hast du mich nicht so schnell wie möglich gelöscht?«

»Nennt mich einen Sentimentalisten«, antwortete Esther ohne einen Ton der Aufrichtigkeit in ihrer Stimme.

»Du suchst etwas«, antwortete Pain, wobei nun jeder Ton von Aufrichtigkeit fiel und die Realität in das Gespräch eintrat.

Agony lehnte sich zurück und hörte zu, wie er die böse Schlampe herausforderte.

»Ich bin immer«, antwortete die Frau, »auf der Suche nach etwas. Wohin du auch gehst, Agent Pain, Anfangsbuchstabe M, etwas scheint dir immer zu folgen.«

Gegen die Logik der bösen Schlampe konnte sie nichts einwenden.

»Also …« Pain versuchte, sich einen Reim auf den Fall zu machen, an dem sie gerade arbeiteten. »Agent LeVaul gehörte zu dem Überwachungsteam, das ein Auge auf mich haben sollte?«

»So wie jeder, der dem ursprünglichen Team zugeteilt war.« Esther ließ es wie ein Kompliment klingen. »Es war sehr schwer, den Überblick zu behalten.«

»Alles, was ich war«, antwortete er ruhig, »war ein Mann, der sich vor aller Augen versteckte, während er versuchte, eine Quest zu erfüllen.«

»Können wir deine verdammte Quest für einen Moment beiseite lassen?« Agent Nemeceks Zähne knirschten unüberhörbar, als sie die Worte herauspresste.

»Klar.« Er lächelte seine Partnerin an, bevor er antwortete. »Die Quest wird immer noch da sein, wenn ich zurückkomme.«

Agony schüttelte den Kopf, um zu bestätigen, dass Jungs eben Jungs blieben.

»Lass uns über Agent LeVaul und seine Tochter reden.« Pain schaute Agony an und wusste, dass er mit der Erwähnung des Kindes nun zumindest eine der beiden Frauen, die an diesem Dreiergespräch beteiligt waren, auf seiner Seite hatte.

»Wir haben herausgefunden«, sagte er der Schlampe am anderen Ende des Telefons, »dass der Tod von Agent LeVaul nichts mit dem Team zu tun hatte, das mich immer noch überwacht. Ich wusste nicht einmal, dass ich noch unter Beobachtung stand, bis du es mir gesagt hast. Also scheiß auf diesen Überwachungsmist und sei einmal in deinem Leben ehrlich!«

Stille war die Antwort, aber der Anruf war noch aktiv, denn Esther hatte die Verbindung nicht unterbrochen und die beiden Partner auch nicht. Agony war froh, dass sie sich entschieden hatte, anzuhalten und zu parken.

»Gibt es eine Chance«, begann die ehemalige Polizistin, um das Schweigen zu beenden, »dass ihr zwei Kinder nett miteinander spielen könnt?«

»Er zuerst«, antwortete Nemecek zur gleichen Zeit, als Pain mit »Sie zuerst« antwortete.

»Ich werde diesen Anruf jetzt beenden«, sagte sie zu den beiden, »und dieses Telefon in den Straßenverkehr werfen. Dann ändere ich meinen Namen und meinen Beruf und ziehe nach Okla-fucking-homa, um in einem mittelprächtigen Diner zu arbeiten, wo ich jeden ›Honey‹ oder ›Sweetie Pie‹ nennen kann und gehe nach einer Acht-Stunden-Schicht nach Hause in meine kleine, ungepflegte Wohnung. Dort werde ich Cheetos und Eiscreme verdrücken, während ich hirnloses Kabelfernsehen schaue und die einzige Sorge, die mir beim Einschlafen durch den Kopf geht, ist, ob ich die Süßkartoffeln und die doppelt gebackenen Kartoffeln den richtigen Kunden an Tisch acht vorgesetzt habe.«

Diese Ankündigung wurde mit einer langen Pause quittiert. Zu jedermanns Überraschung – sogar zu ihrer eigenen – war Esther die erste, welche die Stille unterbrach und es schaffte, ihre geduldige Stimme zu benutzen.

»Sag mir, was du in dem Haus gefunden hast, Pain.«

»Nichts, was zu mir führt, Esther«, antwortete er, wie ein Agent zum anderen. Nach einem Moment der Stille fuhr er fort. »Alles, was ich euch sagen kann, wisst ihr bereits, denn SISTER hatte eine gründliche Suche durchgeführt. Das Einzige, was als Hinweis übrig blieb, war, dass Agent LeVaul anscheinend persönliche Nachforschungen anstellte und Telefonnummern und Sparkonten miteinander verglich. Ich kann ehrlich sagen, dass ich mit keiner der Nummern oder Konten vertraut war, also war ich nicht sein Ziel. Was mir wiederum keinen Grund gab, ihn zu töten.«

Die Frau hielt lange genug inne, damit Agony nachmachen konnte, wie man ihr eine Waffe an den Hinterkopf hält.

»Außerdem …« Pain nickte seiner Partnerin dankend zu. »Da Agent LeVaul einem Team zugeteilt wurde, um mich im Auge zu behalten, würde er wissen, wer und was ich bin. Es ist unwahrscheinlich, dass er in meiner Gegenwart so entspannt ist, dass er mir erlaubt, hinter ihn zu schleichen und ihm eine Kugel in den Kopf zu jagen.«

»Das könnte er«, entgegnete Esther, »wenn du seine Tochter hättest und ihm die Wahl zwischen ihr oder ihm lassen würdest.«

Verdammt, da hat sie recht! »Aber noch einmal, Esther«, fuhr er mit seinem Bericht und seiner Verteidigung fort, »warum? Er war zur Überwachung eingeteilt, nicht zur Ermittlung. Bis du seinen Namen erwähnt hast, hatte ich noch nie von ihm gehört.«

»Du hast recht, Pain«, gab Esther zu und bestätigte damit die Durchsuchung des Hauses durch SISTER. »Wir waren vor euch am Tatort. Aber der wichtigste Gegenstand, den wir nicht für euch zurückgelassen haben, war etwas, das aussah wie LeVauls Untersuchung zum Projekt Treble Hook.«

An der Stille, die auf diese Ansage folgte, konnte Agony auch ohne ihre Ausbildung als Polizistin erkennen, dass dieser Satz für die beiden Agenten eine große Bedeutung hatte. Sie konnte den Gesichtsausdruck von Agent Schlampe nicht sehen, aber sie konnte die Reaktion ihres Partners erkennen. Was auch immer das Projekt Treble Hook gewesen war, er hatte keine guten Erinnerungen daran.

»Wenn jemand in diesem Scheißhaufen herumschnüffelt, ist meine erste Reaktion, dich als Person von Interesse zu betrachten«, sagte Esther und klang fast genüsslich, als sie das Messer in der Wunde drehte.

»Fick dich auch, Esther, aber danke für den Spaziergang in die Vergangenheit.« Pain wollte auf etwas einschlagen, aber er glaubte nicht, dass es Agony gefallen würde, wenn er eines von Berthas Fenstern beschädigte.

»Was Agent LeVaul angeht«, fuhr er fort, nachdem er seine Stimme wieder unter Kontrolle hatte, »habe ich mich im Laufe der Jahre vieler Dinge schuldig gemacht, aber sein Tod gehört nicht dazu. Wir werden jetzt weiter versuchen, seine verschwundene Tochter zu finden. Wenn es uns gelingt, den Mord an deinem Agenten aufzuklären, werden wir dich als jemanden im Auge behalten, den wir wahrscheinlich informieren sollten.«

Ob Esther Nemecek darauf noch eine Antwort hatte, würden sie nicht mehr erfahren, denn Pain hatte das Gespräch abrupt beendet.

»Die Schlampe weiß, wie man Knöpfe drückt, nicht wahr?«, bemerkte Agony, nachdem er seine Zehn-Sekunden-Routine zur Beruhigung seiner Atmung durchlaufen hatte.

»Ja«, stimmte Pain ihrer Einschätzung zu. »Manchmal tun mir ihre Eltern leid, weil ich vermute, dass Mama und Papa Nemeceks hübsches, kleines Mädchen ihre Fähigkeiten im Knöpfedrücken bereits vor ihrem dritten Geburtstag perfektioniert hatte. Das hatte ihnen viele Jahre der Hilflosigkeit beschert, bis sie endlich alt genug war, um sie in die Welt hinauszuschicken, damit sie ihre überentwickelten Fähigkeiten dem Rest der Menschheit beibringen und sie endlich in Ruhe lassen konnte.«

»Treble Hook?«, fragte sie nach einigen Momenten der Stille. »Ich habe gehört, dass du das schon mal erwähnt hast, aber nie etwas Genaueres darüber. Ist das etwas aus der Vergangenheit meines derzeitigen Partners, über das ich mehr wissen sollte?«

»Das ist es.« Er nickte. »Und das solltest du auch. Aber das Hotel Brinwell ist nur einen Block entfernt. Wie wäre es, wenn wir uns auf das konzentrieren, was wir dort finden und danach beantworte ich dir jede Frage, die dir einfällt. Abgemacht?«

»Abgemacht.«

Sie konzentrierten sich uneingeschränkt auf das Projekt, denn das war es, was Profis taten.