Kapitel 20

W ie wäre es, wenn wir uns eine Nacht freinehmen?«, schlug Pain vor, als er Bertha von Esthers derzeitiger Kommandozentrale wegführte.

»Ich kann nicht sagen, dass ich etwas dagegen hätte.« Agony lehnte sich gegen die Kopfstütze und versuchte, den Gestank von Esthers thailändischem Mittagsmahl aus dem Gedächtnis ihrer Nase zu verdrängen.

In den letzten zwei Tagen hatten sie es sowohl mit Havoc als auch mit Esther zu tun gehabt und sie hatten beide das Gefühl, dass sie eine Pause verdient hatten. Es war nicht vorhersehbar, wo sich Eddie in der Nacht aufhalten würde, aber dank der Informationen auf einem der Datenträger in Havocs Aktenkoffer hatten sie eine ziemlich gute Vorstellung davon, wo sie ihn am nächsten Nachmittag finden konnten, zumal die Wettervorhersage heiß und sonnig war. Eddie würde am Pool sein.

»Lass mich erst mal telefonieren.« Sie holte ihr Mobiltelefon heraus, wählte eine Nummer und stellte es auf Lautsprecher.

»Erzähl mir etwas Gutes, Beau.« Sie verschwendete keine Zeit, als ihr Freund von der Familienhilfe antwortete.

»Margot wich nicht von Shaylas Seite, bis sie sie mit ihren Großeltern ins Flugzeug brachte«, freute er sich, sie zu informieren. »Das Mädchen hat viel zu viele unangenehme Erinnerungen, als dass eine Vierjährige sie haben sollte, aber die Großeltern haben das Haus ihres Vaters durchsucht und jedes Foto aus glücklichen Zeiten aufgetrieben, das sie finden konnten, bevor sie zum Flughafen fuhren. Sie trafen auch Vorkehrungen für die Verschiffung des Babyflügels. Wenn eine traumatisierte Vierjährige eine Chance auf glückliche Kindheitserinnerungen haben sollte, dann ist sie es. Kinder können unglaublich widerstandsfähig sein.«

»Danke, Beau.«

»Ich danke euch.« Seine Antwort war offen und aufrichtig. »Es ist schön, wenn es gelegentlich ein Happy End gibt. Wir hören uns.« Der Angerufene legte auf.

Pain wandte seinen Blick für einen kurzen Moment von der Straße ab und sah seine Partnerin an, die etwas im Auge zu haben schien.

»Was können wir tun«, fragte er, »worin wir beide schlecht sind?«

»Warst du in letzter Zeit beim Bowling?«

»Bowling? Meinst du das Spiel, bei dem du eine schwere Kugel eine schmale Bahn hinunterrollst, die dann im Rinnstein landet, bevor sie überhaupt in die Nähe der zehn anvisierten Objekte kommt? Nö. Nicht mehr, seit ich zehn bin.«

»Wer am wenigsten Punkte hat, gewinnt, richtig?«

»Du denkst vielleicht an Golf.«

»Ja«, gab sie zu. »Darin bin ich auch schlecht. Aber auf Bowlingbahnen gibt es auch Bier.«

»Das gibt es in den meisten Clubhäusern auf Golfplätzen auch.«

»Klar, aber beim Bowling musst du nicht warten, bis das Spiel zu Ende ist, um dein Gebräu zu genießen.«

»Dann auf zum Bowling.«

Sie holte ihr Handy wieder hervor, führte eine schnelle Suche durch und gab die Adresse einer Bowlingbahn ins Navi ein, die auf ihrem Heimweg lag.

»Ich frage mich, was Glitter Ball ist«, murmelte sie.

Eine halbe Stunde später fanden sie es heraus. Die Bowlingbahn, die sich Penny Lanes nannte, bot bis 21 Uhr ernsthafte Bowlingspiele und Ligen an. Danach wurden die Lichter gedimmt und die Glitzerkugeln begannen über dem Kopf zu rotieren, während ein DJ einen stetigen Strom von frühem Rock’n’Roll auflegte und sich nicht scheute, über die Lautsprecheranlage zu verkünden, wie schlecht jemand war.

Die Bahn Nummer vier wurde so oft erwähnt, dass jedes Mal, wenn die Partner, deren Bahn das war, an die Linie traten, alle anderen innehielten, um zuzusehen. Sie waren zwar schlecht darin, aber sie durften eine schwere Kugel mit der Absicht rollen, Schaden anzurichten, während sie ein paar Bierchen genossen.

»Das Ziel des Spiels ist es, dass ihr die weißen Dinger am Ende der Bahn trefft«, erklärte der DJ fröhlich. Nicht, wie schnell ihr die Kugeln an ihnen vorbeirollen lassen könnt.«

Sie verbeugten sich oft vor der Menge, während sie die schnellsten Pudel rollten, die die meisten Leute je gesehen hatten. Manchmal machte es auch Spaß, sich komplett zu verausgaben.

* * *

Zusammen hatten sie am Abend zuvor beim Glitter Bowling nur dreieinhalb Bier getrunken. Spaß war Spaß, aber Autofahren ist eine ernste Angelegenheit. Sie kehrten in Pains Wohnung zurück und tranken einen Schlummertrunk Hennessy, während sie ihre Pläne für den nächsten Tag besprachen.

»Bagels oder Donuts?«, hatte sie gefragt, als sie den Flur zu ihrer Wohnung durchquerte.

»Donuts«, hatte er entschlossen geantwortet. »Bagels sind für seriöse Geschäfte. Morgen ist ein Donut-Tag.«

Nach einem späten Frühstück mit nicht-seriöser Geschäftskost und einem leichten Braten dazu machten sie sich auf den Weg nach Clayton Heights und damit Eddie the Gettys Heimatbasis. Diese befand sich etwas mehr als dreißig Kilometer außerhalb der Stadtgrenzen.

Die wohlhabenden Familien in Clayton Heights stammten nicht von der Mayflower. Sie gehörten eher zu den Raubrittern des späten neunzehnten Jahrhunderts. Mit viel Blut und harter Arbeit hatten sie sich ihren Reichtum erarbeitet, aber keiner der Patriarchen war jemals durch harte, ehrliche Arbeit ins Schwitzen gekommen. Zigarrengefüllte Hinterzimmer-Deals waren viel mehr nach ihrem Geschmack. Für die schmutzige Arbeit hatten sie Schläger und für die Politiker, die ihnen die Durchsetzung ihrer Ziele ermöglichten, Bestechungsgelder oder Erpressungsversuche.

»Ich habe noch kein Haus sehen können«, bemerkte Agony, als sie die baumgesäumten Boulevards entlangfuhr.

»Ja«, stimmte Pain zu. »Drei Meter hohe Sicherheitsmauern aus Stein verdecken die Sicht.«

Sie fand die Adresse, hielt vor dem verschnörkelten, aber sehr sicher aussehenden Doppeltor an und gab den Sicherheitscode ein, den sie auf dem Datenträger gefunden hatten. Das Tor öffnete sich langsam und sie fuhr die Einfahrt hinauf.

Man konnte es nicht anders als ein stattliches Anwesen beschreiben. Eine geschwungene Auffahrt führte zur Vorderseite der vierstöckigen Villa und zu einer Fünf-Auto-Garage und eine Seitenauffahrt führte zum Gästehaus auf der Rückseite. Ihre Recherche der Daten auf dem USB-Stick hatten ergeben, dass Eddie das Haus nicht mit seinen Eltern teilte. Er war schließlich ein erwachsener Mann und brauchte seinen eigenen Platz. Das Gästehaus mit fünf Schlafzimmern, das an den Pool grenzte, schien sein Bedürfnis nach einem unabhängigen Lebensstil zu befriedigen. Gleichzeitig war es nah genug, um sich bei Bedarf an Mommy und Daddy zu wenden, wenn mal wieder die Geldscheinklammer leer war.

Das Gästehaus hatte nur eine Garage für zwei Autos. Die Türen waren offen, aber nur ein Auto, ein Porsche 911, der ihnen bekannt vorkam, bestätigte, dass Eddie zu Hause war. Aus dem Poolbereich ertönte Musik, also übersprangen sie das Klopfen an der Tür des Gästehauses und folgten dem Lärm.

»Gibt es hier irgendetwas, das nicht ummauert und eingezäunt ist?«, fragte Agony, als sie sich der Musik näherten.

»Wenigstens hat dieses Tor keinen Sicherheitscode.«

Pain öffnete das niedrige Tor und sie traten ein. Drei Liegestühle waren von zwei jungen Frauen im Bikini und einem Eddie in der Badehose besetzt, die sich alle zurücklehnten und die Sonne genossen.

Die Partner mussten zugeben, dass die Mädchen in ihren hauchdünnen, beinahe durchsichtigen Kleidungsstücken gut aussahen. Eddie sah nicht so gut aus, was aber vor allem an der Halskrause lag wie auch dem Metallgestell am Kiefer, das er nach der Begegnung mit den beiden im Parkhaus ein paar Tage zuvor zweifellos noch einige Zeit benötigen würde.

Da sie sich mit Gurkenscheiben über den Augen sonnten, bemerkten sie nicht, dass sie Gäste hatten, bis die Musik plötzlich aufhörte. Die Mädchen schmollten und setzten sich schnell auf. Eddie tat das auch, aber sobald er die Gurken los war und sah, wer soeben gekommen war, verschwanden alle Gedanken an Spaß im Pool mit seinen beiden Bekannten aus seinem Kopf.

»Mädels«, schaffte er es mühsam, durch verdrahteten Kiefer zu sagen. »Das ist vielleicht ein guter Zeitpunkt für euch, ins Haus zu gehen.«

»Ooohh, Eddieee«, jammerte die Blondine, »wir haben nur noch eine Stunde Primo-Sonnenlicht übrig.«

»Das wird nicht lange dauern.« Er hasste ihre weinerliche Stimme und tat sein Bestes, um sie zu beschwichtigen. »Die Sonne wird noch da sein.«

»Aber es wird nicht erstklassig sein.«

»Komm schon, Chelsea.« Ihre bikinibekleidete, blauhaarige Begleiterin stand auf und war nicht gerade erfreut über die Unterbrechung ihrer Sonnenzeit. »Wir sind hier im Moment nicht erwünscht.«

Damit pirschten sich die beiden ins Gästehaus.

»Du solltest dir vielleicht überlegen«, schlug Agony vor, »den Rest des Tages und den größten Teil der Nacht hier draußen zu verbringen. Ich glaube, die Temperatur in deiner bescheidenen Behausung hat sich zur eisigen Seite hin entwickelt. Hier«, sie warf ihm ein großes Strandtuch zu, »deck dich zu.« Sie schüttelte den Kopf und fügte hinzu: »Nicht, dass es da viel zu bedecken gäbe. Da die Sonne hoch steht und kein kaltes Meerwasser in Sicht ist, sind dir irgendwie die Ausreden ausgegangen.«

Eddie gehorchte, stand eilig auf und wickelte sich das Handtuch um die Taille, während er zum Tisch unter dem Schirmständer ging. Sein Flehen begann, bevor sie überhaupt Platz genommen hatten.

»Ich tue alles. Alles, was du willst.«

Sie wählte einen Stuhl gegenüber von ihm und Pain tigerte hinter Eddie hin und her.

»Was wir wollen, Eddieee«, erklärte er geduldig und ahmte bei seinem Namen die Blondine nach, »ist, dass du deine beträchtlichen Spielschulden im Casino bezahlst.«

»Ich bin im Moment ein bisschen knapp bei Kasse«, wimmerte der Spielsüchtige.

»Was?« Agony warf ihm einen besorgten Blick zu. »Heißt das, du hast dein Wochengeld schon ausgegeben?«

»So ähnlich, ja.« Er versuchte zu nicken, was mit einer Halskrause und einem verdrahteten Kiefer gar nicht so einfach war und zuckte vor Schmerz zusammen.

»Die Sache ist die, Eddie«, fuhr sie fort, »wir sind das, was man als mobiles Inkassobüro bezeichnen könnte und deine Rechnung ist fällig. Heute ist der Tag, an dem du zahlst, auf die eine oder andere Weise.«

»Hier muss es doch irgendwo eine Gartenschere geben, oder?«, erkundigte sich Pain interessiert, als er sich umsah. »Zehn Finger, zehn Zehen und noch etwas, das wir als Bezahlung abschneiden können.«

»Ich habe, ich habe, ich habe …« Der Spieler tastete nach dem richtigen Wort und kam auf »Zeug.«

»Drogen interessieren uns nicht.« Sie schüttelte den Kopf.

»Drogen?« Eddy verdrehte seinen ganzen Oberkörper, um nicht den Kopf zu schütteln. »Nichts dergleichen! In meinem Haus – im Hauptraum – sind alle Gegenstände, die du siehst, aus Metall und Edelsteinen der alten Schule, bis hin zu den Tiffany-Weingläsern. Ach ja, und der kleine Warhol ist ein signiertes Original.«

»Also …« Agony wiederholte, was sie dachte, was sein Plan war. »Du willst, dass wir uns wie gewöhnliche Diebe verhalten, dich ausrauben und du den Verlust bei der Versicherung meldest, damit du das Geld kassieren und uns das Gesetz auf den Hals hetzen kannst? Verstehe ich das richtig?«

»Nein, nein, nein, du verstehst das nicht. Dieser Scheiß bedeutet mir nichts und nichts davon ist katalogisiert oder versichert. Im Haupthaus haben meine Eltern genug Zeug, um ein Museum zu füllen und das meiste davon habe ich bekommen, weil sie wollten, dass ich wenigstens wie ein erfolgreicher, junger Sohn aussehe. Ich weiß nicht, wie viele Stücke ich verpfändet habe, wenn es eine Gelegenheit dazu gab. Das Einzige, was mich interessiert, ist, dass du die Schulden bei mir eintreibst und meine Eltern da raushältst.«

»Was?« Sie war offenkundig skeptisch. »Hast du Angst, dass sie dich aus ihrem Testament streichen?«

»Hah.« Eddie tat sein Bestes, um zu schnauben. »Als ob das perfekte Paar jemals auf etwas so Alltägliches wie das Sterben zurückgreifen würde.«

»In welchem Alter kommt dein Treuhandfonds zum Einsatz, Eddie?« Pain war zu dem Schluss gekommen, den er für richtig hielt.

»In fünf Jahren.« Der Spieler schloss die Augen, als er die Vermutung bestätigte.

»Du musst also nur noch fünf Jahre lang den Schein wahren, dann kannst du dich von dem ganzen Elend, in dem du lebst, verabschieden?«

»Mmh …«

»Aber wenn Mama und Papa herausfinden, wie sehr du dein Leben vergeudet hast, könnten sie dich auf die Straße setzen, wo du dich mit einem Mindestlohnjob durchschlagen musst, bis der Fonds greift?«

»Irgendwie so, ja.« Seine Stimme war jetzt ein fast unverständliches Wimmern.

»Eddie!«, rief eine süße Frauenstimme aus der Richtung der Villa. »Ich habe für dich und deine Freunde Zitroneneistee gemacht. Ihr habt dreißig Sekunden Zeit, euch wieder anständig zu benehmen.«

»Mama?«, erkundigte sich Agony.

»Bitte?«, bettelte Eddie.

Pain nickte und stellte sich hinter den einzigen Sohn von Mister und Misses Edward V. Hollister.

Das Tor zum Pool öffnete sich und Emily Hollister kam mit einem Tablett herein, auf dem drei Gläser und eine Kanne Zitroneneistee standen. Sie hatte erwartet, Eddy und seine beiden Freundinnen zu sehen und war überrascht, ihren Sohn in Gegenwart von zwei gut gekleideten Fremden zu sehen.

»Bitte stell das Tablett ab, Mutter.« Jedes Wort, das Eddie sprach, bereitete ihm Schmerzen. »Und lass mich dir vorstellen …«

»Mosley«, sprang Pain Eddie helfend bei, als er um den Tisch herumging und sich vorstellte. »Doktor Mosley Payne.«

»Oh, Mann.« Emily Hollisters Stimme erhob sich mit einem hoffnungsvollen Lächeln, als sie ihn begrüßte: »Sind Sie mit Moses Payne verwandt?«

»Man könnte ihn als meinen Onkel bezeichnen.« Pain riss sie mit. »Ich wurde nach ihm benannt. Das ist sowohl ein Segen als auch ein Fluch. Die meiste Zeit versuche ich einfach nur, ihn stolz zu machen.«

»Und Sie sind?« Die Frau wandte sich höflich an Agony, die ihr Stichwort aufnahm, aufstand und ihr die Hand reichte.

»Alicia. Alicia Goni.« Sie war nicht so geschickt im Improvisieren wie ihr Partner.

»Sie ist zu bescheiden.« Er ergriff ihren Ellbogen und führte sie mit sich, um sich hinter Eddie zu stellen. »Doktor Goni ist einer der bekanntesten orthopädischen Chirurgen an der Küste und ich habe sie gebeten, mich zu einem Konsultationsgespräch hierherzubegleiten.«

»Eine Konsultation?«

»Nun«, erklärte er, »da das meiste, was Sie von Ihrem Sohn von den Schultern aufwärts sehen, mein Werk ist, wollte ich einen Nachsorgebesuch machen, um nach meinem Patienten zu sehen und ob noch irgendwelche Anpassungen vorgenommen werden müssen.«

»Ein Arzt, der noch Hausbesuche macht?«

»Nicht für jeden, Misses Hollister.« Er tippte Eddie auf die Schulter. »Aber Ihr Sohn ist ein ganz besonderes Kind und obwohl wir Ärzte darauf trainiert sind, uns nicht an unsere Patienten zu binden, kommt es manchmal vor, dass wir das Gefühl haben, dass jemand besondere Aufmerksamkeit verdient.«

»Und Ihr Sohn Eddie …« Agony holte auf und begann, Eddies Halskrause und Kieferbeschläge genau zu untersuchen. »Der Fall Ihres Sohnes hat meinen Kollegen so beeindruckt, dass ich es mir nicht entgehen lassen konnte, mitzukommen und zu assistieren.«

»Was meinen Sie, Doktor Goni?«, fragte Pain an seine beratende Ärztin gewandt.

»Ich glaube, der Winkel der Halskrause muss ein wenig angepasst werden«, sagte sie, während sie die Krause festhielt und nichts weiter tat, als sie ein paar Mal zu drehen, was den Patienten zum Quietschen brachte.

»Und der Kiefer?«, fragte Doktor Mosley Payne, während die Frau zufrieden zusah, wie die beiden Fachleute ihrem Sohn die besondere Aufmerksamkeit schenkten, die er verdiente.

»Er muss vielleicht ein wenig gestrafft werden.« Doktor Goni sagte ihre Meinung und nahm einen Schluck von dem Zitroneneistee, den die Gastgeberin freundlicherweise serviert hatte.

Sie stellte das Glas ab und wandte sich mit einem anerkennenden Lächeln an die Frau.

»Das ist köstlich. Familienrezept?«

Emily Hollister wollte gerade antworten, als ihr Sohn plötzlich ein lautes Stöhnen von sich gab, als Doktor Payne das Drahtgestell am Mund leicht verstellte.

»Oh, Edward«, tadelte ihn seine Mutter. »Du tust so, als würde der gute Doktor dich quälen oder so. Erinnere dich an den Rat deines Vaters – manchmal muss man sich einfach zusammenreißen und seine Medizin nehmen.«

»Ja … Mutter …«, quietschte er vor sich hin.

»Danke für die Getränke, Misses Hollister.« Agony führte sie zu dem Tor, das sie zum Haupthaus bringen würde, damit die beiden Partner weiterhin ungestört ihren Sohn in die Mangel nehmen konnten.

»Bitte«, bat die Frau die vermeintliche ärztliche Spezialistin, »kommen Sie mit mir. Ich möchte Sie für Ihre zusätzliche Zeit bezahlen.«

Sie schaute Pain panisch an und hoffte, dass er diese Bitte gehört hatte. Er antwortete mit einem kurzen Kopfschütteln, was ein klares Nein bedeutete.

»Danke, Misses Hollister.« Sie blieb vor dem Pooltor stehen. »Aber nein. Ich bin hier, um mich um Ihren Sohn zu kümmern und Doktor Payne und ich haben noch etwas zu tun.«

»Ich verstehe.« Eddies Mutter akzeptierte die Erklärung, streifte einen der vielen juwelenbesetzten Ringe von einem Finger und drückte ihn in ihre Hand. »Danke.«

Ohne einen Blick zurückzuwerfen, betrat sie ihr Haus in dem festen Glauben, dass ihr Sohn in guten Händen war.

Agony kehrte an den Tisch unter dem Schirm zurück.

»Wir haben unseren Teil der Abmachung eingehalten«, erklärte sie, als sie vor dem Spieler stand, während ihr Partner das Gestell am Kiefer festhielt. »Jetzt bist du dran.«

»Ich meinte alles, was ich sagte. Alles, was im Hauptraum ist, könnt Ihr mitnehmen.«

»Und was ist, wenn wir von deinen Flittchen unterbrochen werden?« Sie war sich nicht sicher, wie das ablaufen würde.

»Mach dir keine Sorgen um sie«, versicherte der reiche Junge ihnen. »Sie sind oben in ihren Zimmern und unterhalten sich.«

»Unterhalten?« Sie war sich nicht sicher, wie sie das interpretieren sollte.

»Mädchen wollen auch nur Spaß haben. Und manchmal schauen Jungs gerne zu«, fügte er ohne sich einer Schuld bewusst zu sein hinzu.

»Hat er gerade gesagt, was ich denke?« Sie sah ihren Partner fragend an.

»Du hast ihn in seiner Badehose gesehen.« Pain zuckte mit den Schultern. »Glaubst du, er hat etwas, das es wert ist, zur Party mitgebracht zu werden?«

Eddie begleitete sie ins Gästehaus und blieb mit ihnen im Hauptraum, während sie ihn ausräumten, aber nicht vollständig. Sie fanden ein vierteiliges Kofferset in einem Schrank und luden sie zusammen mit dem Warhol und anderen Gegenständen voll.

Nachdem das erledigt war, fingen sie an, Bertha zu beladen. Als kleinen Vorschlag zur Güte gaben sie Eddie die Namen einiger Casinos, in denen er am besten in Zukunft keine Schulden mehr machen sollte.

»Es gibt viele stinkreiche Menschen auf dieser Welt, die ich beneide«, sagte Agony zum Abschied, »aber du gehörst nicht dazu.«

Er akzeptierte den verbalen Tiefschlag und schaffte es, eine Antwort zu murmeln: »Ich beneide mich auch nicht.«

* * *

»Ich war versucht«, sagte Agony, als sie auf den Boulevard einbogen, »in den Pool zu springen, um zu versuchen, etwas von dem Dreck dieser schmierigen Ratte abzuspülen.«

»Ich hätte dem Wasser nicht zugetraut, dass es so etwas wie ein reinigendes Bad ist.«

Pain fing an zu telefonieren und eine Stunde später parkten sie in der Gasse hinter Kwan’s . Manche Dinge brachte man am besten durch die Hintertür herein.

Drei von Ahjoomenonis Männern kamen ihnen entgegen und trugen die drei größeren Gepäckstücke hinein. Das kleinste Stück, das in den Handgepäckfächern jeder größeren Fluggesellschaft passen würde, wollten sie für sich behalten. Sie waren nicht der Meinung, dass sie damit in die Kategorie der Gelegenheitsdiebe fielen, sondern rechtfertigten das Behalten als Unannehmlichkeitsgebühr. Die Unannehmlichkeiten waren die körperliche Misshandlung und der psychische Stress, den Eddie ihnen zugefügt hatte, weil er sich weigerte, leise mitzukommen, als sie ihn das erste Mal ausfindig gemacht hatten. Sie dachten auch nicht daran, das Geld in nächster Zeit auszugeben, sondern es als Notgroschen zu behalten, der nur im Notfall verwendet werden sollte.

Die Koffer wurden in ein Hinterzimmer gebracht, wo Ahjoomenoni auf sie wartete. Agony hatte gelernt, dass sie und die Frau zwar eine Beziehung aufgebaut hatten, in der sie sich mit AJ und AG anreden konnten, wenn nur sie beide anwesend waren oder sie sich kurz auf dem Flur begegneten. Sie hatten aber nicht die Angewohnheit, anspruchsvollere Konversation zu betreiben. Vielleicht würde sie sich eines Tages das Recht verdienen, frei mit ihr zu sprechen, aber dieser Tag war noch nicht gekommen. Wenn es ums Geschäftliche ging, war es an Pain, für sie beide zu sprechen.

»Darf ich zufrieden sein?«, fragte ihre herzallerliebste Vermieterin.

»Wenn nicht«, sagte er und verbeugte sich, »ist es meine Schuld.«

Sie saß, als die drei Koffer, die nebeneinander auf dem Boden lagen, nacheinander vor ihr auf einen Tisch gestellt und geöffnet wurden.

Mit festem und konzentriertem Blick berührte und begutachtete sie jeden Gegenstand, der auf dem Tisch lag. Es dauerte über eine Stunde, aber niemand wollte sie unterbrechen. Während der Inspektion schlüpfte Pain hinaus und brachte einen weiteren Gegenstand als Reserve mit.

»Der Schuldner hat seine Schulden bezahlt.« Sie schaute ihre Mieter an, als sie zu ihrem Schluss kam. »In vollem Umfang und darüber hinaus.«

»Und bitte …« Pain wandte sich mit einer leichten Verbeugung an sie. »Nehmen Sie dies als Zeichen unserer Wertschätzung dafür an, dass Sie uns eine zweite Chance zum Erfolg gegeben haben.«

Er enthüllte das kleine Warhol-Gemälde, das er mitgebracht hatte und legte es auf ihren Tisch.

»Ein Vergrößerungsglas, bitte«, bat Ahjoomenoni niemand besonderen, hielt aber bald eine Lupe in der Hand.

»Es ist kein Druck«, stellte sie nach ihrer sorgfältigen Inspektion fest und sah den Agenten an.

»Ahjoomenoni braucht keine Drucke.«

»Ahjoomenoni braucht nichts, Gotong.« Sie benutzte Boras Spitznamen für ihn. »Aber du vielleicht schon.«

»Ich habe einen Platz zum Schlafen«, antwortete er. »Das ist alles, was man wirklich braucht.«

»Du hast einen manchmal sehr dummen Partner, Alicia Goni.«

»Ja.« Dem konnte Agony nicht widersprechen.

»Was Ahjoomenoni tun wird«, sagte sie zu Pain, »ist, euch beiden einen kleinen Kredit zu einem sehr günstigen Zinssatz anzubieten. Ihr seid jetzt im Geschäft und ihr solltet ein richtiges Büro haben, wenn ihr ernst genommen werden wollt. Meine einzige Bitte ist, dass ihr mit dem unsäglichen Namen ›P&A Schädlingsbekämpfung‹ aufhört und euch einen passenderen aussucht.«

Die Partner bedankten sich mit einer Verbeugung für die Großzügigkeit ihrer Vermieterin, schlüpften durch die Hintertür und begleiteten Bertha zu ihrem angestammten Parkplatz.

Es war eine kurze Fahrt, aber lange genug, dass sie darauf hinwies, dass ein richtiges Büro zwar sehr professionell klang, sie aber wahrscheinlich einen von Eddies Gegenständen zu Geld machen könnten, um die Einrichtung eines Büros zu finanzieren.

Er schüttelte den Kopf. »Ahjoomenoni hat uns ein Angebot gemacht. Sie ist nicht gut auf jemanden zu sprechen, der ihre Großzügigkeit ablehnt.«

Pain trug das kleine Handgepäckstück mit den letzten Gaben von Eddie, als sie bei Kwan’s vorbeigingen. Es gab keinen Grund mehr, dem Besitzer auszuweichen und sie gingen die Treppe zu ihren Zimmern hinauf.

»Mañana?«, fragte sie, als sie den Flur erreichten, der ihre Wohnungen trennte.

»Mañana.«

ENDE

Alicia Goni und M. Pain kehren zurück in:
›Pain und Agony 3‹

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